War dieser Guinness-Erbe wirklich schwul?
Die neue Netflix-Serie bürstet die Geschichte der irischen Bierbrauerdynastie gegen den Strich
«The House of Guinness» mit seinen acht Folgen scheint auf den ersten Blick ein traditionelles Historiendrama zu sein, das im Irland und im New York des 19. Jahrhunderts spielt. Aber die Macher*innen haben sich für eine kühne Neuinterpretation der Story entschieden.
Denn: In dieser Guinness-Saga wird der älteste Sohn und Erbe des Bierimperiums, Arthur Guinness, als homosexuell interpretiert und von Anthony Boyle entsprechend gespielt. Der irische Schauspieler sei mit seinem Schnauzbart und wegen der Darstellung der erotischen Eskapaden Arthurs das «wahre Highlight» der Serie, wie queere Nachrichtenportale schreiben. Es ist von einer herausragenden «d*ck-swinging performance» die Rede, was sich vor allem auf eine Nacktszene in der Badewanne bezieht.
Natürlich war im 19. Jahrhundert offen ausgelebte Homosexualität in Irland nicht möglich, Männer die Sex mit Männern hatten kamen ins Gefängnis wegen Sodomie.
Weswegen Arthur in der Serie seine Liebschaften streng geheim halten muss – auch seine Besuche von sogenannten Molly Houses, also Männerbordellen (MANNSCHAFT berichtete).
Er heiratet, als Cover, eine Frau namens Lady Olivia, gespielt von Danielle Galligan. Er hat aber gleichzeitig in der Serie eine Nach-Büroschluss-Affäre mit seinem Angestellten Patrick (gespielt von Cúán Hosty-Blaney).
Boyle sagte dem Magazin Town & Country, dass er zeigen wolle, dass Arthur sich für seine sexuelle Orientierung nicht schäme – vielmehr sei es seine Umgebung, die «falsch» liege. Statt ein selbsthassender Schwuler zu sein, interpretiere Boyle Arthur so: «Ja, ich bin verdammt noch mal schwul, und ich liebe es. Ihr anderen seid die, die einen Schaden habt.» Man fühlt sich bei diesen Worten stark an den Rosa-von-Prauheim-Film erinnert (MANNSCHAFT berichtete).
In der Netflix-Version weiss Lady Olivia um die Homosexualität ihres Ehemanns. Es ist eine sogenannte «Lavender Marriage», in der beide Partner sich gegenseitig schützen, aber Freiheiten geniessen zu tun, was sie wollen. Und mit wem sie wollen. Einzige Bedingung: Es darf nicht ernst werden.
Das stellt sich als Problem heraus, als der enigmatische Guinness-Vorarbeiter Sean Rafferty ins Netz der amourösen Verwicklungen rückt, unwiderstehlich gespielt von James Norton. Rafferty bezeichnet sich selbst in einer Szene als «Prostituierter», der bei Bedarf seine Arbeitgeber*innen vögelt – weil sich das für ihn finanziell rentiert. Was genau das bedeutet, erschliesst sich allerdings erst nach und nach. Lady Olivia findet jedenfalls Gefallen an Rafferty, ebenso in der Vergangenheit ihr Ehemann. Und dann gibt's noch weitere Familienmitglieder, die Raffertys Dienste für ihre ganz eigenen Zwecke in Anspruch nehmen. Eine interessante Umkehr gängiger Narrative zum Thema sexuelle Ausbeutung, von Norton spannend enigmatisch gespielt.
Viele Fans der Serie fragen, ob diese Interpretation von Arthur Guinness auf realen Fakten basiere. In seiner Biografie «The Guinnesses: The Untold Story of Ireland’s Most Successful Family» schrieb Joe Joyce 2009, dass Arthur «höchstwahrscheinlich schwul» gewesen sei, auch wenn das Wort damals noch nicht benutzt wurde. Aber entsprechende Gerüchte kursierten schon lange, sie sind jedoch – wie oft in solchen Fällen – schwer zu belegen, weil alle Beteiligten sich bemühten, keinerlei Zeugnisse nach aussen dringen zu lassen.
Der Vorarbeiter Rafferty ist pure Fiktion. Die Deutung von Arthur Guinness, wie jetzt bei Netflix zu sehen, ist hingegen durchaus denkbar. Nur wurde in der Vergangenheit solches Denken bewusst unterdrückt.
Das Portal Queerty schreibt zusammenfassend: «Der lebenshungrige, supersmarte und ein bisschen chaotische Arthur Guinness ist genau die Art von vielschichtigem queerem Charakter, von denen wir gern mehr im Fernsehen sehen würden. Was es noch aufregender macht ist die Tatsache, dass er die Hauptfigur in dieser neuen heissen Netflix-Serie ist!»
«Ich weiss, was es bedeutet, im ländlichen Raum Vielfalt zu leben.» Sophie Koch ist die neue Queerbeauftragte der deutschen Bundesregierung (MANNSCHAFT berichtete).
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