Homophobie in Adelboden: «Viel Dreckiges hinter der Fassade»
Ein schwuler Künstler erzählt von seinem Coming-out im Berner Bergdorf
Für die Sendung «SRF bi de Lüt» erzählt der schwule Künstler und Musiker Bruno Filipe von den Erfahrungen nach seinem Coming-out in Adelboden. Er skizziert dabei ein homophobes Bergdorf, das nur für den Tourismus seine Fassade wahrt.
Weltberühmt ist Adelboden für seine Skirennen: Trotz Pandemie standen dieses Jahr über 12’000 Zuschauer*innen dicht gedrängt um die legendäre Piste am Kuonisbergli. Und auch dieses Jahr grölten sie wieder unzählige Male das Lied vom «Vogellisi», mit dem lautstark das «schöne Berner Oberland» besungen wird. Doch ist Adelboden für alle schön? Auch für Menschen aus der LGBTIQ-Community?
«Potemkinsches Dorf» Das Schweizer Fernsehen SRF hat für ein Portrait der Sendung «SRF bi de Lüt» Stimmen aus dem Touristenort gesammelt und dabei auch den schwulen Musiker und Künstler Bruno Filipe befragt. Dieser stammt aus Portugal und lebt seit 16 Jahren in der vielbesungenen Heimat des «Vogellisi». Sein Coming-out mit 14 war schwierig. «Es braucht sehr viel Mut, in Adelboden zu sich selbst zu stehen», sagt er.
Für ihn sei Adelboden eine Art «Potemkinsches Dorf». Vordergründig zeige es seine schöne Fassade, präsentiere sich für die Tourist*innen «charmant». «Doch wenn man hinter die Fassade blickt, findet man sehr viel Dreckiges: Rassismus und Homophobie.»
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Nach Coming-out ignoriert «Nach meinem Coming-out bin ich fortan von Menschen ignoriert worden, die davor für mich fast wie Geschwister waren», erzählt er. Die Leute trügen «Scheuklappen» und wollten diese Homophobie nicht sehen.
Bruno Filipe weiss von Menschen im Dorf, deren Eltern den Umgang mit ihm verboten hätten, weil er schwul sei. Einige Eltern hätten auch die Überzeugung, er könnte Heteros zu homosexuellen Handlungen verleiten und sie damit «anstecken». Auf diese Weise werde das konservative Gedankengut von Generation zu Generation weitergegeben.
«Wenn man später das Dorf nicht verlässt und nie andere Menschen kennenlernt, dann hat man das in sich und hat das Gefühl, das sei die grosse Welt. Aber das ist sie nicht», sagt Bruno Filipe.
Normaler Stadt-Land-Graben? Die anderen interviewten Personen im von Freikirchen geprägten Bergdorf mit rund 3’300 Einwohner*innen sehen das etwas anders. Für Rebekka Müller, erzogen nach den biblischen Wertmassstäben der Freikirche «Gemeinde für Christus» und mittlerweile fünffache Mutter, ist das der ganz normale Unterschied zwischen Stadt und Land. Auf dem Land sei es halt etwas konservativer als in der Stadt, wobei es überall Leute gebe, die anders denken. «Jeder Mensch darf glauben, denken und machen, was er will», findet Rebekka Müller im SRF-Interview.
Christan Dummermuth lebt seit zehn Jahren mit seiner Frau und den vier Kindern in Adelboden. Die Heilsarmee hat ihn nach Adelboden bestellt. Sein Auftrag: das Evangelium zu verbreiten und seelsorgerisch für die Gemeinde tätig zu sein. Er sagt, das mit den «Konservativen und Verbohrten» sei nur ein Vorurteil. Im Gespräch würden sich viele Menschen «weltoffener» zeigen, als man das ihnen aufgrund ihres Auftretens würde zutrauen.
Nebst der «Gemeinde für Christus» und der Heilsarmee sind ausserdem die Pfingstgemeinde und die Freie Missionsgemeinde in Adelboden aktiv.
Die Heilsarmee steht wegen der «Konversionstherapie» zurzeit in der Kritik. Homosexualität soll dort «weggebetet» werden (MANNSCHAFT berichtete).
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