Inspiriert durch Elton John: Hilfe für kranke und trauernde Menschen
Seit 1994 unterstützt «Hamburg Leuchtfeuer» u.a. Menschen mit HIV und Aids
Wie umgehen mit Tabuthemen wie Krankheit, Sterben und Tod? Darauf versucht Hamburg Leuchtfeuer seit vielen Jahren eine menschliche Antwort zu geben – und gesellschaftliche Debatten anzustossen.
Von Carola Grosse-Wilde, dpa
Schon von weitem werden die Besucher*innen mit einem in kräftigen Rottönen bemaltem Tor begrüsst: «Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber dem Tag mehr Leben» steht darauf und ein Pfeil mit dem Hinweis «Hospiz Leuchtfeuer». In einem ruhigen Innenhof mitten im lebendigen Stadtteil St. Pauli – parallel zur berühmten Reeperbahn – liegt der dreigeschossige, sanierte und barrierefreie Altbau. In den lichtdurchfluteten Räumen können Menschen seit 1998 selbstbestimmt und in Würde ihre letzte Lebensphase verbringen.
Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber dem Tag mehr Leben
Seitdem hat sich Hamburg Leuchtfeuer unter dem Motto «Unternehmen Menschlichkeit» stetig weiterentwickelt: Neben dem Hospiz gibt es noch psychosoziale Begleitung und ein Wohnprojekt für chronisch kranke Menschen in der Hafencity und im Lotsenhaus in Altona Hilfsangebote für Trauernde. An diesem Dienstag soll das 30-jährige Jubiläum mit einem Charity-Dinner im Hotel Vier Jahreszeiten gefeiert werden – die Erlöse des Abends kommen direkt Hamburg Leuchtfeuer zugute.
«Wir kommen eigentlich aus der Pflege und Betreuung für Menschen, die von HIV und Aids betroffen sind. Aus den klassischen, damals noch sehr schwulen, queeren Zusammenhängen, wo die Hamburger Aids-Hilfe sehr stark auch ein Gründervater als Organisation für Hamburg Leuchtfeuer war», sagt Geschäftsführer Michael Thomsen. 1994 wurde Hamburg Leuchtfeuer als gemeinnützige Organisation im Handelsregister eingetragen. Als Vorbild galt das London Lighthouse (Leuchtturm), initiiert von Elton John.
So ein ähnliches Hospiz sollte auch in Hamburg realisiert werden. «Dafür brauchten wir damals fünf Millionen Mark Spenden. Im Sommer ’98 konnten wir dieses Hospiz hier auf St. Pauli eröffnen», sagt Josef Reppenhorst von Hamburg Leuchtfeuer. In der Zwischenzeit hatte sich aus medizinischer Sicht viel getan, und das Thema HIV und Aids hatte für einen Grossteil der Menschen nichts Lebensbedrohliches mehr. «Deshalb hatten wir 1998 gleich die Möglichkeit, dieses Haus für alle Menschen zu öffnen, unabhängig vom Krankheitsbild.»
Gefragt, was das Besondere an ihrem Hospiz sei – mittlerweile gibt es in Hamburg acht Hospize und das Kinderhospiz Sternenbrücke – nennt Geschäftsführer Thomsen «das Leben und Sterben in Würde gilt für alle Hospize». «Das heisst, Menschen werden in dieser Lebensphase genauso angenommen, wie es individuell notwendig ist.» Dabei gehe es darum, den Menschen den Raum und die Erfüllung ihrer Bedürfnisse so zu ermöglichen, wie es der Mensch gerade gebraucht.
«Unabhängig davon, ob ich gerade Lust habe, einen Wein eisgekühlt zu trinken oder ob ich Lust habe, jetzt Stampfkartoffeln zu essen oder ob ich Lust habe, noch um Mitternacht mit meinen Freunden in meinem Zimmer zu sitzen.» So sei das Haus immer offen für Besuch und die Bewohner*innen könnten ihre Zimmer so einrichten, wie sie es gerne möchten.
«Das Besondere von Hamburg Leuchtfeuer ist, dass es uns immer wichtig war, nicht nur soziale Projekte zu realisieren, sondern auch immer zu schauen: Wie schaffen wir das, diese Tabuthemen zurückzuholen in die gesellschaftliche Mitte?», sagte Reppenhorst. Dies geschehe vor allem durch das starke bürgerschaftliche Engagement der vielen Ehrenamtlichen und Förder*innen, als auch durch die zahlreichen Prominenten, die sich von Anfang an für Hamburg Leuchtfeuer engagiert haben, darunter Ballettintendant John Neumeier, Theaterleiter Corny Littmann oder die ehemalige Bischöfin Maria Jepsen.
Mittlerweile arbeiten rund 70 Mitarbeiter*innen und 80 Ehrenamtliche in den verschiedenen Bereichen von Hamburg Leuchtfeuer. Bei «Aufwind» bieten zehn Sozialpädagog*innen Menschen mit HIV oder anderen chronischen Erkrankungen wie Multipler Sklerose, rheumatischen Erkrankungen oder Muskel- und Nervenerkrankungen Hilfe zur Selbsthilfe.
Beim Projekt «Festland» handelt es sich um ein Wohnprojekt mit 27 Einheiten für junge chronisch kranke Menschen, das 2020 eröffnet wurde. Das «Lotsenhaus» bietet seit 2007 neben Bildung und Trauerbegleitung alles rund um das Thema Bestattung – von der Aufbahrung, Trauerfeier bis zur Beisetzung. Reppenhorst: «Irgendwann entstand die Idee: Wir brauchen in Hamburg auch einen Ort, an dem Menschen Unterstützung finden, die in der Situation des Trauerns sind.»
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