«Jump, Darling» – Dragqueen und Oma als ziemlich beste Freundinnen
Neues Comedydrama aus Kanada
Natürlich sind nicht nur Fürsorge und Enkelliebe Gründe dafür, dass im Film «Jump, Darling» (ab 17. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen und ab 1. April auf DVD erhältlich) der Protagonist Russell (Thomas Duplessie) bei seiner reichlich betagten Grossmutter Margaret einzieht …
Welcher junge schwule Mann würde schon freiwillig einer Grossstadt wie Toronto den Rücken kehren und in die mit mässig glücklichen Familienerinnerungen belastete Provinz zurückkehren? Zumal wenn die Oma (Cloris Leachman) eigentlich nicht mehr so wirklich für sich selbst sorgen kann und echte Betreuung braucht.
Tatsächlich kommt Russell nur zurück ins etwas trostlose Prince Edward County, weil sein Lebensgefährte ihn verlassen hat. Justin (Andrew Bushell) – Typ biederer Anzugträger – konnte nicht wirklich damit umgehen, dass Russells Traum von der Schauspielerei ernsthaften Dragqueen-Ambitionen gewichen ist. Doch weil er eben auch der Ernährer in der Beziehung war, erhofft sich Russell nun bei seiner Oma vor allem ein Dach über dem Kopf. Ausserdem spekuliert er auf das alte Auto, das sie ihm mal in Aussicht gestellt hatte, und scheut sich auch nicht, ihre Unterschrift auf einem Scheck zu fälschen.
Während Margaret mit ihrem an bitteren Erfahrungen nicht armen Leben langsam abgeschlossen zu haben scheint, sucht Russell, der – nicht unähnlich seinem Grossvater – ein wenig zu sehr dem Alkohol zugeneigt ist, nach neuem Lebensmut. Es dauert nicht lange, bis aus seiner Stippvisite in der Heimat ein längerfristiger Aufenthalt wird und Oma und Enkel anfangen, sich zwischen Schnaps und Flohmarktperücken immer mehr gegenseitigen Halt zu geben. Zumal Russell in der einzigen halbwegs queeren Bar des Örtchens nicht nur einen heissen Kerl kennen lernt, sondern schliesslich auch bereit für einen Drag-Neuanfang ist.
Das generationsübergreifende Duo im Zentrum von «Jump, Darling» ist einem auf Anhieb sympathisch, und überhaupt ist das Langfilmdebüt des kanadischen Regisseurs Phil Connell eine wirklich nette Angelegenheit. Die Geschichte an sich ist alles andere als aufregend oder originell, und ohnehin ist Connell als Autor nicht ganz so stilsicher wie in seiner Inszenierung, die ihm gefühlvoll und stimmig gerät. Nicht immer sitzen die Dialoge, und manches an sich lohnenswerte Thema wird arg beiläufig angerissen und bleibt ohne Nachhall, etwa wenn Russell dazu befragt wird, ob Drag für ihn eine schwule oder eine Gender-Sache sei, oder wenn gegen Ende des Films eine in die Jahre gekommene Queen einen kleinen Wut-Monolog hält.
Connell versucht diese Schwächen vor allem mit vielen, unterschiedlich gestalteten Drag-Szenen zu kompensieren, was nicht zuletzt deswegen ganz gut gelingt, weil sein Hauptdarsteller (und – wie Instagram offenbart – Lebensgefährte) Thomas Duplessie vor allem in diesen Momenten zu grosser Form aufläuft. Gastauftritte von echten Dragqueens, darunter die aus «Canada’s Drag Race» bekannte Tynomi Banks gibt es auch, und die wunderbare Cloris Leachman in einer ihrer letzten Rollen zu sehen, ist natürlich auch ein Vergnügen.
Die Oscar- und Emmy-Gewinnerin, die selbst mal Gast-Jurorin bei «RuPaul’s Drag Race» war, starb Anfang 2021 im Alter von 94 Jahren, keine zwei Jahre nach den Dreharbeiten zu «Jump, Darling». Ganz zu schweigen davon, dass es einfach erfreulich ist, eine queere Familiengeschichte zu sehen, die nicht von einem konfliktreichen Coming-out handelt, sondern in der die Homosexualität des Protagonisten für alle Beteiligten altbekannt und eine Selbstverständlichkeit ist. Das allein macht aus «Jump, Darling» noch kein Meisterwerk, ist aber allemal erwähnenswert.
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