War der rassistisch-homophobe Überfall nur inszeniert?
Der «Empire»-Star Jussie Smollett muss heute vor Gericht erscheinen. Ihm wird Falschaussage vorgeworfen, und ihm drohen drei Jahre Gefängnis
Hat der Schauspieler Jussie Smollett (36) den rassistischen und homophoben Angriff, dessen Opfer er Ende Januar wurde und der weltweit für Schlagzeilen sorgte, selbst inszeniert? Gestern Abend hat die Polizei von Chicago deswegen Anklage erhoben. Heute muss Smollett vor Gericht erscheinen.
Smollett ist Star der Fox-Erfolgsserie «Empire», 2015 outete er sich als schwul. Er hatte Ende Januar behauptet, abends im Zentrum von Chicago unterwegs gewesen zu sein, als zwei Männer auf ihn zukamen und rassistisch sowie homophob beschimpften. Sie trugen schwarze und rote Gesichtsvermummung, legten ein Seil um seinen Hals und schlugen auf ihn ein, anschliessend sollen sie eine «unbekannte chemische Substanz» auf sein Gesicht geschüttet haben. Sie riefen dabei: «This is MAGA country!»
MAGA steht für Donald Trumps Kernsatz «Make America Great Again». Zuvor war bei Fox ein anonymer Brief für Smollett eingegangen auf dem stand: «You will die, black f****.»
Als Absender war «MAGA» angegeben.
Wegen «der Schwere der Vorwürfe» nahm die Polizei in Chicago die Aussagen Smolletts «sehr ernst» und behandelte den Fall «wie ein Hassverbrechen».
Gerade weil die US-Polizei schon so oft mit Vorwürfen von Rassismus und auch Homophobie in den eigenen Reihen konfrontiert war, wollte sie bei einem Fall mit derart viel öffentlicher Wahrnehmung ein positives Exempel statuieren.
Der Schauspieler trat in der Folgezeit in vielen TV-Sendungen auf und sprach über das Erlebte. Sämtliche LGBTIQ-Medien berichteten über den Vorfall, der als besonders krasses Beispiel für die neue Lebensrealität vieler queerer Menschen – speziell Queers of Color – in den USA unter Trump galt.
Besonders krass wurde von vielen empfunden, dass man Smollett vielerorts nicht glauben wollte. Der TV-Star trat Mitte Februar in der Sendung «Good Morning America» auf und sagte, das kotze ihn an («I am pissed off»).
Denn natürlich gehört das Infragestellen seiner Geschichte und das Anzweifeln seiner Glaubwürdigkeit zum rassistischen Narrativ, das viele People of Color in den USA wie anderswo als Grundproblem beklagen. Der zentrale Vorwurf lautet: Bei Weissen würde so etwas nie in Zweifel gezogen und sofort mit der ganzen Härte des Gesetzes verfolgt, speziell wenn es sich bei den vermeintlichen Tätern um PoC handle.
Klasse-4-Verbrechen Nun berichtet The New York Times, dass der Vorfall Ende Januar inszeniert gewesen sein soll, und zwar von Smollett selbst. Die Polizei wirft ihm Falschaussage vor. Auf Twitter teilte Chicagos Polizeisprecher Anthony Guglielmi mit, dass das Cook County State’s Attorney’s Office (das für den Fall zuständig ist) Smollett als «Verbrecher» anklagt, wegen «Disorderly Conduct / Filing a False Police Report».
Im Polizei-Tweet wird auch seine Verhaftung angekündigt.
Ursprünglich hatte die Polizei wenig Beweismaterial am Tatort finden können und veröffentlichte lediglich ein unscharfes Foto aus einer Überwachungskamera aus der Gegend, das zur Zeit des Vorfalls zwei mögliche männliche Täter aufgenommen hatte.
Als am 15. Februar zwei Männer festgenommen wurden, stellte sich heraus, dass sie Smollett persönlich kennen. Es handelt sich um die Brüder Olabinjo und Abimbola Osundairo, die beide ebenfalls in «Empire» in Kleinstrollen mitspielen.
Die Osundairo-Brüder Als ihre Wohnung durchsucht wurde, fand man schwarze Gesichtsmasken, ein «Empire»-Drehbuch, ein Telefon, Rechnungen, eine rote Mütze und Bleichmittel, wie es Smollett im Gesicht abbekommen haben soll.
CBS Chicago veröffentlichte daraufhin ein Video aus einem Laden in Chicago, in dem man die beiden Männer beim Kauf der roten und schwarzen Gesichtsverdeckung sieht.
Lokalen Medien zufolge sollen die beiden Brüder der Polizei nach der Verhaftung gesagt haben, dass Smollett sie bezahlt habe ihn anzugreifen – aus Angst, er könne aus der Serie «Empire» herausgeschrieben werden.
Die Polizei wies diese Aussagen anfangs zurück, und der Sender Fox sagte, Smolletts Rolle werden weiterhin eine zentrale Figur der Serie sein.
Als die Vorwürfe der Falschaussage gestern in den Medien auftauchten, war der Sender nicht bereit, sie zu kommentieren.
Die Polizei liess die Brüder wieder frei. Sie wurden am Mittwoch zusammen mit ihren Anwälten einer Grand Jury vorgeführt, um ihre Aussagen zu wiederholen. Daraufhin entschied die Jury, Smollett als Täter einzustufen.
Die Anwältin der Brüder, Gloria Schmidt, sagte Reportern vorm Gerichtsgebäude: «Es gab einen Punkt, wo diese Geschichte erzählt werden musste; sie haben sich zusammengerissen und sagten, Wisst ihr was, wir werden das jetzt richtigstellen.»
Schmidt appellierte an Smollett, das Gleiche zu tun. «Ich glaube, Jussies Gewissen lässt ihn zur Zeit nachts nicht schlafen», sagte Schmidt vor Kameras.
Auf Basis der neuen Anklage drohen Smollett bis zu maximal drei Jahre Gefängnis. Er wird voraussichtlich heute vor Gericht erscheinen müssen, um eine Kaution auszuhandeln, um nicht in Untersuchungshaft genommen zu werden.
Eine Falschaussage wie die von Smollett kann – laut New York Times – sowohl als «geringfügiges Vergehen» («misdemeanor») oder «Verbrechen» («felony») eingestuft werden. Da gerade dieser Fall mit seinen Rassismus- und Homophobievorwürfen so schwer wiegt, hat sich die Staatsanwaltschaft entschieden, auf Verbrechen zu klagen.
Ob das eine neuerliche Rassismus-Debatte auslöst, bleibt abzuwarten.
Die Anwälte von Smollett, Todd S. Pugh and Victor P. Henderson, sagten, ihr Klient weise die Vorwürfe zurück. Er sei «wütend und am Boden zerstört, dass die beiden Angreifer Leute sind, sie er persönlich kennt». Diese Aussage stammt allerdings vom letzten Wochenende. Was Smollett heute sagen wird, darauf darf man gespannt sein.
Vertreter der Schwarzen-Community in den USA haben Smollett vorgeworfen, mit seinem Verhalten den sogenannten «Black History Month» zur Farce gemacht zu haben. Die Rapperin Cardi B sagte sogar, Smollett «fucked up» den BHM, in dem es eigentlich darum geht, auf die vergessene Geschichte und die Traditionen der Afroamerikaner hinzuweisen, die in offiziellen Geschichtsbüchern kaum vorkommen.
Aber auch Falschaussagen gehören zur Geschichte dazu, und schwarze Schwule sind genauso zu Fehlverhalten fähig wie alle anderen Menschen. Nur wird ihr Verhalten meist anders geahndet als das von Weissen; darin liegt ein grosser Unterschied.
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