«Hier geht’s um Liebe – die ist nicht an sexuelle Identität gebunden»

«Loving Her» startet beim ZDF

Foto: ZDF / Marcus Glahn
Foto: ZDF / Marcus Glahn

Banafshe Hourmazdi spielt die Hauptrolle in «Loving Her» (ab 1.7. in der ZDF Mediathek & am 3.7. bei ZDF Neo), der ersten deutschen Serie mit einer lesbischen Protagonistin. Wir erwischten die 30-Jährige am Telefon, nach einem langen Drehtag für einen «Tatort» in Münster.

Banafshe Hourmazdi wuchs im Ruhrgebiet auf und studierte Schauspiel in Ludwigsburg und Zürich. Nach diversen Theater- und TV-Jobs gelang ihr im vergangenen Jahr mit dem Film «Futur Drei» (MANNSCHAFT berichtete) von Faraz Shariat der Durchbruch. Für die Rolle wurde sie mit dem First Steps Award ausgezeichnet, ausserdem war sie in einer Folge der Serie «MaPa» sowie im Fernsehfilm «Matze, Kebab und Sauerkraut» zu sehen. Nun also startet «Loving Her».

Banafshe, als Zuschauer*in ist man auf «Loving Her» automatisch neugierig, weil die Serie eine der ersten queeren Produktionen dieser Art in Deutschland ist. Aber als Schauspielerin braucht es vermutlich noch ein bisschen mehr für eine Zusage, oder? Am Anfang bekam ich erst einmal nur eine Szene zu lesen – und die war einfach unglaublich gut geschrieben. Ich lese viele Drehbücher, aber die wenigsten sind so interessant und gut geschrieben wie in diesem Fall. Dieses Gefühl der ersten grossen Liebe und deren Verlust, das in der ersten Folge beschrieben wird, kam so authentisch und auf den Punkt herüber, dass ich sofort begeistert war.

Und was reizte dich konkret an Hanna, der Figur die du spielst? Zum einen fand ich es toll, dass ihre Queerness kein bisschen problematisiert wird. Dass sie lesbisch ist, ist gar nicht das Thema. Und zum anderen liebe ich an ihr, dass wirklich alles für sie eine krasse Sache ist. In alles stürzt sie sich Hals über Kopf und ist in ihren Gefühlen ziemlich ungefiltert, und eigentlich ist das doch eine sehr bewahrenswerte Eigenschaft. Zumindest wünschte ich mir, ich könnte auch ein wenig mehr so sein.

Die kreativen Schlüsselpositionen bei «Loving Her» waren fast ausschliesslich von Frauen besetzt, darunter vielen queeren. Ist das wichtig, um eine solche Geschichte zu erzählen? Ich sage nicht, dass niemand anderes eine solche Geschichte erzählen kann. Aber natürlich merkt man der Serie an, dass sie von Leuten umgesetzt wurde, die wissen, wovon sie sprechen. Und der Blick auf Sexualität zwischen Frauen wäre sicherlich bei einem männlichen Team ein anderer gewesen. Gerade in den zwei oder drei Sexszenen wurde ein Raum geschaffen, in dem wir als Spielerinnen uns geschützt gefühlt haben. Ich hatte nie die Angst, dass das irgendwie überästhetisiert oder geil gezeigt wird, sondern einfach realistisch. Mit einem richtig coolen Typen hinter der Kamera könnte man vielleicht eine ähnlich gute Erfahrung machen. Erlebt habe ich das allerdings noch nicht.

Regie geführt hat bei der Serie Leonie Krippendorff, deren Film «Kokon» vergangenes Jahr zeigte, was queeres Kino in Deutschland sein kann. Wie war die Arbeit mit ihr? Für mich als Schauspielerin war sie ein Geschenk, weil ihr nichts entgeht und sie sehr genau daran interessiert ist, was wir vor der Kamera eigentlich machen. Ausserdem hat sie eine besondere Art der Autorität, ohne dass sie jemals jemanden anschreien muss. Sie muss sich nicht auf so eine typisch maskuline Art behaupten, was ich sehr angenehm fand.

Du hast schon erwähnt, dass die Queerness der Protagonistin in «Loving Her» eine sehr selbstverständliche ist. Ist es also nicht vielleicht sogar kontraproduktiv, wenn jetzt überall von «Deutschlands erster lesbischer Serie» geschrieben wird? Weil damit die Normalität eben gerade wieder nicht betont wird? Daran würde sich natürlich etwas ändern, wenn wir mehr Serien wie diese hätten. Zumal sie ja für ein heterosexuelles Publikum genauso funktioniert, wenn es sich darauf einlässt. Denn hier geht’s um Liebe – und die ist nicht an sexuelle Identität gebunden. Davon abgesehen ist vieles natürlich die Vermarktung, die der Sender machen muss. Ausserdem will man selbstverständlich auch ein Zeichen an die Community senden. Deswegen ist es schon nachvollziehbar, warum erst einmal mit solchen Begrifflichkeiten hantiert wird, selbst wenn man davon eigentlich weg will. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das noch erleben werde. Aber irgendwann kommt sicherlich auch die Zeit, wo es wirklich vollkommen unerwähnenswert ist, wenn die Protagonistin einer Serie nicht hetero ist.

Eine kurze Frage noch zum wunderbaren Film «Futur Drei», in dem du vergangenes Jahr eine der drei Hauptrollen spieltest. Hat dessen letztlich doch unerwartete Erfolgsgeschichte neue Türen geöffnet? Das würde ich schon sagen. Und für Faraz Shariat als Regisseur, auf dessen Biografie die Geschichte basierte, natürlich noch ein bisschen mehr als für uns Schauspieler*innen. Vor allem hat «Futur Drei» gezeigt, dass auch solche Filme – queer und mit People of Color in den Hauptrollen – im Kino gesehen werden wollen. Meine Hoffnung ist also, dass das nicht nur für uns Türen öffnet, sondern auch für andere Kolleg*innen und jüngere Generationen.

Eigentlich wünschte ich mir, wir wären längst an einem anderen Punkt.

Du rechnest also schon damit, dass mehr Diversität und Gleichberechtigung in der Filmbranche aktuell nicht bloss ein kurzlebiger Trend, sondern eine echte Veränderung sind? Zumindest hoffe ich das. Wenn ich die Hoffnung nicht hätte, müsste ich eigentlich nicht weiter in dieser Branche arbeiten. Gleichzeitig bin ich aber auch skeptisch, vor allem wenn ich mit älteren nicht-weissen Kolleginnen spreche, die mir erzählen, dass wir an dem gleichen Punkt vor 20 Jahren eigentlich auch schon waren. Eigentlich wünschte ich mir, wir wären längst an einem anderen Punkt. An dem eine Action wie #ActOut (MANNSCHAFT berichtete) nicht mehr nötig wäre. Und an dem «Loving Her» im Jahr 2021 nicht die erste lesbische Serie im deutschen Fernsehen ist. Das ist schon ein bisschen absurd.

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