Musik gegen Rassismus und Ausgrenzung: Neneh Cherry wird 60
Für ihr Album «Versions» nahm trans Frau Anohni den Hit «Woman» neu auf
In den 80er- und 90er-Jahren stürmte Neneh Cherry mit selbstbewusstem Rap und eindringlichen Balladen die Charts. Nun wird die schwedische Musikerin 60. Das Alter bringt für sie eine «grosse Freiheit».
Text: Miriam Arndts, dpa
«Wenn ein Kind in diese Welt geboren wird, hat es kein Konzept von seinem Hautton», singt Neneh Cherry in dem Song «7 Seconds» aus dem Jahr 1994. Das Duett mit dem senegalesischen Musiker Youssou N’Dour, das Weltmusik und Triphop miteinander vereint, war auch im deutschsprachigen Raum ein grosser Hit. Dass die Hautfarbe später im Leben durchaus eine Rolle spielen kann, hat Cherry am eigenen Leib erfahren. Rassismus, Sexismus und die Ausgrenzung von Minderheiten sind Themen, die sich wie rote Fäden durch ihre Songtexte ziehen. Am Sonntag (10. März) wird die Sängerin 60 – und sie hat noch immer viel auf dem Herzen.
Neneh Cherry wurde 1964 in Stockholm geboren, als Tochter einer schwedischen Künstlerin und eines Musikers aus Sierra Leone. Ihre Mutter Moki heiratete wenige Jahre später den afroamerikanischen Jazzmusiker Don Cherry. Aus dieser Ehe stammt Cherrys Halbbruder, der Musiker Eagle-Eye Cherry (55, «Save Tonight»). Die Familie war immer viel unterwegs und in den 1970er-Jahren zog sie in die USA. Wie Cherry in einem Interview mit der britischen Zeitung The Guardian erzählte, war die Situation für Paare unterschiedlicher ethnischer Herkunft dort jedoch so unangenehm, dass die Familie zurück nach Schweden zog.
Es sind solche Erlebnisse, die Cherry immer angetrieben und inspiriert haben. In dem Dokumentarfilm «Neneh» aus dem Jahr 2022 sagt die Musikerin: «Es kann ganz gut sein, diese sogenannten Beschränkungen zu spüren. Mich haben diese Dinge provoziert und ich wollte sie durchbrechen.»
Hochschwanger zu Gast bei «Top of the Pops» In ihrem ersten grossen Hit, «Buffalo Stance» aus dem Jahr 1988, in dem Cherry Dancepop mit Hiphop vermischt, geht es um eine selbstbewusste junge Frau – vielleicht Cherry selbst –, die sich im Grossstadtleben durchsetzt und sich von Männern nichts sagen lässt. Kurz bevor sie den Song in der britischen Fernsehsendung «Top of the Pops» performen sollte, fragte ein Reporter die zu dem Zeitpunkt hochschwangere Sängerin, ob es für sie denn sicher sei, in ihrem Zustand aufzutreten. Cherry antwortete: «Na klar, das ist doch keine Krankheit!» Ihr energiegeladener Auftritt mit kugelrundem Bauch ist vielen in Erinnerung geblieben.
Dass Cherry in der Musik ein Vehikel gefunden hat, um ihre Gefühle auszudrücken und Frustrationen loszuwerden, ist nicht verwunderlich. Musik war in ihrem Zuhause immer präsent, sagt sie im Dokumentarfilm «Neneh». Ob in dem umgebauten Schulgebäude auf dem schwedischen Land oder auf Welttournee mit ihrem Stiefvater. «Entweder haben wir Platten aufgelegt oder irgendjemand hat Musik gespielt», erzählt sie.
Die Kreativität setzt sich auch in Cherrys eigener Familie fort. Sie hat drei Töchter, alle sind Künstlerinnen. Die jüngste Tochter von Cherry und ihrem Mann, dem Musikproduzenten Cameron McVey, ist die erfolgreiche R&B-Sängerin Mabel (28, «Don’t Call Me Up»). Die ältere Tochter des Paares, Tyson McVey (34), ist auf Cherrys jüngstem Album, «The Versions», zu hören. Darauf interpretieren andere Künstlerinnen – unter anderem Robyn und Sia – Cherrys Lieder neu. Trans Frau Anohni nahm ihren Hit «Woman» neu auf. Es wirkt ein wenig so, als habe Cherry mit diesem Album die Bühne frei gemacht für die nächste Generation.
«Ich fühle eine grosse Freiheit» Über das Älterwerden sagte die heute zwischen London und Stockholm pendelnde Sängerin dem Guardian: «Ich bin an einem sehr interessanten Punkt in meinem Leben angekommen. Ich fühle mich so unfertig und als hätte ich noch so viel zu sagen.» Eine Zeit lang, vor allem während sie mitten in den Wechseljahren steckte, sei sie sich der Altersdiskriminierung sehr bewusst gewesen, sagte Cherry und fügte hinzu: «Jetzt bin ich auf der anderen Seite angelangt und ich fühle eine grosse Freiheit.»
Es geht nicht darum, mit dem mitzuhalten, was ultracool ist.
Neben der Musik war Mode immer eine grosse Leidenschaft von Cherry. Ihre Kleidung war immer eher auffällig und hat sich im Laufe der Jahre vom Streetstyle zur Edel-Mode gewandelt. Cherry hat mit verschiedenen Modedesignern zusammengearbeitet und lief auch mal für Luxusmarken über den Laufsteg. Aber auch in Bezug auf Mode hat sich Cherrys Einstellung mit dem Alter etwas verändert. Dem Guardian sagte sie: «Es geht nicht darum, mit dem mitzuhalten, was ultracool ist.» Man könne auch cool sein, ohne an Trends gefesselt zu sein, meinte sie. Dazu passt gut, dass Cherry in diesem Frühjahr eines der Gesichter der recht zeitlosen Burberry-Kollektion ist.
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