Kirchenrechtler Schüller: Benedikt drückt sich um Verantwortung
Die Überlebenden sexualisierter Gewalt würden erneut traumatisiert
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller hat die Erklärung des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zum Münchner Missbrauchsgutachten als unzureichend kritisiert.
«Er entschuldigt sich, spricht seine Scham aus – das ist gut und wichtig», sagte Schüller am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. «Was fehlt aber? Dass er sagt: ‚Ich entschuldige mich und ich übernehme Verantwortung für die schlimmen Fehler, die in Sachen Umgang mit sexuellem Missbrauch in meiner Zeit als Erzbischof von München-Freising gemacht wurden.’»
Als hätten anonym bleibende Mächte und Gewalten im Erzbistum München-Freising diese Fehler gemacht, nicht aber er.
Benedikt spreche zwar von Fehlern und Vergehen, aber er rechne sie sich nicht selbst an. «So als hätten anonym bleibende Mächte und Gewalten im Erzbistum München-Freising diese Fehler gemacht, nicht aber er», kritisierte Schüller, der an der Universität Münster das Institut für Kanonisches Recht leitet.
«So übernimmt er erneut nicht persönliche Verantwortung und vor allem er zieht keine persönlichen Konsequenzen, ausser sich der barmherzigen Liebe Gottes anzuempfehlen. Das wird die Überlebenden sexualisierter Gewalt erneut traumatisieren, denn ihnen widerfährt keine Gerechtigkeit.»
Dass Benedikt eine Falschaussage zur Teilnahme an einer Sitzung gemacht habe, werde von ihm als Bagatelle heruntergespielt. Das sei es aber nicht: «Es war und bleibt eine Unwahrheit, die er mit seiner Unterschrift zu verantworten hat», sagte Schüller.
Benedikt hatte in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirchen um Verzeihung gebeten – konkrete Vertuschungsvorwürfe gegen sich selbst aber entschieden zurückgewiesen.
Der Theologe, Psychiater und Bestsellerautor Manfred Lütz dagegen hat die am Dienstag veröffentlichte Erklärung des emeritierten Papstes als «Befreiungsschlag» bezeichnet. «Papst Benedikt übernimmt ohne Wenn und Aber die sozusagen politische Verantwortung für das, was in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising dort an Schrecklichem geschehen ist», sagte Lütz der Deutschen Presse-Agentur. «Benedikt redet sich nicht raus. Er schiebt auch nicht alles auf seine Mitarbeiter, wie manche ihm wohl geraten haben mögen. Das wäre auch nicht er selber gewesen.»
Benedikt, der frühere Kardinal Joseph Ratzinger, steht seit Wochen heftig in der Kritik, weil ihm ein Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising Fehlverhalten in vier Fällen vorwirft (MANNSCHAFT berichtete). Am Dienstag reagierte der emeritierte Papst mit einer Stellungnahme.
Lütz sagte, er hätte es jedoch besser gefunden, wenn die Erklärung viel früher gekommen wäre. Die 82-seitige Stellungnahme von Benedikt für das Münchner Missbrauchsgutachten kritisierte er als «ganz unangemessen juristisch». Hier habe die moralische und persönliche Komponente gefehlt.
Auch Spanien wird wegen Missbrauchs in der katholischen Kirche ermittelt (MANNSCHAFT berichtete).
Das könnte dich auch interessieren
Schweiz
Die LGBTIQ-Helpline hilft nicht nur beim Coming-out
Die Hotline ist eine Anlaufstelle für Fragen und Anliegen von LGBTIQ-Personen in der Schweiz
Von Newsdesk Staff
LGBTIQ-Organisationen
Coming-out
Zu viel Hass: Cora Schumacher kündigt Insta-Rückzug an
Nachdem Ralf Schumacher sich geoutet hatte, liefern sich die einstigen Eheleute einen Schlagabtausch über Instagram. Dort will sich Cora Schumacher nun zurückziehen.
Von Newsdesk Staff
Deutschland
Schwule Genossen streiten über Homophobie unter Muslimen
Laut Kevin Kühnert kommt aus muslimisch gelesenen Männergruppen häufiger ein homophober Spruch als von anderen. Kritik erfolgt prompt, aus der eigenen Partei: Berlins Queer-Beauftragter wirft dem SPD-Generalsekretär Rassismus vor
Von Newsdesk Staff
Religion
Deutschland
Wer macht in Brandenburg jetzt eigentlich Queerpolitik?
Wer macht in Brandenburg jetzt eigentlich Queerpolitik? Wie muss es mit den Grünen weitergehen? MANNSCHAFT+ spricht mit einem queeren Mitglied, das Entfremdung mit der Partei spürt, aber bleiben und kämpfen will.
Von Kriss Rudolph
Schwul