LGBTIQ gedenken: Neue Helden unterm Regenbogen
An vielen Städten in Deutschland, Österreich und in der Schweiz gibt es derzeit Pläne – einige sind schon sehr konkret
LGBTIQ gedenken, 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges: Derzeit entstehen gleich mehrere Denkmäler, die an die Verfolgung durch die Nazis erinnern – in Düsseldorf, Darmstadt und Wien. Welche Ansätze verfolgen die Künstler mit ihren recht unterschiedlichen Werken und wie bereiten sie sich auf etwaige Beschädigungen vor?
Seit 1994 steht das erste Mahnmal in Deutschland, das der Verfolgung von Homosexuellen im Nationalsozialismus gewidmet ist. Es ist das Jahr, als endlich der «Schwulen-Paragraf» 175 aus dem deutschen Strafrecht getilgt wurde. Der Frankfurter Engel von Rosemarie Trockel ist eine androgyne Figur, teilweise entstellt – Trockel schlug ihr nach der Fertigstellung den Kopf ab und setzte ihn etwas verschoben wieder auf, sodass eine Art Narbe sichtbar blieb; auch der Flügel ist beschädigt. Die Skulptur der aus dem Ruhrgebiet stammenden Künstlerin ist ein Mahnmal für die im Dritten Reich verfolgten und ermordeten Homosexuellen.
Ein weiteres findet sich im Berliner Tiergarten, 2008 wurde es eingeweiht: Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen des Dänen Michael Elmgreen und des Norwegers Ingar Dragset. Ihr Werk übernimmt die formale Gestaltung des Holocaust-Mahnmals auf der gegenüberliegenden Strassenseite und wird ergänzt durch ein kleines, quadratisches Fenster, hinter dem ein Film mit Kussszenen von gleichgeschlechtlichen Partner*innen läuft.
Derzeit entstehen konkret zwei weitere Gedenkorte in Deutschland, ein Denkmal ist zudem in Hamburg geplant. Dort hat die Behörde für Kultur und Medien und die Initiative «Denkmal sexuelle Vielfalt» in einem Workshop Anfang September mit rund 70 Vertreter*innen aus Organisationen der LGBTIQ-Community erste Ideen zu möglichen Standorten und Zielen des Denkmals erarbeitet. Es soll ein Ort entstehen, der gleichermassen für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt steht – und zwar zentral in der Hamburger Innenstadt.
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Skulpturen von trans Pornostars Während auch in der Schweiz eine Arbeitsgruppe an einem Konzept arbeitet, mit dem zum ersten Mal queere NS-Opfer ausdrücklich in einem offiziellen Mahnmal Erwähnung finden sollen (MANNSCHAFT+), ist man Österreich ist schon weiter: In Wien entschied Marc Quinn den Wettbewerb für sich (MANNSCHAFT berichtete). Der aus London stammende Künstler hatte nach seinem Durchbruch mit «self» – einer Skulptur seines Kopfes aus gefrorenem Blut, das er über fünf Monate aus dem eigenen Körper gewonnen hat – unter an derem Skulpturen der trans Pornodarsteller*innen Allanah Starr und Buck Angel und des trans Aktivisten Tomas Beattie gefertigt.
Nach Quinns Entwurf entsteht nun ein Kunstwerk, das aus zwei Paar gefalteten Händen besteht, Männer- und Frauenhände. Sie werden auf einen Meter vergrößert und in Aluminiumbronze gegossen. An jedem Handgelenk befindet sich eine flache, verspiegelte Seite. Geht man auf das Kunstwerk zu, sieht man den Park, die Stadt Wien und sich selbst in den Spiegeln.
Mit der Umsetzung wurde bereits begonnen, eingeweiht werden soll das Denkmal im kommenden Jahr; ein genauer Zeitpunkt lässt sich wegen etwaiger Corona-Wellen nicht vorhersagen. Durch die Reisebeschränkungen musste im Sommer bereits ein Wien-Besuch des Künstlers verschoben werden, bei dem nötige kleinere Adaptierungen besprochen werden sollten.
Das Reisen stellt Claus Richter vor keine grösseren Probleme. Der Kölner hat den Wettbewerb im 45 Kilometer entfernten Düsseldorf gewonnen, der im Auftrag des Kulturausschusses ausgelobt worden war. Richter gewann mit seinem «seltsam klassischen Denkmal», wie er es selber nennt: Vier Bronzefiguren, die auf einem Sockel stehen und ihre Fäuste heldenhaft in den Himmel strecken.
«Es gibt in Düsseldorf schon unheimlich viele Bronzedenkmäler zu vielen historischen Personen oder Gegebenheiten“, sagt Richter, der selber schwul ist, «und alles ist natürlich heteronormativ». Der Wettbewerb, zu dem man ihn eingeladen hatte, war offen, man hätte alles machen können – von einer Tonarbeit über eine Lichtinstallation bis zu einer Performance, erzählt Richter, der sonst fürs Theater arbeitet, Kulissen baut, aber auch inszeniert und Lieder schreibt. «Mir war aber relativ schnell klar, dass ich den vielen vorhandenen Denkmälern in Düsseldorf eins hinzufügen möchte, auf Augenhöhe. Eins das zeigt, es geht hier um Leute, die gekämpft haben. Eine andere Art von Heldendenkmal, das aber unverkennbar eins ist.»
Dafür bedient er sich klassischer Zeichen des Widerstandes, nicht extremer Radikalität, sondern Menschen, die auf die Straße gehen, als Teil einer Bewegung. «Ich habe viele Fotos von Stonewall nochmal angeschaut, da sieht man die Gesten ganz oft, aber auch in historischen Gemälden von 1800. Also das ist ein ganz klassisches Motiv.»
Eine Freundin wies ihn bei Facebook daraufhin, dass der Entwurf sie an die Pet Shop Boys und ihr «Go West»-Video erinnere. «Ich bin selber gar nicht drauf gekommen, aber natürlich hat es was davon, diese historische Ästhetik, ein bisschen propagandistisch – das hatte ich völlig vergessen. Als Jugendlicher war ich begeistert von dem Clip.»
Er zeigt vier Figuren, die mehr oder weniger zuordbar sind, von denen zwei das Viktoryzeichen zeigen, die anderen beiden eine Faust. «Eine Figur könnte schwul, die andere lesbisch sein, sagt er. “Die nächste nonbinär und die vierte trans. Vielleicht kann aIles auch anders sein, das möchte ich gerne offen lassen. Im Endeffekt sind wir ja auch alle irgendwo ganz normale Leute.»
Dabei wendet Richter, wie er sagt, einen Trick an. «Ich schleiche mich mit einer Art trojanischem Pferd ein mitten in die anderen Denkmäler. Erst wenn man die Tafel liest, wird man feststellen, worum es überhaupt geht. Und das hat mir gut gefallen. Ich wollte nichts Verrücktes oder Abstraktes oder Superoriginelles machen, das wäre zu sehr Klischee.»
Dazu gehört für ihn auch der Regenbogen. «Für mich wäre das zu einfach, ein Symbol zu nehmen, das sowieso schon überall vertreten ist. Jede Firma druckt sich einen Regenbogen auf die Packung, wenn sie ihr Produkt an unsere Community verkaufen will – das ist mir ein bisschen zu schwach.»
Matthias Braun dagegen, der den Wettbewerb in Darmstadt gewonnen hat, hat sich ganz bewusst für den Regenbogen entschieden (MANNSCHAFT berichtete). «Ich finde es nach wie vor gut als Symbol. Auch wenn man es schon oft gesehen hat, ist es ein guter Einstieg ins Thema. Man kann sich dann eingehender damit beschäftigen.»
Sein Regenbogen ist abgewinkelt um 90 Grad, eine Seite farbig, die andere metallen. Schöner Nebeneffekt: Wirft der in der Mitte gebrochene Regenbogen einen Schatten, so entsteht am Boden ein Herz. «So hat das Mahnmal auch einen positiven Aspekt», sagt der Künstler. «Nicht nur das Mahnen an die dunkle Geschichte.»
Der 46-jährige Braun, selber hetero, arbeitet als Architekt und Künstler. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit: Kunst im öffentlichen Raum, Kunst am Bau – für Darmstadt. In Würzburg hat er bereits einen Gedenkort für die Verfolgung von Jüd*innen gestaltet.
Braun arbeitet mit Metall, am Ende wird es Aluminium oder Stahl sein – das ist auch eine Frage der Statik. «Was man bei Kunst im öffentlichen Raum immer mitdenken, ist die Beständigkeit des Materials. Dazu kommt eine Beschichtung gegen Graffiti – die wird auch oft in der Ausschreibung der Wettbewerbe gefordert.»
In Würzburg gab es schon erste Beschädigungen, erzählt Braun. Aber die hätten sich zum Glück in Grenzen gehalten. «Es ist wichtig, den Schaden immer direkt zu beheben, damit die Leute nicht denken, man lässt es verwahrlosen.»
Das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen ist unendlich oft beschädigt worden – mal wurde es mit Farbe besprüht, mal die Sichtscheibe zerkratzt, hinter der der Film läuft (MANNSCHAFT berichtete). Braun ist sich bewusst, dass so etwas auch seinem Denkmal widerfahren kann. Aber das ist Teil seines Geschäfts. «Kapitulieren ist nicht die passende Antwort. Kunst im öffentlichen Raum ist wie ein 24-Stunden-Museum, es hat immer offen.» Darum versuche er auch immer, es niedrigschwellig zu halten, für den erleichterten Einstieg. Ins Museum gingen die Leute, weil sie etwas Konkretes sehen wollen. «Hier werden sie hier konfrontiert mit einer Thematik. Das hat eben auch zur Folge, dass es nicht jedem gefällt.»
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Ähnlich sieht es auch Claus Richter in Köln – als Berufsrisiko gewissermassen, das man mit jedem Objekt im öffentlichen Raum hat. «Ich habe aber die Hoffnung, dass im Rheinland die Stimmung anders ist als in Berlin – die Rheinländer gelten ja als liberal und offen.»
Jedenfalls habe der gebürtige Westfale keine schlaflosen Nächten wegen möglicher Vandalismus-Vorfälle. Noch steht es ja auch nicht. Im späten Herbst sollen seine vier Figuren gegossen werden, spätestens zum CSD 2021 ist die Einweihung geplant.
«Wenn es beschmiert wird, ist das ärgerlich, und man wird es reinigen müssen. Aber dann steht es trotzdem noch da.» Mit einem Endgewicht von mehreren Tonnen, mit dem vor allem der Sockel zu Buche schlägt, lässt es sich nicht einfach wegtragen – auch Zerstören wird man es nicht so leicht können.«Wenn aber jemand so viel Aggression in sich hat“, sagt Richter, «dann muss er vielleicht mal zum Arzt geben.»
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