Neue Stadtführung: Zu Fuss die queere Geschichte Berns erleben

Der Verein StattLand ruft das Lesbenzentrum, den Ursus Club, das Anderland und das legendäre Männerabteil im Marzili wieder in Erinnerung

«Queer durch Bern» führt an historischen Schauplätzen der LGBTIQ-Community vorbei. (Bild: Michael Arn)
«Queer durch Bern» führt an historischen Schauplätzen der LGBTIQ-Community vorbei. (Bild: Michael Arn)

Die neue Stadtführung «Queer durch Bern» lässt historische Orte der Berner LGBTIQ-Community mit Schauspiel wieder aufleben. Nach der Premiere am 24. November folgt ein weiterer Rundgang am 7. Dezember.

Welche Auswirkungen hatte die Telearena 1978 auf die lesbische Community? Wo trafen sich schwule Männer, um sich in der Sommersonne zu bräunen? Der neue Rundgang «Queer durch Bern» besucht wichtige Schauplätze der Berner LGBTIQ-Community. Den historischen Kontext dazu liefern ein Schauspieler und eine Schauspielerin, wie es bei den Stadtführungen des Vereins StattLand üblich ist.

Die Vorpremiere am 23. November war kalt und nass. Das Wetter vermochte die geladenen Gäste – die Tourismusorganisation «Bern Welcome», die Berner Fachstelle für Gleichstellung sowie diverse Berner Medien – jedoch nicht fernhalten. Sie alle waren bereit, im Rahmen der 80-minütigen Stadtführung mehr über die queere Vergangenheit der Bundesstadt zu erfahren.

Der Rundgang von «Queer durch Bern» beginnt am Läuferplatz im Jahr 1979, ein Jahr nach Ausstrahlung der «Telearena» zum Thema Homosexualität im Schweizer Fernsehen. Zur Hauptsendezeit führte die Sendung damals der Bevölkerung vor Augen, dass Schwule und Lesben inmitten der Gesellschaft leben, meist im Verborgenen (MANNSCHAFT berichtete). Die Teilnehmenden der Stadtführung lauschen dem Gespräch einer jungen Frau, die sich im Lesbenzentrum in eine Frau verguckt und sich bei ihren Eltern outet. «Sie haben es nicht so gut aufgenommen», sagt Schauspielerin Rena Hauser.

Der Rundgang führt durch das Mattequartier – gegen den Strom der Aare entlang, wohlgemerkt. Das Publikum lernt die «Politschwestern» vom Anderland kennen, die sich für Schwulenrechte einsetzen und auf die «Kommerzschwestern» herabschauen, die im anfangs noch geheimen Ursus Club durch die Nacht feiern. Die Partys waren wild und verrucht, zum Teil soll es auch unangenehm gerochen haben, befand sich die Tanzfläche doch unterhalb der Kanalisation der Junkerngasse.

«Queer durch Bern» ist nicht nur ein Rundgang durch die Berner Matte, sondern auch durch die Zeit. Die Aidskrise, der Kampf für rechtliche Gleichstellung sowie die Entstehung der Trans-Bewegung in den späten Nullerjahren ist dabei ebenso Thema wie der historische Parlamentsentscheid 2020 im Bundeshaus für die Ehe für alle. Die beiden Schauspieler*innen übernehmen jeweils die Erzähleng und wechseln in ihrer Darbietung ihr Geschlecht so häufig wie das Kostüm.

Im Freibad Marzili endet der Rundgang. 2019 hob die Stadt Bern im Rahmen einer Gesamtsanierung das Männerabteil auf, das aus Holzpritschen und dem sogenannten Bueberseeli bestand. In der Community wurde das Männerabteil als «Zwetschgengrill» bezeichnet, Frauen und Kinder hatten keinen Zugang. Für viele schwule Männer fiel nach der Aufhebung ein wichtiger Treffpunkt weg.

Die Heterosexuellen haben alle Orte schon für sich, was bleibt uns?

«Die Heterosexuellen haben alle Orte schon für sich, was bleibt uns?», fragt Schauspieler Patrick Bapst Félix in die Runde. «Wer wird sich an den Zwetschgengrill erinnern, wenn die Alten weg sind?»

2019 verschwand aus dem Freibad Marzili das Männerabteil und somit ein wichtiger Treffpunkt für schwule Männer. (Bild: Michael Arn)
2019 verschwand aus dem Freibad Marzili das Männerabteil und somit ein wichtiger Treffpunkt für schwule Männer. (Bild: Michael Arn)

Die Premiere von «Queer durch Bern» war für Kurt Hofmann ein emotionaler Moment. 1972 zog er vom Land in die Stadt Bern und erlebte als Zeitzeuge die Entwicklung der schwul-lesbischen Szene – heute ist er Vorstandsmitglied von HAB queer Bern. Er war derjenige, der das Projekt beim Verein StattLand anstiess zum 50-jährigen Bestehen von HAB queer Bern. Als Grundlage für die historischen Inhalte diente unter anderem auch die Jubiläumschronik des Vereins, die dieses Jahr erschien (MANNSCHAFT berichtete). «Solche queeren Stadtführungen kenne ich von Städten wie München oder Hamburg. Ich fand, so etwas gehört auch nach Bern», sagt Kurt Hofmann gegenüber Bern. «Wir haben viel zu erzählen!»

Die Premiere von «Queer durch Bern» findet am 24. November statt, am 7. Dezember ist eine weitere Durchführung geplant. Weitere Daten sind für 2023 vorgesehen. Die Führung kann auch privat gebucht werden.

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