Wuff und weg: Urlaub mit Hund im Gepäck
Das Essay eines Hunde- und Reiseliebhabers
Mit dem Hund verreisen? Ist das eine gute Idee? Unbedingt, findet unser Autor. Wobei: Es kommt wie immer darauf an.
Lieber lasse ich mir mein Sofa versauen als das ganze Leben – lautet ein geflügeltes Wort von Hundeliebhaber*innen, die damit deutlich machen, dass sie Beziehungen mit anderen Menschen für überschätzt, das Zusammensein mit Vierbeinern dagegen für deutlich lohnenswerter halten.
Abgesehen davon zeigen Studien aus Australien und Grossbritannien: Wer einen Hund hat, ist deutlich weniger anfällig für Herzleiden, ausserdem lindert so ein haariger Begleiter die Einsamkeit.
«Jeder hat ein’ Hund, aber keinen zum Reden», rappte Peter Fox in «Schwarz zu Blau». Schon möglich. Aber ich halte reden ohnehin für überschätzt.
Seit ich denken kann, mache ich alleine Urlaub. Mit wenigen Ausnahmen. Ab und an gab es Kerle in meinem Leben, stand vorübergehend eine zweite Zahnbürste in meinem Badezimmer, und irgendwann waren sie wieder verschwunden, die Männer und ihre Bürsten (nie lag es am gemeinsamen Urlaub). Ich kann prima allein sein, ob an der Ostsee oder in Spanien, aber ich habe vor etlichen Jahren festgestellt, dass es etwas gibt, das viel schöner ist als allein wegzufahren: verreisen mit Hund.
Mit meinem ersten Vierbeiner, der Hundegott hab ihn selig, war ich beispielsweise mit dem Auto in Paris und Dubrovnik, per Zug in der Toskana, zu Schiff in Newcastle und gleich mehrfach mit dem Flugzeug in Tel Aviv. Mompa war ein Labrador-Retriever-Riesenschnauzer-Mix (nur die besten Zutaten!) und ohne Übertreibung: der beste Hund der Welt. Absolut robust, pflegeleicht und abenteuerlustig.
Reisen bildet, auf ganz vielen Ebenen. Im Rahmen unserer Englandreise, einer Mini-Kreuzfahrt von Amsterdam nach Newcastle mit Auto an Bord, erfuhr ich zum Beispiel, dass der Gute locker 20 Stunden lang dichthalten kann. Ich hatte mich extra vor der Buchung beim Reiseveranstalter erkundigt, wie und wo denn Hunde an Bord ihr Geschäft verrichten würden? Es gebe dafür eigens einen Ort an Deck, sagte man mir und ich war beruhigt. Aber auch neugierig.
Ein Grashalm zu wenig Tatsächlich hatte man auf einem Zwischendeck ein Kiesbett bereitgestellt, das zum Pinkeln und Grösserem einladen sollte. Mompa zeigte sich unbeeindruckt. Zweimal suchten wir in der Nacht diesen Ort auf. Mein Hund stieg artig auf die Pieselvorrichtung und schaute mich schwanzwedelnd an. Mehr nicht. Kein Tropfen. Ein Grashalm wäre hilfreich gewesen, der animiert fast jeden Hund zum Pinkeln. Vielleicht hätte ich es ihm auch einfach vormachen sollen, aber die Idee kam mir leider erst später.
Andererseits: Es gab keine Anzeichen von Zappeligkeit, weil er gerne etwas losgeworden wäre, aber nicht konnte. Ich war deutlich nervöser als er. Als wir schliesslich vom Schiff rollten, hielt ich darum bei erster Gelegenheit an und liess den Hund auf einer Wiese aussteigen. Mompa schnappte sich einen Ball aus dem Auto und wollte spielen. Ans Pieseln verschwendete er immer noch keinen Gedanken. Seitdem weiss ich: So eine Hundeblase hat ein Fassungsvermögen, von dem ich als Mann über 50 nur noch träumen kann.
Beim Fliegen mit Hund hat man es mit ganz anderen Herausforderungen zu tun. Nicht jede Airline nimmt Tiere mit, allein der Buchungsvorgang ist aufwändig, billig ist der Spass auch nicht, und am Zielort hat man die Hundebox am Hacken, denn die muss man für seine Reisen selber besorgen.
Schweden: Ohne Hund im Restaurant Das ist aber noch längst nicht die einzige Problemstellung am Urlaubsort: Kann er mich ins Restaurant begleiten? In Schweden nicht mal im Aussenbereich. Darf der Hund im Bus mitfahren? In Andalusien war das nur in seiner Box möglich. Und so lernte ich die nächste Lektion: Er, der eben erst aus der Flugbox geklettert war, musste umgehend wieder rein.
Ich sagte: «Mompa, geh in die Box!« Und Mompa ging in die Box.
Als bös traumatisch hatte er den Flug ganz offenbar nicht abgespeichert.
Und noch was entdeckte ich in Malaga: ein Restaurant, so hundefreundlich, dass vor Mompa, noch bevor ich meine Nase in die Speisekarte stecken konnte, je ein Napf Wasser und einer mit Trockenfutter standen.
Unterm Strich gilt aber: Es gibt nur wenige Länder, in Europa wenigstens, die so hundefreundlich sind wie Deutschland. Israel wäre unbedingt noch zu nennen, jedenfalls Tel Aviv. Dort kam es einst in einem Buchladen unweit vom Strand zu einer denkwürdigen Begegnung. Wir waren schwimmen und Mompa war nass und dreckig, also liess ich ihn vor dem Laden warten. Als ich reinging, begrüsste mich die Verkäuferin mit den Worten: «Bringen Sie ihn ruhig mit rein. Hunde mögen wir hier eh lieber als Menschen.»
Mit nichts vergleichbar ist der Empfang am Airport Ben Gurion, dem wohl bestgesicherten Flughafen der Welt. Jedes Mal, wenn ich mit Mompa, Hund Nr. 1, dort eintraf, kamen Sicherheitsleute mit Maschinengewehr über der Schulter, bückten sich entzückt zu meinem Hund und streichelten ihn ausgiebig.
Offiziell müssen Reisende für ihren Vierbeiner bei der Einreise nach Israel einen Bluttest vorlegen. Der kostet 100 Euro, aber am Flughafen will ihn dann niemand sehen. Darum habe ich mir das nach dem ersten Mal gespart. Als dann doch mal jemand fragte, stellte ich mich doof. Echt, wusste ich gar nicht! Einreisen durften wir trotzdem.
«Es kommt auf den Hund an»
Interview mit dem schwulen Tierarzt Volker Borchers aus Dortmund
Wie oft kommen Hundehalter*innen in deine Praxis, die mit Tier verreisen wollen? Regelmässig, in der Hauptreisesaison natürlich häufiger. Die Menschen erkundigen sich dann, was man machen kann gegen die Angst des Tieres, aber auch nach den Vorschriften in Bezug auf Impfungen oder was bei der Parasitenvorsorge zu tun ist. Auch zu beachten: Bei der Einreise aus bestimmten Ländern in die Europäische Union braucht es den Nachweis gegen das Tollwut-Virus, die sogenannte Titerbestimmung.
Spricht ganz allgemein etwas dagegen, mit Hund zu fliegen? Meiner Meinung nach nicht. Es kommt letztendlich darauf an, wie der Hund mit der Situation an sich zurecht kommt. Man muss auch schauen, wie das Tier mit Trennungen von seinem Menschen zurechtkommt, ob nun im Käfig oder ohne Käfig. Vielleicht muss man ihm etwas zur Beruhigung geben, ein paar Tropfen Diazepam zum Beispiel.
Manchmal kommt es vor, dass ich kurzfristig zum Flughafen Dortmund gerufen werde: «Hier rastet ein Hund gerade in seinem Käfig aus. Können Sie kommen und ihm vielleicht was zur Beruhigung geben?», heisst es dann. Möglicherweise hat ihn sein Mensch gerade eingecheckt und ist nicht mehr in der Nähe. Und wenn der Hund dann zappelt und jault, macht er vielleicht noch andere Hunde im Flughafen irre.
Kommt es vor, dass du Menschen abrätst, mit dem Hund zu fliegen oder überhaupt zu verreisen? Das würde ich zuerst einmal von der medizinischen und der gesundheitlichen Situation abhängig machen. Man muss sich fragen, ob es sinnvoll ist, mit dem Tier zu reisen, wenn es unter einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung leidet oder sich gerade von einer sehr schweren Infektionskrankheit erholt hat. Aber sowas ist immer eine Einzelfallentscheidung. Ich würde den Besitzenden sicherlich sagen, dass jetzt vielleicht nicht der optimale Zeitpunkt ist, den Hund mitzunehmen.
Bestimmte Rassen dürfen gar nicht fliegen. Seit 2020 gilt das bei vielen Airlines für sogenannte brachycephale, also stumpfnasige Hunde wie z.B. Möpse. Die haben verengte Atemwege, man hört es am Schnaufen, Röcheln oder Grunzen. Ganz häufig haben die – auch wenn es das Wort nicht trifft – ein verlängertes Gaumensegel. Das ist das Ding, was ein bisschen flattert hinten im Rachen. Das ist natürlich an sich nicht verlängert, sondern wurde bei der Zucht verkürzt. Damit ist es anatomisch trotzdem zu lang für den kurzen Kopf. Diese schnarchenden Atemgeräusche sind ein Zeichen starker Belastung, eventuell ist auch die Sauerstoffzufuhr geringer. Wenn diese Tiere sich dann zu sehr aufregen, noch dazu unbeaufsichtigt, könnte es zu Kreislaufversagen kommen. Sie könnten gesundheitliche Schäden davontragen oder sogar während der Reise sterben.
Hummus ja, Wellen nein Meinem Walter, Hund Nr. 2, muss ich mit Israel nicht kommen. Hummus mag er zwar sehr gerne, aber den Strand weiss er so gar nicht zu schätzen. Der kleine Schisser fürchtet sich vor Wellen. Vom Krieg in Nahost ahnt er nichts. Hund müsste man sein.
Natürlich haben meine haarigen Lebensabschnittsgefährten immer auch ein Wörtchen mitzubellen, wenn es um die Urlaubsplanung geht. Walter fliegt nicht gerne, weniger aus ökologischen Gründen. Schon wenn wir den Flughafen betreten, fängt er an zu zittern. Da ich aber am liebsten und zwangsläufig im Januar verreise, um den grauen Berliner Winter zu schwänzen und den entsprechend übellaunigen Zweibeiner*innen aus dem Weg zu gehen, müssten wir sehr lange im Auto und im Zug sitzen, um irgendwo anzukommen, wo es spürbar wärmer ist.
Walter stammt aus Thailand, dort hat er auch seinen Namen erhalten. Überwintern im Süden kommt ihm entgegen, weil er wenig Fell hat und bei Temperaturen unter 20 Grad (plus!) anfängt zu zittern. Nur zeigt sich mein kleiner Thai Boy leider nicht offen für vernünftige Argumente, darum muss er mir einfach vertrauen: Wenn er aus dem Flugzeug steigt, ist es wie durch Zauberhand wieder angenehm warm.
Der Hund als Vielflieger Dort, wo er im Frachtraum untergebracht wird, wird die Temperatur auf etwa 15–20 Grad reguliert, versichert mir eine Sprecherin von Condor. Die deutsche Fluggesellschaft, die im kommenden Jahr ihr 70. Bestehen feiert, tranportiert jedes Jahr rund 20 000 Hunde in der Kabine oder im Frachtraum.
Walter (17kg) muss in einer Box im Cargobauch der Maschine fliegen, zur Beruhigung bekommt er ein paar Tropfen Diazepam. Und ein getragenes T-Shirt, möge ihn mein Geruch ein wenig trösten.
In die Kabine darf er nicht. Das ist kleineren Hunden vorbehalten, bis 8 oder 10 kg, das variiert von Airline zu Airline. Oder Assistenzhunden. Neidvoll sehe ich bei Instagram immer die Videos von Golden Retrievern, die in der Kabine mitfliegen dürfen und das Herz der Mitreisenden erfreuen.
Warum es diese Unterscheidung nach Gewicht gibt, ist mir schleierhaft. Sie erscheint mir willkürlich. Menschen werden vor Antritt des Fluges ja auch nicht gewogen und die halten an Bord immer noch die Mehrheit.
Überwintern ohne Böller Letztes Jahr waren wir zum Überwintern auf Malta, wo man – ein tolles Bonusfeature der Insel! – böllerfrei Silvester feiern kann. Ganz kurz nur, vielleicht für die Dauer von 30 Sekunden, haben wir am 31. Dezember kurz nach 20 Uhr ein bisschen Knall und Bums gehört. In Deutschland wäre eine solche pyrotechnische Zurückhaltung nicht vorstellbar, schon gar nicht aus Rücksicht auf Tiere. Dabei weiss wirklich jedes Kind: Der unvermittelt einsetzende Explosionsdonner gepaart mit Qualm sind eine Tortur für das gute Gehör und die fein entwickelten Nasen von Hund und Katze. Bei vielen löst das Stress und Angst oder sogar Panik aus.
Der Tierarzt Ralph Rückert aus Ulm, auf den sich etwa der Hundetrainer-Star Martin Rütter beruft, empfiehlt als Sedativum an Silvester einen Esslöffel Eierlikör, bei seinem 10kg-Hund habe sich das bewährt: zwei Löffel, im Abstand von 3 Stunden am Silvesterabend.
Mein Tipp: Malta. In knapp 3 Stunden Flugzeit ist man da - mehr würde ich Walter nicht zumuten. Ein Flug mit Zwischenstopp kommt gar nicht in Frage. Gemeinsame Urlaube in seiner Heimat scheiden nicht nur aufgrund der Entfernung aus: Er müsste bei der Wiedereinreise nach Deutschland drei Monate in Quarantäne verbringen, das Problem hat man bei innereuropäischen Reisen nicht.
Nun vermutet man Hunde eher nicht in der Luft, die einzigen Säugetiere, die fliegen können, sind Fledermäuse und, nun ja, Flughunde, die aber (bisher) nicht in Europa vorkommen. Der eine oder die andere mag nun sagen: Ein Hund gehört doch nicht ins Flugzeug! In der Regel sagen sowas Menschen, die selber keinen Hund besitzen.
Und was sagt der Fachmann? Volker Borchers betreibt in Dortmund eine Kleintierpraxis mit über 15 Mitarbeiter*innen. Er sagt: Grundsätzlich, etwa aus allgemeingesundheitlichen Gründen, spricht gar nichts gegen die Mitnahme von Hunden im Flugzeug, aber natürlich gibt es Ausnahmen (siehe Kasten oben).
Gelebte Polyamorie Weil aber nun mein Walterchen so ungerne fliegt und ich ebenso ungerne des Winters in Deutschland verweile, urlaube ich ohne ihn. An meinem Zielort wird mein polyamores Alter Ego als House- und Petsitter Weihnachten mit einem anderen Hund feiern, während Walter mitsamt unserer Wohnung von einem house- und petsittenden Pärchen aus Argentinien behütet und umsorgt wird. Hundetausch – vielleicht ergibt sich daraus mal ein Reality-Format auf RTL2.
Unterm Strich bleibe ich aber dabei: Urlaub mit Hund ist eine tolle Sache. Es muss ja nicht immer der eigene sein.
In der Schule schämte er sich für den Klebereis in seiner Lunchbox – heute ist er stolz auf seine Herkunft und vereint all seine Facetten in seinen Fotoarbeiten: Daniel Chek-Su Housley (MANNSCHAFT berichtete).
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