«Ich weiss, wie es ist, wenn man sich in einen Schwulen verliebt»
Die Schlagersängerin Marianne Rosenberg über lesbische Fans, Rio Reiser und ihr Gaydar
Da muss man erst 20 Alben herausbringen, um mal auf Platz 1 der Deutschen Albumcharts zu stehen: Marianne Rosenberg hat es im Frühjahr mit «Im Namen der Liebe» geschafft. Wir trafen die deutsche Homo-Ikone an ihrem 65. Geburtstag im März.
Frau Rosenberg, sagt Ihnen das Wort Gaydar etwas? Nee. Also Gay natürlich, aber Gaydar . . . ?
Das ist ein Begriff dafür, dass man bei einem anderen Mann oder einer Frau spürt, dass er oder sie womöglich homosexuell ist. Würden Sie sagen, Sie hätten so etwas im Laufe der Jahre entwickelt? Nee.
Sie haben sich damals in Rio Reiser verliebt . . . Ja eben!
. . . nicht wissend, dass er schwul ist. Und sie haben so ein Radar bis heute nicht? Nein, und ich glaube auch nicht, dass es da stringente Merkmale gibt. Das wäre ja so, wie wenn man sagt, alle Frauen finden nur ein Parfüm gut. Ich finde, es ist eine Anmassung. Ottonormalverbraucher sagt da vielleicht, es sind weibliche Anteile an einem Mann, das würde man sofort sehen – und das ist völliger Unsinn!
«In dieser Nacht habe ich mich komplett betrunken und musste von Freunden nach Hause gebracht werden.»
Sie haben mal erzählt, dass Sie bei Rio damals die einzige im Musikgeschäft waren, die nicht wusste, dass er schwul ist. Alle anderen wussten es!
Und wie es ist rausgekommen? Das war im Berliner Club «Dschungel» – in den 80ern, an die man sich angeblich nicht erinnert, wenn man sie erlebt hat. Ich stehe da mit Annette Humpe, und Rio kommt ein, ich bin mit ihm verabredet. Er kommt die Treppe hoch zur Galerie, von der man runtersehen kann, wer da jetzt gerade rein kommt. Sehr bizarre Persönlichkeiten waren da zu Gast, David Bowie hat da auch verkehrt. Rio kommt also die Trepp nach oben und holt sich einen Drink. Ich freue mich schon auf diese blauen Augen und diese tolle Stimme. Da nimmt mich Annette in den Arm und sagt: Ach Marianne, immer die besten Männer sind schwul!
In dieser Nacht habe ich mich komplett betrunken und musste von Freunden nach Hause gebracht werden, weil ich wirklich nicht mehr durchgeblickt habe. Das war ‘ne harte Nummer. Nun bin ich keine Frau, die dann sagt: Der hat nur noch nicht die richtige Frau getroffen. Sowas geht nicht. Da muss man Respekt haben und Abstand halten. Jeder Mensch weiss doch selber am besten, welche Sorte Mensch er liebt und bevorzugt und welche ihn fasziniert.
War er der erste schwule Mann, in den Sie sich verliebt haben? Ja, der erste und einzige. (lacht)
Danach ist es Ihnen nicht mehr passiert? Nein!
Also haben Sie vielleicht doch eine Art Gaydar? Nee, ich hatte einfach Glück.
Wenn man sich das Video zu Ihrem Song «Wann (Mr 100 %)» anschaut, dann gibt es diese Szene mit dem Mann, dem Sie im Hotel begegnen, der Ihnen ganz gut gefällt. Aber dann stellt sich heraus: Er ist schwul und heiratet am Ende des Videos einen Mann. Das kann man besonders gut spielen, wenn man eine solche Szene schonmal erlebt hat. Jetzt kam aber hinzu, dass einer meiner besten Freunde Andreas gerade seinen Geliebten geheiratet hat, und ich war Trauzeugin. Das war so rührend und toll und gepaart mit der Geschichte, dass ich wusste, wie es ist, wenn man sich in einen schwulen Mann verliebt, war das einfach wunderbar mit «Mr 100 %». Das hat totalen Spass gemacht, und das sieht man ja auch im Video.
Es heisst immer: Marianne Rosenberg, die Schwulenikone – nicht zuletzt wegen des Songs «Er gehört zu mir». Bei Ihrer Geburtstagsfeier, bei der auch ein paar Fans dabei waren, hat sich eine junge Frau als lesbisch vorgestellt und sich bei Ihnen bedankt, für Ihren Einsatz für Homosexuelle. Sie haben also auch eine grosse lesbische Fangemeinde? Ja, natürlich. «Ich bin wie du» war der andere grosse Superhit, der in den Beneluxländern an die Spitze der Charts schoss. Es war die Hymne der Homosexuellen dort. Damals war ich eingeladen zu einer lesbischen Hochzeit am Strand. Ich bin dann mit einem Fernsehteam zu ihnen gefahren, und wir haben die beiden überrascht.
Ihren Ruf als Homo-Ikone verdanken Sie ja nicht allein der Musik. Sie waren mit Rio befreundet und sind es auch mit dem schwulen Aktivisten Gerhard Hofmann, dem Chef des Berliner Strassenfestes, und Sie engagieren sich beim Kampf gegen HIV und AIDS. Aber nicht erst seit heute. Das war schon in den 80ern so.
Können Sie sagen, warum Ihnen das am Herzen lag? Weil es mir politisch wichtig ist: Toleranz, Akzeptanz und Respekt. Ich bin gegen Ausgrenzung, gegen Diskriminierung – dafür bin ich immer eingetreten.
Wir feiern dieses Jahr nicht nur Ihren 65. Geburtstag, sondern auch Ihr 50. Bühnenjubiläum. Macht Sie das stolz oder bereitet es Ihnen auch ein bisschen Angst? Es macht mich nur für andere alt. Aber ich bin jetzt 65 Jahre da, und für mich ist es vollkommen in Ordnung. Ich bin fein an dem Platz, wo ich bin. Ich habe alles gehabt. Ich war jung, ich war schön, ich hatte Erfolg. Ich muss nichts bereuen. Ich weiss nicht, warum die Zahlen immer so überbewertet werden oder Menschen sich herabstufen, wenn sie älter werden. Dafür mache ich dann solche Songs wie «Hallo mein Freund» – und mal festzustellen: Hey du bist zwar älter, siehst aber immer noch ganz cool aus.
Es gibt im Berliner SchwuZ, das Sie vielleicht kennen . . . Ja, klar, wir haben da mit Eloy gedreht, das Video zu «Liebe kann so wehtun».
Nun gibt es da eine Party, etwa alle zwei Monate, die sich Schlagernacktparty nennt. Da kommen 400, 500 Männer, einige wenige Frauen, die sich ausziehen, nackt bis auf die Schuhe und zu deutschem Schlager feiern. Auch zur Musik von Marianne Rosenberg. Mir ist es egal, was die Leute dabei anhaben. Auch wenn sie nichts anhaben.
Fänden Sie es vorstellbar, in dem Rahmen aufzutreten? Wenn die alle nackt sind und ich nicht . . . ? Nee, das ist ungleich.
Sie müssten ja nichts anziehen. Stimmt auch wieder.
Ich dachte nur, weil Sie mal sagten, sie hätten früher Lampenfieber gehabt, und es soll ja helfen, sich sein Publikum nackt vorzustellen. Das müssten Sie in dem Fall nicht mehr. Das ist Unsinn. Als ich ein Kind war, hat man mir gesagt, stellt dir vor, da draussen sitzen lauter Kohlköpfe. Das funktioniert überhaupt gar nicht! Lampenfieber ist ja sowas wie Panik vor der eigenen Courage. Auf der anderen Seite schüttet es Adrenalin aus. Und wozu brauchen wir das?
Zum Glücklichsein! Aha!
Und was man noch zum Glücklichsein braucht, ist Sekt. Lassen Sie uns anstossen: Alles Gute zum 65. Geburtstag! Danke schön!
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