«Hauptsache Hitler» – Die Blattkritik von Frank Richter
Der Comedian hat «Welt der Wunder» gelesen
Frank Richter durchforstet die Medienlandschaft nach den wahren Perlen unter den Zeitschriften. Seine satirische Analyse erschien jeweils in der Printausgabe von Mannschaft Magazin.
Mir ist da was aufgefallen. Wissenschaftsmagazine drucken praktisch immer den Führer aufs Cover. Hitler muss bei der Leserschaft irgendwie verkaufsfördernd wirken. Bei Men’s Health ist es der Typ mit dem Sixpack, der den Absatz in die Höhe treibt –beim Wissenschaftsmagazin Adolf Hitler. Eine Parallele sehe ich insofern, als Hitler wahrscheinlich auch mit Selbstbräuner herumexperimentierte, er aber den Begriff Tarnfarbe benutze.
Wie dem auch sei, bei der aktuellen Ausgabe von Welt der Wunder hat es der Führer wieder mal aufs Cover geschafft. Im Heft geht es um Psychopathen. Mit denen kenne ich mich aus. Ich hatte mal einen als Chef. Menschen mit psychopathischer Veranlagung erkennt man übrigens an folgenden Eigenschaften: Sie verfügen über oberflächlichen Charme, lügen krankhaft und streben nach Macht. Gemäss «Welt der Wunder» ist einer von hundert Menschen ein Psychopath. Bei Grindr ist der Prozentsatz möglicherweise etwas höher.
Im Heft werden diverse Psychopathen vorgestellt. Adolf ist zwar gut genug für die Front (was für ein Wortspiel), im Artikel selbst wird er dann aber mit drei Sätzen abgehandelt. Putin und Erdoğan hingegen erhalten eine ganze Seite. Das russische Staatsoberhaupt soll wegen seiner Vergangenheit als Ex-KGB-Agent ein pathologischer Lügner sein. Er wurde quasi dazu erzogen, unter grossem Druck nicht die Wahrheit zu sagen. Erdoğan hingegen sei ein Fälscher. Der türkische Präsident soll bei seinem Hochschuldiplom geflunkert haben. Es wurde von einem Direktor unterschrieben, der erst nach Erdoğans Abschluss die Stelle antrat. Zu Donald Trump heisst es: «Der Grund warum Trump nicht zum US-Präsidenten taugt? Er ist nicht psychopathisch genug.» Da dürften etliche Republikaner enttäuscht sein.
Hitler muss bei der Leserschaft verkaufsfördernd wirken.
Doch Welt der Wunder bietet ihren Leserinnen und Lesern mehr als reisserische Psychoanalysen von Staatsoberhäuptern. Dank dem Heft weiss ich jetzt, dass Waldbrände unter dem Boden weiterglühen können und sich nach einem Winter mit Schnee im Frühjahr wieder neu entzünden. Oder dass keine Melonen mehr wachsen, sollte die Honigbiene aussterben. Und das Steuerrad im Auto von Formel-1-Profi Lewis Hamilton kostet 50 000 Euro. Wahnsinn! 50 000 Euro! Mit so viel Geld könnte sich ein Boxenluder endlich den Traum vom eigenen Nagelstudio erfüllen.
Schlussendlich sind es wahrscheinlich die kuriosen Facts, die den Reiz eines Wissenschaftsmagazins ausmachen. Das Ganze schön bebildert und häppchenweise serviert. Quasi wie Galileo auf ProSieben, einfach gedruckt und weniger werbelastig. Es sind Informationen, die sich alle auch mittels Wikipedia zusammentragen liessen, nur würde das Lesen dann nicht halb so viel Spass machen. Ausserdem entdeckt man immer wieder etwas für den Alltag, das einem weiterhilft. Für mich persönlich zum Beispiel folgende Gewissheit: Ein Flugzeug kann fünfeinhalb Stunden durch Gewitterfronten fliegen und alle dreieinhalb Minuten vom Blitz getroffen werden, ohne dass es abstürzt. Also zumindest theoretisch, sagt der Testpilot. Falls ein Psychopath hinter dem Steuerknüppel sitzt, dann bestimmt auch praktisch.
Kaufempfehlung für …
Menschen, die beim Stuhlgang noch etwas lernen wollen, Fans von Halbwissen sowie Coiffeursalons, die sich im Einzugsgebiet der Universität befinden.
Das könnte dich auch interessieren
Drogen
Ein Leben nach K.O.-Tropfen: «Ich habe zwölf Stunden verloren»
In vielen europäischen Grossstädten geraten schwule Männer in die Chemsex-Szene, ein Berliner wäre beinahe bei einem Überfall gestorben. Aber er kann davon erzählen.
Von Sören Kittel
Leben
Mentale Gesundheit
Schwul
Deutschland
Spätes Coming-out: Ich war wohl erste trans Frau im Bundestag
In der Bundespolitik sind offen auftretende trans Menschen etwas relativ Neues. Nun sagt die einstige Abgeordnete Valerie Wilms, dass sie als trans Frau schon viel früher im Bundestag war.
Von Newsdesk/©DPA
TIN
Politik
Buch
Justiz
Anastasia Biefang scheitert mit Klage – hat aber trotzdem gewonnen
Als hochrangige Bundeswehr-Kommandeurin bekommt sie wegen ihres Tinder-Profils einen Verweis: Anastasia Biefang klagt sich durch die Instanzen - und bleibt nun schliesslich auch am Bundesverfassungsgericht ohne Erfolg.
Von Newsdesk/©DPA
Dating
Deutschland
News
Arbeitswelt
TIN
Community
Neues queeres Netzwerk aus Indien: First Contact
Zwei indische Lesben gründen internationalen Safe Space
Von Newsdesk Staff
Lesbisch
Queer