ARTE Deutschland bekommt erste LGBTIQ-Interessenvertretung

Luca Renner im Interview

Luca Renner (Foto: LSVD)
Luca Renner (Foto: LSVD)

Der Fernsehrat des ZDF bildet die Vielfalt der Gesellschaft ab – sagt das ZDF. Da wurde es höchste Zeit, dass dem Gremium auch ein queeres Mitglied angehört. Seit 2016 gehört ihm Jenny Renner an. Nun wurde die LSVD-Vertreterin aus Thüringen auch in den Beirat von ARTE Deutschland entsandt, wie sie am Freitag bei Facebook mitteilte. Wir sprachen mit ihr Ende 2017 über ihre Aufgaben im Fernsehrat.

Jenny, der Fernsehrat ist Ansprechpartner für die Zuschauer. Beschweren die sich, wie es die frühere AfD-Chefin Frauke Petry mal getan hat, darüber, dass es angeblich keine Filme mehr gibt, in dem kein schwules oder lesbisches Paar vorkommt? Wir bekommen ja sämtliche Zuschauerpost zur Verfügung gestellt, und da habe ich das sehr vereinzelt festgestellt. Bei den Hunderten Briefen, die es gibt, wird das sehr wenig thematisiert. Von daher fänd ich es gut, wenn es andersrum mal die Beschwerde gäbe, dass es gerade im Bereich Unterhaltung nicht genug Sichtbarkeit gibt. Da passiert sehr wenig beim ZDF – die ARD gibt sich ein bisschen mehr Mühe. Menschen, die nicht heterosexuell sind, kommen da eher selten vor.

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🌈Juhuu, ich würde eben vom ZDF-Fernsehrat in den Beirat von ARTE Deutschland entsandt. Damit gibt es dort demnächst auch… Gepostet von Jenny Renner am Freitag, 29. Juni 2018

Und bei denen, die schwul oder lesbisch sind: Wie klischeefrei findet das statt? Das kommt darauf an. Nicht alle Filme oder Serien oder Dokus, die das ZDF sendet, sind Eigenproduktionen. Der Fernsehrat legt ja auch nicht das Programm fest. Wir schauen auf das, was ist und geben Anregungen für die Zukunft. Aber einen Eingriff in künstlerische oder journalistische Freiheit gibt es nicht, und das finde ich auch sehr richtig, denn wir brauchen eine unabhängige Presse.

Ein Aufreger-Thema ist jedes Jahr der CSD, wenn in den Medien – nicht nur im ZDF – von einer „schrillen Parade“ gesprochen wird und man vor allem Bilder von halbnackten Männern in Federboa zeigt. Ich habe das bei der Chefredaktion angesprochen, die dafür zuständig ist, und dargestellt, wie man es möglicherweise besser machen kann. Und war dieses Jahr wirklich begeistert. Es wurde deutlich gemacht, um welche Forderungen es beim CSD geht, es wurde nicht mehr von „Schwulenparade“ gesprochen wie in vielen Medien in den letzten Jahren, sondern vom Christopher Street Day. Man hat das Akronym LSBTTIQ aufgeschlüsselt und gesagt, was dahinter steht und dass für die Akzeptanz dieser Menschen gestritten wird. Und das finde ich schon einen Riesenschritt, muss ich sagen. Mal zu schauen: Was für eine Sprache wird gewählt, welche Bilder werden gezeigt. Klar waren da auch die Schrillen zu sehen, aber eben auch Menschen, denen man nicht auf den ersten Blick ansieht, dass sie nicht heteronormativ leben. Und ich glaube, dass macht auch Sinn, die Vielfalt der Community darstellen und die volle Breite sichtbar zu machen.

Es geht um unsere Gesellschaft als Ganzes

Wie gut verstehst Du Dich mit den Vertretern der katholischen Kirche? Die sind ja immerhin mit zwei Personen im Fernsehrat vertreten. Ich hatte ein längeres Gespräch mit dem männlichen Vertreter der katholischen Kirche, mit Hans Langendörfer von der Deutschen Bischofskonferenz über unser Ansinnen und meine Vorstellung, wie wir dargestellt werden möchten im Fernsehen. Wir haben über grundsätzliche Dinge geredet, die uns bewegen, und ich habe eine klare Kritik an der katholischen Kirche geübt, was ihre Einstellung zu LGBTI-Rechten angeht. Das Gespräch ist zustande gekommen, weil er auf mich zugekommen ist und das fand ich sehr positiv und echt toll. Wir haben uns sehr lange unterhalten und sind übereingekommen, dass es doch viele gemeinsame Anliegen gibt, die gesamtgesellschaftlichen zu betrachten sind, da geht es nicht nur um LGBTIQ und die Interessen der katholischen Kirche. Und in solchen Gremien ist es immer wichtig, dass man sich Verbündete sucht und über den eigenen Tellerrand hinausschaut. Schließlich geht es um unsere Gesellschaft als Ganzes.

Immerhin, queere Filmreihen gab es bei ARTE Deutschland schon: 2011 lief dort die Erstaustrahlung „Christopher und Heinz“ (Foto: Promo)
Immerhin, queere Filmreihen gab es bei ARTE Deutschland schon: 2011 lief dort die Erstaustrahlung „Christopher und Heinz“ (Foto: Promo)

Hast Du konkret etwas verändern können? Was nicht allein auf meine Initiative zurückgeht, aber gleichstellungsrechtlich wichtig ist: Phoenix [der öffentlich-rechtliche Fernsehsender wird in Kooperation von ARD und ZDF betrieben wird, Anm. d. Red.] hat intern eine Arbeitsgruppe eingerichtet dazu, wie man es schafft, dass auch mehr Frauen in den Gesprächsrunden teilnehmen oder als Expertinnen befragt werden bei der Berichterstattung. Wenn man sich ansieht, wie es früher bei Phoenix aussah, ist das schon ein großer Fortschritt und in Teilen ist nun auch sichtbar, dass Frauen dort sitzen. Eine zweite Sache, die sich deutlich fast ohne mein Zutun verändert hat, betrifft den Bereich Nachrichten. Beim ZDF wird gerade bei den Sozialen Medien sichtbar, dass man sich sehr wohl mit dem Thema LGBTIQ befasst und zwar nicht nur zu Anlässen wie Eheöffnung. Es gab z.B. einen Beitrag über die Inhaftierung von Aktivist_innen in Ägypten, den „ZDF heute“ in den Sozialen Netzwerken geteilt hat.

Was ist denn Eure schärfste Waffe? Meine persönliche schärfste Waffe ist die Frage. Dazu muss Stellung genommen werden. Mal ein fiktives Beispiel: Sonntagabends läuft im ZDF „Herzkino“. Ich frage mich, warum gibt es da immer nur Frauen zwischen Mitte 30 und Mitte 40 mit langen blonden Haaren, aber keine People of colour und auch keine Frauen, die nicht die Maße 90-60-90 hätten. Dann muss sich der Sender dazu äußern, warum das so ist. So regt man dann einen Denkprozess an, der möglicherweise dazu führt, diese Fragen mit im Hinterkopf zu haben, wenn es um zukünftige Programmgestaltung geht. Das ist wirklich ein interessantes Instrument, um Umdenken anzuregen und neue Perspektiven aufzumachen. Und wenn man sich vorher schon verabredet, dass mehrere Mitglieder des Gremiums diese Fragen stellen, dann gibt es auf der Seite der Programmmacher noch eher die Einsicht: Okay, wir müssen da handeln.

Was sind denn die Vorstellungen der Community, was Du bewirken solltest? Ich bekomme leider von der Community keinerlei Eingaben. Etwa: Wie möchte man dargestellt werden? Darüber muss auch mal diskutiert werden. Aber wenn sich keiner bei mir meldet, dann kann ich da nur meine eigenen Vorstellungen einbringen, aber nicht die Vorstellungen anderer, wenn ich sie nicht kenne. Man kann mir schreiben, aber es passiert höchst selten. Da würde ich mir mehr wünschen. Mit einem Mandat im Fernsehrat und der Vertretung als Community ist nur ein erster Schritt getan. Aber dies muss auch mit Inhalten gefüttert werden.

Der ZDF-Fernsehrat hat 60 Mitglieder aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen: Neben Politikern sitzt dort neben Repräsentanten von Gewerkschaften und Arbeitgebern, Naturschutz- und Wohlfahrtverbänden auch die Kirche. Seit Sommer 2016 gibt es erstmals einen Vertreter für Muslime und eine Vertreterin der LGBTTIQ-Gemeinde: Jenny Renner aus dem LSVD-Bundesverband.

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