Massnahmen für Nicht-Binäre: Die Schweiz bleibt bei Mann/Frau

Binäres Geschlechtsmodell
Zu teuer, zu komplex: Der Bundesrat spricht sich gegen eine Anerkennung eines dritten Geschlechts aus. (Bild: Marc Stress, Unsplash)

Der Bundesrat bekennt sich zum binären Geschlechtsmodell der Schweiz. Er schlägt dennoch Massnahmen vor, um den Alltag für nicht-binäre Menschen zu erleichtern.

Anders als Deutschland und Österreich wird es in der Schweiz in absehbarer Zeit keine gesetzliche Anerkennung eines dritten Geschlechts geben. Dazu sei die binäre Geschlechterordnung in der Schweiz zu stark verankert, schreibt der Bundesrat in einem 60-seitigen Bericht zur «Verbesserung der Situation von nicht-binären Personen». Das Konzept von Mann und Frau zieht sich wie ein roter Faden durch alle Gesetze, vom Personenstandsgesetz über das Bundesgesetz über die Krankenversicherung bis hin zu internationalen Passstandards und das Gleichstellungsgesetz. Darauf bauen viele IT-Systeme – Anpassungen wären komplex und teuer. Hinzu komme, dass eine Anerkennung auch international fehle, etwa bei Flugreisen in die USA (MANNSCHAFT berichtete).

Nicht-binäre Menschen stossen im Alltag auf viele Hindernisse. Formulare kennen oft nur die Kategorien «männlich» oder «weiblich», Toiletten und Garderoben sind getrennt, offizielle Ausweise erlauben nur zwei Geschlechter. Dies kann zu belastenden Situationen führen, erkennt der Bundesrat an. Historisch wurden Betroffene häufig gezwungen, sich einem der beiden Geschlechter anzupassen. Der Bericht stellt fest: Viele nicht-binäre Personen leiden unter psychischen Belastungen. «Depressive Symptome und Suizidgedanken kommen in dieser Gruppe deutlich häufiger vor als in der Gesamtbevölkerung», schreibt der Bundesrat.

Wie viele Menschen in der Schweiz betroffen sind, ist nicht genau bekannt. Schätzungen gehen jedoch von 103'000 bis 154'000 Personen aus. Dazu gehören bekannte Persönlichkeiten wie das Gesangstalent Nemo, das Model Tamy Glauser oder die Literaturpreisträger*in Laura Leupi – Menschen, die sich nicht in klassische Geschlechterrollen einfügen wollen. Spätestens nach Nemos Sieg beim Eurovision Song Contest wurde Bundesbern bewusst, dass sich die Politik mit der Situation nicht-binärer Menschen befassen sollte. Das Parlament gab dem Bundesrat den Auftrag, Lösungen zu prüfen, ohne das binäre Geschlechtsmodell aufzugeben.

Der Bundesrat schlägt gemäss Bericht verschiedene Massnahmen vor:

  • Hassrede und Diskriminierung: Es sollen strengere Regeln gegen Hassrede im Internet eingeführt und die Antirassismusstrafnorm auf Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität ausgeweitet werden. «Wer eine trans Frau als Mann bezeichnet, könnte sich strafbar machen», schreibt der Bericht.
  • Administrative Erleichterungen: Eine reine Vornamensänderung ohne Änderung des Geschlechtseintrags könnte einfacher werden. Derzeit ist dies für nicht-binäre Personen teurer als für trans Personen, die gleichzeitig ihr Geschlecht ändern.
  • Medizinische Leistungen: Der Bericht fordert eine Leistungspflicht der Krankenkassen für Personen mit Geschlechtsinkongruenz. Strittig bleibt, welche Eingriffe medizinisch notwendig sind, etwa ästhetische Behandlungen wie Gesichtsfeminisierung.
  • Verbot von Konversionstherapien: Besonders für Minderjährige soll ein Verbot gelten. In einigen Kantonen wurde ein solches Verbot bereits beschlossen, zuletzt etwa im Kanton Zürich (MANNSCHAFT berichtete).

Bei Ausweisen prüft der Bundesrat, wie mehr Flexibilität möglich wäre. Ein dritter Geschlechtseintrag wie «X» wäre technisch möglich, könnte aber bei der Einreise in gewisse Länder Probleme verursachen.

Die grundlegende Zweiteilung des Geschlechts soll bestehen bleiben, so der Bundesrat abschliessend. Gleichzeitig will er den Alltag für nicht-binäre Personen erleichtern. Einige Kantone wie Basel-Stadt oder Genf zeigen, dass erweiterte Gleichstellungsgesetze möglich sind. Immer mehr Unternehmen, Hochschulen und Gemeinden prüfen geschlechtsneutrale Toiletten und schulen ihr Personal im Umgang mit verschiedenen Identitäten. Der Bundesrat will diese Entwicklungen beobachten und dort Verbesserungen prüfen, wo sie praktikabel und rechtlich umsetzbar sind.

Mehr: Nemo: «Ich schicke meine ESC-Trophäe zurück» (MANNSCHAFT berichtete)

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