Mobbing am Campus Rütli? - Staatsanwaltschaft ermittelt
Ein Fall aus Berlin
Der Ehemann eines schwulen Lehrers am Campus Rütli in Neukölln bekommt nachts anonyme Anrufe und wird beleidigt. Stecken Schüler dahinter? Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Nach monatelangen Beleidigungen gegen den Ehemann eines schwulen Lehrers in Berlin-Neukölln ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft. Ein Verfahren richte sich gegen einen namentlich bekannten Beschuldigten, ein zweites gegen unbekannt, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft auf dpa-Anfrage. «Es wird wegen Beleidigung und Nachstellung ermittelt.» Zuvor hatten der Tagesspiegel und Correctiv über den Fall berichtet.
Danach erhielt der Mann, dessen Partner als Lehrer an der Gemeinschaftsschule auf dem Campus Rütli arbeitet, zunächst anonyme, häufig nächtliche Anrufe auf sein Handy, ohne dass sich jemand tatsächlich meldete. Später fand sich ein Schreiben mit anzüglichen Beleidigungen im Briefkasten des Paares.
«Nach dieser Aneinanderreihung von Vorfällen haben mein Mann und ich die Polizei verständigt», sagt der Betroffene dem Tagesspiegel. «Ich habe Angst, dass sich das Ganze wiederholt.»
Zum Stand der Ermittlungen sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, das erste Verfahren gegen einen Schüler des Campus Rütli sei mittlerweile abgeschlossen, er könne aber keine Auskunft über weitere Details geben, auch nicht zu einem möglichen queerfeindlichen Hintergrund.
«Im zweiten Verfahren dauern die Ermittlungen an.» Es werde versucht, weitere Tatverdächtige zu ermitteln. «Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit sind die aus der Schülerschaft.»
Grünen-Landeschefin Stahr fordert Konsequenzen Grünen-Landesvorsitzende Nina Stahr forderte Konsequenzen von der Bildungsverwaltung: «Dieser Vorfall ist erschütternd und macht deutlich, wie alltäglich queerfeindliche Gewalt an unseren Schulen ist.» Er sei ein Alarmsignal und zeige, wie dringend notwendig funktionierende Strukturen gegen Mobbing und Diskriminierung an Schulen seien.
Dass die beiden Stellen der Anti-Mobbing- und Antidiskriminierungsbeauftragten in Berlin jahrelang unbesetzt waren und es bis heute keine belastbaren Daten zu Mobbing an Berliner Schulen gibt, sei verantwortungslos, kritisierte sie. «Und dass der Senat gleichzeitig die Mittel für queere Bildungsprojekte und Demokratiebildung kürzt, ist ein politischer Skandal.»
Rütli-Schule hat vor Jahren schon Schlagzeilen gemacht Die Rütli-Schule in Neukölln, die heute Campus Rütli heisst, machte bereits 2006 bundesweit negative Schlagzeilen und wurde damals zum Symbol für das Versagen des Schulsystems. Die Schule und die Bildungsverwaltung reagierten auf Anfrage zunächst nicht.
Lehrkräfte schrieben einen Brandbrief über die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände, die das Unterrichten teilweise unmöglich machten. Nachdem jahrelang viel Geld investiert und neues Personal eingestellt wurde, galt die Schule später als Vorzeigeprojekt.
Der neue Fall erinnert ausserdem an den des schwulen Lehrers Oziel Inácio-Stech an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit (MANNSCHAFT berichtete). Er wurde nach eigenen Angaben wegen seiner Homosexualität monatelang von Schüler*innen gemobbt, beschimpft und beleidigt und berichtete, muslimische Schüler hätten über ihn gesagt, er werde «in der Hölle landen». Er hatte sich deswegen an die Öffentlichkeit gewandt. Über seinen Fall war seit dem Frühjahr ausgiebig berichtet worden.
«Wenn queere Kulturorte verschwinden, verändert die Stadt ihr Gesicht.» Ex-Kultursenator Klaus Lederer über Feierorte, die Linke und den Antisemitismus (zum MANNSCHAFT-Interview)
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