«Rassismus und Homophobie sind tief in der Gesellschaft verankert»
Abtauchen ins London der Achtzigerjahre mit der Miniserie «It’s a Sin»
Nach einem erfolgreichen Start in Grossbritannien kommen wir auch hierzulande jetzt in den Genuss der Serie «It’s a Sin». Wir videotelefonierten mit einem der Stars: Omari Douglas.
Für seine fantastische neue Serie «It’s a Sin», die von einem jungen schwulen Freundeskreis im London der Achtzigerjahre handelt, pochte Russell T. Davies darauf (anders als etwa früher bei «Queer as Folk»), die queeren Figuren im Zentrum auch mit queeren Schauspieler*innen zu besetzen. Und weil prominente geoutete Schauspieler*innen auch in Grossbritannien nicht wie Sand am Meer zu finden sind, entdeckte er für das Ensemble rund um Popstar Olly Alexander jede Menge toller Newcomer.
Omari, du bist 1994 geboren, also deutlich nach jener Hochzeit der AIDS-Krise, von der «It’s a Sin» erzählt. Welche Rolle spielten die Themen HIV und AIDS in deiner Jugend? In der Schule haben wir eigentlich nichts darüber gelernt, so viel kann ich sagen. Ich erinnere mich nicht einmal wirklich an Unterrichtsstunden, in denen es um sexuelle Gesundheit ging, Kondome und solche Sachen. Und definitiv hat uns niemand etwas darüber erzählt, wie das mit AIDS eigentlich alles anfing und wie sich die Epidemie in Grossbritannien und dem Rest der Welt entwickelt hat. Insgesamt hatte ich immer das Gefühl, dass das Thema eher tabu war, vielleicht sogar schmuddelig, und definitiv mit vielen Missverständnissen behaftet. Ich persönlich lernte AIDS erstmals eigentlich durch Erwähnungen in der Popkultur kennen. Durch das Musical «Rent» zum Beispiel. Aber ein einigermassen komplettes Bild gerade der Geschichte dieser Krankheit habe ich definitiv erst, seit ich mich für die Rolle in «It’s a Sin» ernsthaft damit auseinandergesetzt habe.
Russell T. Davies, der Schöpfer der Serie, hat vieles damals selbst miterlebt. Welche Recherchen hast du über seine Drehbücher hinaus betrieben? Ich wollte mich wirklich hineinversetzen in meine Figur Roscoe. Teile seiner Erfahrungen konnte ich natürlich nachvollziehen, schliesslich zog ich selbst mit 18 Jahren nach London und stürzte mich ins schwule Leben. Aber das sah 2012 eben anders aus als in den Achtzigerjahren. Während meines Schauspielstudiums war ich mal in einer Ausstellung über Clubkultur im Victoria and Albert Museum, in der auch die Einflüsse der queeren Community im Fokus standen.
Später sah ich eine tolle Dokumentation über die Rolle schwarzer Queers. Ich tauschte mich ausserdem mit schwarzen Schwulen aus, die mir von ihren eigenen Erfahrungen berichteten, dem Choreografen Les Child zum Beispiel oder Andy Polaris von der Band Animal Nightlife. Mit diesen Themen setzte ich mich sehr intensiv auseinander, weil Roscoe da als junger Typ im London der Achtziger natürlich ganz aktiv an vorderster Front dabei gewesen wäre. Die Bars und Clubs sind in der Serie so etwas wie seine sicheren Häfen: Die Rückzugsorte, an denen er ganz er selbst sein kann, während sich um ihn herum das kalte Klima der Thatcher-Jahre etabliert, das sowohl für Schwarze wie für Schwule ja eigentlich eine feindliche Umgebung darstellte.
Wo du gerade vom Rassismus und der Homophobie der Thatcher-Jahre sprichst: Vollkommen verschwunden sind die natürlich auch heute nicht . . . Nein, auf keinen Fall. Natürlich hat sich seither vieles getan, aber ich bin immer vorsichtig, wenn Leute jubeln, wie viel Fortschritt es in dieser Hinsicht gegeben hat. Da spielt oft Augenwischerei mit herein. Sicherlich ist vieles besser, wenn man bloss auf Gesetze und Politik blickt. Aber dabei wird dann oft übersehen, dass Rassismus und Homophobie eben beide sehr tief verankert sind und sich heimtückisch festsetzen in einer Gesellschaft. Entschuldige, dass ich da so negativ bin. Doch wer ein bisschen genauer hinsieht, kann ja erkennen, wie es immer wieder neue Wellen von Hass und Ablehnung gibt und selbst juristische Fortschritte regelmässig in Frage gestellt werden. Fortschritt in Sachen Menschenrechte ist halt leider keine schnurgerade Einbahnstrasse, sondern wie so vieles in der Menschheitsgeschichte eher zyklisch.
Dass du selbst in «It’s a Sin» überhaupt erst deine erste grosse Fernsehrolle spielst, ist das auch ein Anzeichen dafür, dass man es als schwuler schwarzer Schauspieler bis heute extraschwer hat? Puh . . . Es ist ja nicht so, dass ich nicht gearbeitet hätte. Ich habe explizit Musicaltheater studiert und hatte nach meinem Abschluss in diesem Bereich dann auch viele tolle Engagements. So oder so merke ich in jüngster Zeit, dass sich etwas tut, sowohl an den Bühnen als auch beim Film. Es gibt langsam mehr Geschichten, in denen Menschen wie ich sich wiederfinden können, sei es mit Blick auf die Hautfarbe oder ihre sexuelle Identität. Es bieten sich mehr Chancen, mitzugestalten, welche Geschichten erzählt werden – und wundervolle Kolleg*innen wie Michaela Coel mit ihrer Serie «I May Destroy You» zeigen, wie bahnbrechend solche neuen Perspektiven sein können. Gerade was schwarze Queerness in Film und Fernsehen angeht, ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Das bisschen Repräsentation, das es in dieser Hinsicht bislang gab, wurde selten von jenen Menschen kreiert, die da Erfahrungen aus erster Hand haben. Der Weg ist noch weit, bis jemand wie ich als Selbstverständlichkeit statt als Anomalie betrachtet wird.
Es ist in diesem Kontext auch nicht unwichtig, dass Davies bei «It’s a Sin» darauf pochte, die queeren Rollen auch mit queeren Schauspielern zu besetzen. Hast du das als etwas Besonderes empfunden? Definitiv. Als jemand, der vom Musical kommt, bin ich es natürlich gewohnt, bei der Arbeit von anderen Schwulen umgeben zu sein. Und ich war sehr froh, jetzt nicht in einem Ensemble zu landen, wo ich weniger ich selbst sein konnte und womöglich einen Eiertanz aufführen muss, weil ich nicht weiss, wer wie tickt. Stattdessen waren wir bei «It’s a Sin» quasi sofort eine eingeschworene Familie, in der ich mich komplett fallen lassen konnte. Wir hatten so viel Spass zusammen und waren so . . . ungezogen. Es war herrlich – und eine echte Hilfe dabei, die Arbeit an dieser ja auch sehr schweren, ernsten Thematik auszuhalten!
Zum Abschluss noch eine Frage über Stephen Fry, mit dem du etliche gemeinsame Szenen hast. Hattest du kurz weiche Knie? Wirklich nur ganz kurz, denn grosszügiger und offenherziger als Stephen kann man kaum sein. Dass er verdammt klug ist, ist ja kein Geheimnis, aber ich bewundere vor allem die sanfte Art und Weise, wie er sein Gegenüber an dieser Weisheit teilhaben lässt. Es war auch wahnsinnig spannend, mich mit ihm über seine eigenen Erfahrungen aus jener Zeit zu unterhalten, gerade weil er anders als Russell niemand war, der in den Achtzigern viel feierte oder in der schwulen Community unterwegs war. Ich hatte wirklich vorab die Sorge, dass mich ein Partner wie er bei meinem ersten Fernsehjob total einschüchtern würde. Aber am Ende war das Gegenteil der Fall.
«It’s a Sin» ist ab 20 . Juni auf Starzplay zu sehen.
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