LGBTIQ-Feindlichkeit in Herne – Täterschutz bei Polizei?
Der Polizei wird «bewusstes Verschweigen eines queerfeindlich motivierten Übergriffs» am Rande des CSD Herne im Juni des vergangenen Jahres vorgeworfen.
Die Sprecher*innen des Linke-Kreisverbandes Herne/Wanne-Eickel, Rosa Mühlstrasser und Patrick Gawliczek, sowie der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE.queer, Frank Laubenburg üben Kritik an dem auch für Herne zuständigen Polizeipräsidium Bochum
Die Polizei in Herne hatte erst jetzt bekannt gegeben, dass es am Rande des CSD zu einem queerfeindlichen Übergriff gekommen war. Bei der Polizei hielt man die Bisexualität des Opfers geheim, um es zu schätzen, wie es heisst.
Die Westdeutschen Allgemeine Zeitung (WAZ) berichtete darüber, und so habe auch erst Laron Janus davon erfahren, der Mitveranstalter des Christopher Street Day in Herne und Gründer des Queeren Jugendforums. Die WAZ hatte anlässlich der Vorstellung der Bilanz politisch motivierter Straftaten vor zwei Wochen bei der örtlichen Behörde zum Thema nachgefragt.
Das Verschweigen des Übergriffs war im Ergebnis «reiner Täterschutz», kritisiert die Linke. Es sei nun aufzuklären, ob dies aus politischen Gründen oder aus Inkompetenz erfolgte.
«Wenn am Tag der Christopher-Street-Day-Veranstaltung am Herner Bahnhof ein Mensch aus offensichtlich queerfeindlicher Motivation heraus von mehreren Personen angegriffen wird, müssen Zeug*innen und Hinweisgeber*innen auf die Gruppe der Täter*innen gesucht werden. Gerade zum CSD reisen Menschen aus unterschiedlichen Städten mit der Bahn an und ab. Beim Thema queerfeindlicher Gewalt gibt es bei diesen CSD-Besucher*innen eine hohe Sensibilität.» Eine Veröffentlichung zum Tatgeschehen hätte sehr wahrscheinlich zu Hinweisen auf die Gruppe der Täter geführt, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, dass es vor der queerfeindlichen Gewalttat Belästigungen oder Pöbeleien gegenüber anderen Gästen des CSD durch dieselbe Gruppe gegeben habe.
«Es ist perfide, wenn die Herner Polizei nun angibt, auf eine Pressemitteilung und einen Fahndungsaufruf verzichtet zu haben, um das Opfer des Angriffs zu schützen.» Queerfeindliche Gewalt könne jeden Menschen treffen, der von Täter*innen für queer gehalten wird, egal, ob das zutreffend sei oder nicht. «Von daher ist es schlichtweg unsinnig, wenn die Polizei nun angibt, sich seinerzeit um die Privatsphäre des Opfers gesorgt zu haben. Diese ‚Argumentation‘ ist wirklich dümmer als die Polizei erlaubt», heisst es in einer Pressemitteilung.
«Vielmehr scheinen die in den Vorgang verwickelten Beamt*innen eine nicht-heterosexuelle Orientierung für einen Makel zu halten – und den erfolgten Übergriff nicht ernst zu nehmen.» Angesichts rechtsextremer, rassistischer und queerfeindlicher Chatgruppen von Polizeibeamt*innen in NRW und einer CDU/Grünen-Landesregierung, die erst in dieser Woche eine renommierte Dozentin der Polizeihochschule im benachbarten Gelsenkirchen entlassen hat, weil sie auf diesen allseits bekannten «braunen Dreck» in den Polizeibehörden hingewiesen habe, dürfe über das Verhalten der Polizei bei der Nicht-Aufklärung des Übergriffs in Herne nicht zur Tagesordnung übergegangen werden. Dies gelte besonders vor dem Hintergrund, dass die örtliche Polizei bereits zuvor einen anderen queerfeindlichen und brutalen Übergriff nicht als solchen, sondern als «Streit» dargestellt hatte.
Die Hochschuldozentin Bahar Aslan hatte in einem Tweet geschrieben: «Ich bekomme mittlerweile Herzrasen, wenn ich oder meine Freund*innen in eine Polizeikontrolle geraten, weil der ganze braune Dreck innerhalb der Sicherheitsbehörden uns Angst macht. Das ist nicht nur meine Realität, sondern die von vielen Menschen in diesem Land.»
Die Hochschule hatte daraufhin am Montag mitgeteilt: «Aus Sicht der Hochschulleitung ist die Dozentin aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet, sowohl den angehenden Polizistinnen und Polizisten als auch den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln.»
Aslan räumte danach erstmals ein: «Die Ausdrucksweise mag man kritisieren, vielleicht war es eine unglückliche Wortwahl.» Es tue ihr leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlten, die vorbildlich ihren Dienst tun. «Es ging mir um jene Beamtinnen und Beamte, die sich an rechtsextremen Chats beteiligen, die mit ihrer rassistischen Geisteshaltung ganze Dienststellen vergiften», sagte sie Zeit online
«Es braucht endlich flächendeckende polizeiunabhängige Beratungsstellen für Opfer queerfeindlicher und rassistischer Gewalt, die der Kumpanei mit Tätern unverdächtig sind. Täterschutz ist kein Kavaliersdelikt», so die Linke-Politiker*innen abschliessend. (mit dpa)
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