Nach 14 Jahren Schweigen: Billy Porter outet sich als HIV-positiv
Zum Start der letzten Staffel von «Pose» spricht der US-Star erstmals über die Scham und Schande, die er fühlte, nachdem er 2007 seine HIV-Diagnose bekam
Nachdem jüngst die letzte Staffel von «Pose» in den USA beim Kabelsender FX startete, hat Billy Porter als einer der Stars dieser Serie über Aids und die Ballroom-Szene in den 1980er-Jahre sich öffentlich als HIV-positiv geoutet. Er sagt: «‹Pose› ist zu Ende. Aber das ist die Wiedergeburt von Billy.»
Der 51-jährige Schauspieler gab The Hollywood Reporter (THR) ein Interview, in dem er erstmals darüber spricht, dass er sich 2007 im «schlimmsten Jahr» seines Lebens mit HIV infizierte, nachdem er erst eine Diabetes-Diagnose bekommen hatte und danach Zahlungsunfähigkeit anmelden musste. Kurz darauf wurde er positiv getestet und fühlte vor allem eins: «Shame», was man hier sowohl als Scham, als auch als Schande übersetzen kann.
Die «Schande» gehe, so Porter, vor allem auf seine ultra-religiöse Erziehung in der afro-amerikanischen Community zurück. Wo Aids als Gottes Strafe für sündiges homosexuelles Verhalten gesehen wurde – und vielfach immer noch wird. (MANNSCHAFT sprach mit Porter über seinen Erfolg und seine extravagante Kleiderwahl, für die er von vielen geliebt, aber auch von vielen als «Schwuchtel» abgelehnt wird.)
Deshalb wollte Porter die Nachricht auch vor seiner streng religiösen Mutter verbergen. Sein Plan war zu warten, bis sie tot wäre, bevor er öffentlich über seinen HIV-Status sprechen würde.
Traumatherapie während der Corona-Isolation Doch dann kamen Corona, der Lockdown, die Covid-19-Isolation und eine Traumatherapie, die er 2020 scheinbar machte. Unterstützung bekam er dabei von seinem Ehemann Adam Smith, den er 2017 geheiratet hatte. Porter sagte: «Jetzt geht’s nicht mehr nur im mich, ich will eine Familie. Ich will erwachsen werden und den nächsten Schritt im Leben machen.»
Ich will eine Familie. Ich will erwachsen werden und den nächsten Schritt im Leben machen
Am letzten Drehtag von «Pose», einem Freitag, entschied er sich, diesen nächsten Schritt zu wagen. Er rief seine Mutter an, weil sie als Erste nach 14 Jahren Schweigen von seinem HIV-Status erfahren sollte. Sie reagierte verständnisvoll und tröstend mit den Worten «Ich bin deine Mutter, ich liebe dich, egal was passiert». Anschliessend stellte sich Porter vor die versammelte «Pose»-Mannschaft und teilte seine Neuigkeiten am Set.
Er sehe sich als «Botschafter» und «Repräsentant einer ganzen Generation» von Menschen, die in den 1980er-Jahren mit HIV gekämpft haben und an Aids gestorben sind. Ihr «Erbe» wolle er fortsetzen und der Welt zeigen: «So sieht HIV aus!»
Indem er seine Geschichte jetzt öffentlich mache und auch über die Scham/Schande spreche, die HIV noch vielfach umhülle, wolle er anderen Hoffnung geben, so Porter. Und sich selbst neu erfinden. Denn: Er freue sich auf eine freudvolle Zukunft («I’m looking forward to joy»). Eine Zukunft, in der auch Sex ohne Schuld- bzw. Schamgefühle möglich sein wird: «Die Wahrheit ist Heilung.» (MANNSCHAFT berichtete über die verschiedenen Möglichkeiten des Lebens mit HIV.)
Lebensweisheiten mit maximaler Reichweite Man muss sicher nicht zynisch sein, um das melodramatisch inszenierte THR-Filminterview mit den teils pathetisch vorgetragenen Lebensweisheiten als perfekt inszenierte PR-Aktion zu sehen, sowohl für den Start der letzten «Pose»-Staffel, als auch für Porter selbst. Was die Bedeutung dieses Coming-out nicht schmälert. Im Gegenteil, die Inszenierung und die Wahl des richtigen Moments erhöht die Reichweite der Botschaft maximal.
Was Porter nicht erwähnt im THR-Gespräch ist, wie und warum er sich 2007 im schlimmsten Jahr seines Lebens mit HIV infizierte. Was durchaus wichtig wäre, wenn man seine Geschichte als irgendeine Form von «Rollenvorbild» sehen will. Hat seine damalige Verzweiflung wegen seiner Lebenssituation und stagnierenden Broadway-Karriere ihn zu sexuellem Verhalten getrieben, bei dem er sich ansteckte? Hat das etwas mit der darauffolgenden Scham zu tun, die ihn abhielt, darüber zu sprechen? Welche Lehren zieht er daraus und würde er anderen weitergeben wollen? Darüber schweigt Porter und betont stattdessen das Narrativ der Ausgrenzung von schwulen schwarzen Männern in der religiösen afro-amerikanischen Community, wo die Reaktion auf eine HIV-Diagnose oftmals sei: «Das war ja nicht anders zu erwarten», so Porter.
Auf Netflix muss man noch ein bisschen warten, bis die dritte Staffel von «Pose» mit Billy Porter als Pray Tell zu sehen ist. Laut Inforationen der BILD-Zeitung soll sie aber mit einem halben Jahr Verzögerung noch 2021 beim Streaming-Dienst ins Angebot genommen werden, wo Staffel 1 und 2 jetzt schon verfügbar sind als wichtiger Teil des LGBTIQ-Sortiments.
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