Prozess von Olaf Latzel: «Wir hätten uns eine Verurteilung gewünscht»

Seine Spende soll zielgerichtet in Projekte gegen religiös motivierte Queerfeindlichkeit fliessen

Pastor Olaf Latzel im Gerichtssaal in Bremen (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)
Pastor Olaf Latzel im Gerichtssaal in Bremen (Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Der homophobe Pfarrer aus Bremen musste 5000 Euro an den Verein «Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben» spenden.

Olaf Latzel sorgt seit Frühling 2020 für Schlagzeilen. Der Pfarrer aus Bremen hatte im Oktober 2019 in dem Seminar «Biblische Fahrschule für die Ehe» homophobe Aussagen getätigt, für die er sich zuletzt beim Hanseatischen Oberlandesgericht verantworten musste. Sein Freispruch sorgt bei vielen für Entsetzen. So auch bei Georg Dietsch, einem Vorstandsmitglied des Bremer Vereins «Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben». Wir haben mit ihm gesprochen.

Die Hintergründe «Gelebte Homosexualität» hat Olaf Latzel in dem bereits erwähnten Ehe-Seminar als «todeswürdig und vor Gott ein Gräuel» beschrieben. Er sprach von einer «teuflischen Homo-Lobby», die sich in die Gesellschaft dränge, und von «diesen Verbrechern vom Christopher-Street-Day». Aussagen wie diese haben Latzel im November 2020 zum Amtsgericht Bremen geführt, wo er wegen Volksverhetzung schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 8100 Euro verurteilt wurde.

Doch Latzel ging in Berufung – woraufhin der Fall beim Landgericht neu aufgerollt wurde. Dort kam man zu dem Entschluss, dass Latzels Äusserungen durch die Religions- und Meinungsfreiheit gedeckt seien, woraufhin Latzel im Mai 2022 freigesprochen wurde (MANNSCHAFT berichtete). Die Staatsanwaltschaft legte jedoch Revision ein, bis der Fall schlussendlich beim Hanseatischen Oberlandesgericht verhandelt wurde. Das Urteil des Landgerichts wurde als lückenhaft kritisiert, der Freispruch wurde aufgehoben und an eine andere Kammer des Landgerichts verwiesen. Dort sollte nun geklärt werden, ob durch Latzels Aussagen die Menschenwürde verletzt wurde – denn an diesem Punkt komme die Religionsfreiheit dem Oberlandesgericht zufolge an ihre Grenzen.

Am 28. August 2024 wurde das Verfahren nun schlussendlich eingestellt, nachdem Latzel in einer Erklärung sagte, er habe in dem Ehe-Seminar Äusserungen getroffen, die «Homosexuelle, Gendermenschen und Menschen des CSD» verletzt hätten und dafür um Entschuldigung bat. Die zuständige Richterin schätzte Latzels Abbitte als «authentisch» ein. Er erklärte sich dazu bereit, 5000 Euro an den queeren Bremer Verein «Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben» zu spenden – und entgeht damit einer Verurteilung.

Der «Rat&Tat»-Verein zeigt sich nicht begeistert Dass Olaf Latzel nicht wegen Volksverhetzung verurteilt und die Frage danach, ob die Menschenwürde von seinen Aussagen verletzt wurde, juristisch nicht mehr geklärt wird, wird von queeren Bündnissen und Aktivist*innen kritisiert. Auch Georg Dietsch, der mit seinem Verein «Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben» indirekt von der Geldauflage profitiert, zeigt sich alles andere als begeistert. «Wir sind nicht positiv überrascht vom Ausgang. Wir hätten uns eine Verurteilung gewünscht», sagt er resigniert.

Auch Latzels Entschuldigung nimmt Dietsch nicht ohne Kritik an: «Die Ausdrucksweise ‹Gendermenschen› ist unangemessen. So wollen wir das natürlich nicht formuliert sehen.» Dass die Entschuldigung nicht ehrlich war, möchte er allerdings nicht daraus schlussfolgern. «Es muss sich nun zeigen, wie ernst sie gemeint war und ob solche Formulierungen in Zukunft wieder verwendet werden.»

Das Geld hat der queere Verein bereits erhalten. Somit ist die Einstellung des Verfahrens rechtkräftig und Latzel kann auf juristischer Ebene nicht mehr belangt werden. Das Geld soll allerdings nicht nur als Strafe für Latzel dienen, sondern auch darüber hinaus einen Zweck erfüllen. Darin sind sich Dietsch und die anderen Vorstandsmitglieder einig. Deshalb sollen die 5000 Euro zielgerichtet in Projekte fliessen, die sich mit religiös motivierter Queerfeindlichkeit beschäftigen. «Wir haben ein Projekt, das wir unabhängig von diesem Strafgeld schon länger vorbereiten – zufällig auch in Zusammenarbeit mit der evangelischen Studierendengemeinde hier in Bremen. Wir möchten eine Veranstaltung zum Thema Konversionstherapie ins Leben rufen.»

«Wir wollen nicht alle Mitglieder der evangelischen Kirche über einen Kamm zu scheren.»

Religiös motivierte Queerfeindlichkeit in Bremen Die Zusammenarbeit mit evangelischen Studierenden beweist, dass es nicht nur Feindseligkeit zwischen der Kirche und dem queeren Verein gibt. «Wir pflegen sehr gute Kontakte zu Teilen der Bremischen Evangelischen Kirche», sagt Dietsch. «Uns liegt viel daran, nicht alle Mitglieder der evangelischen Kirche über einen Kamm zu scheren.»

Die Erlebnisse der letzten Tage zeigen jedoch, dass die Lage überwiegend angespannt ist. «Seit Abschluss des Prozesses erhalten wir Zuschriften von echten oder vermeintlichen Anhänger*innen von Herrn Latzel, in denen wir beschimpft werden, weil wir das Geld annehmen, und uns vorgeworfen wird, dem armen Pastor sein Geld wegzunehmen», berichtet Dietsch. «Dabei wird die Sachlage völlig verkannt und man fordert uns auf, das Geld an die Kirche zurückzuspenden, damit es einem gemeinnützigen Verein zugutekommt.»

Die vielen Zuschriften machen deutlich, wie wirksam Latzels Worte auf seine Gemeindemitglieder sind. Dietsch zeigt sich beunruhigt von so viel Hass: «Die Gemeinde steht geschlossen hinter ihm und seinen menschenverachtenden Thesen. Man sieht, dass hier eine Saat aufgegangen ist. Wir dürfen nicht blind sein und Latzels Aussagen fälschlicherweise als Einzelmeinung verstehen.» Besonders grosse Sorgen macht er sich um queere Menschen, die in dieser Kirchengemeinde aufwachsen: «Es muss schrecklich sein, in einem solchen Umfeld aufzuwachsen und dann festzustellen, dass man queer ist. Unser Auftrag ist es ganz klar, Beratung anzubieten. Unsere Beratungsstelle und Selbsthilfegruppen wollen aktiv werden.»

24.08.2024, Bremen: «CSD statt AFD» steht auf einem Plakat beim Christopher Street Day (Bild: Carmen Jaspersen/dpa)
24.08.2024, Bremen: «CSD statt AFD» steht auf einem Plakat beim Christopher Street Day (Bild: Carmen Jaspersen/dpa)

Auch während des CSD in Bremen – der weitestgehend friedlich verlief – waren Personen aus dem religiös evangelikalen Bereich anwesend, die Transparente mit queerfeindlichen Botschaften hochhielten. «Wir haben hier weniger Angst, dass eine Neonazi-Gruppe den CSD angreifen würde. Aber dass Menschen queerfeindliche Thesen verkünden, in denen es um Gott und die Kirche geht, passiert deutlich häufiger», sagt Dietsch.

Für die Zukunft wünscht er sich vor allem, dass die mediale Aufmerksamkeit, die das Thema in den letzten Jahren erhalten hat, nicht abbricht. «Wir begrüssen es, dass die Aufmerksamkeit für dieses gesellschaftliche Thema so gross ist. Das geht weit über das Feld ‹Queerness und Kirche› hinaus. Blickt man global, sieht man, wie dringlich diese Fragen sind: Was darf man eigentlich sagen? Wie weit darf man seinem Hass freien Lauf lassen? Inwiefern sind Menschen vor Hassrede geschützt? Wir freuen uns, dass die Diskussion im Gange ist und hoffen, dass sie anhält.»

Mehr: Die Oktoberfest-Zeit naht. Wir haben für dich einige queere Wiesn-Highlights von Hamburg bis Zürich zusammengestellt (MANNSCHAFT berichtete).

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