Günther Krabbenhöft: Schwuler «Hipster-Opa» findet neue Liebe mit 77

Die Stilikone spricht im «Salon Schinkelplatz» über sein Leben, seinen neuen Partner und den Tod

Günther Krabbenhöft (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)
Günther Krabbenhöft (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)

Günther Krabbenhöft wurde 1945 geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Nähe von Hannover auf. Er erlebte die krasse Homophobie der deutschen Nachkriegszeit und brauchte lange, um zu seinen schwulen Sehnsüchten zu stehen. Heute ist er erfolgreicher Buchautor und eine international bekannte Stilikone.

Als Günther Krabbenhöft zur Talkshow «Salon Schinkelplatz» kommt, um mit Manuel Koch über sein Leben, den Tod und seine neue Liebe zu sprechen, sitzen im geladenen Publikum auch Krabbenhöft-Fans aus Pankow – Damen mittleren Alters, die den sogenannten «Hipster-Opa» bewundern dafür, dass er in seinen späten 70ern das Leben im Berghain und anderen Technoclubs geniesst und sagt: «Das Alter ist kein Abschied, sondern der Anfang einer spannenden Lebensphase.»

Bekannt wurde der Mann, der jahrzehntelang eher unauffällig als Koch gearbeitet hatte, eine heteronormative Ehe führte und sich nicht traute, seine homoerotischen Begierden in konservativen Nachkriegsdeutschland auszuleben, als 2015 ein britischer Tourist ihn auf dem U-Bahnsteig der Linie 1 am Kottbusser Tor in Berlin ansprach, ob er ihn fotografieren dürfe.

Günther Krabbenhöft und sein Buch (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)
Günther Krabbenhöft und sein Buch (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)

Das Ergebnis ging viral: Das Bild mit einer ledernen Aktentasche unterm Arm, mit blauem Mantel, Hut und Fliege wurde auf Facebook über drei Millionen Mal geliked. Krabbenhöft wird danach mit seinem hochindividuellen Stil in Modemagazinen abgedruckt, zu Talkshows eingeladen und ist auf Plattformen wie Instagram erfolgreich. Der frischgebackene Influencer nutzte seinen späten Ruhm und veröffentlicht ein Buch mit dem Titel: «Sei einfach du! Zum Jungsein bist du nie zu alt.»

«Älterwerden ist kaum was für Feiglinge» Sich selbst beschreibt er nicht als «Hipster» («das sind doch die mit Bart und Mütze, die alle gleich aussehen»), sondern als «Bestager». Bei Manuel Koch war er geladen, um ausnahmsweise nicht nur über Stil und Techno zu sprechen, sondern über sein Leben als schwuler Mann. Und wie das ist mit Liebe und Sex, wenn man 77 ist.

«Älterwerden ist kaum was für Feiglinge», sagt Krabbenhöft. Man wisse, dass seine Tage gezählt sind. Für Krabbenhöft ergibt sich daraus, dass man im Alter nur Spass haben könne – «weil man seine Endlichkeit begriffen hat». Für alles andere, was keinen Spass macht, ist die verbleibende Zeit schlichtweg zu kostbar, um vergeudet zu werden.

Günther Krabbenhöft (.) und Manuel Koch im Interview (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)
Günther Krabbenhöft (.) und Manuel Koch im Interview (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)

Entsprechend fragte sich Krabbenhöft auch, als er zufällig beim Spazierengehen den 25 Jahre jüngeren Carlos traf und merkte, dass es da funkte: «Will ich das? Hat das eine Zukunft?»

Krabbenhöft hatte in seinem langen Leben schon mehrere Beziehungen, nicht nur mit seiner Ehefrau Heidi. Er hat die Katastrophe der Aidskrise in den 1980ern und 90ern erlebt, hat sich in HIV-Hilfsorganisationen engagiert sowie in Gruppen für schwule Väter, wie er selbst einer ist.

Zum Zeitpunkt, als er Carlos traf (den Nachnamen verriet er im Talk nicht), war Krabbenhöft wieder Single, ohne dass ihn das wirklich störte. Schliesslich gab es genügend Menschen in seinem Leben, etwa seine Tochter und die Enkelkinder. Er hatte nicht erwartet, dass ihm Liebe in dieser Situation nochmal «passiert», wie er im «Salon Schinkelplatz» lachend gesteht.

«Wenn so etwas passiert, ist es ein Geschenk» Früher hätte er gesagt «Lass uns erstmal gucken, wie sich das entwickelt», bevor er sich auf eine ernsthafte nächste Stufe der Beziehung nach dem Kennenlernkaffeetrinken eingelassen hätte. Da ihm aber klar war, dass er nicht mehr viel Zeit habe, ging Krabbenhöft das Wagnis ohne Umschweife ein und verkündete im Gespräch mit Koch, dass Carlos und er jetzt ihr einjähriges Jubiläum feiern würden. Sie leben auch zusammen.

Carlos ist ebenfalls ein schwuler Vater, der bei der ersten Begegnung «von zwei schönen Frauen» begleitet wurde, die sich als seine Töchter herausstellten. «Ich musste mich nicht erst gross erklären», sagt Krabbenhöft über diese Ausgangslage, er hatte unmittelbar das Gefühlt: «Es stimmt.» Wenn so etwas passiere und alles passe, dann sei das ein «Geschenk».

Er spricht in Bezug auf neue Beziehungen im Alter auch den berührenden Motto-Satz, der die Voraussetzung zum Miteinander sei: «Ich kenn‘ dich nicht, aber ich wasch‘ dich trotzdem!»

Günther Krabbenhöft mit Partner Crlos (l.) und Manuel Koch beim Empfang nach dem Interview (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)
Günther Krabbenhöft mit Partner Crlos (l.) und Manuel Koch beim Empfang nach dem Interview (Foto: : Salon Schinkelplatz / Alexander Hildebrand)

Auf die Frage, was er jungen Menschen in turbulenten Zeiten wie diesen raten würde, antwortet Krabbenhöft: «Authentisch sein, nicht versuchen, immer nur gefällig zu wirken, weil’s der Weg des geringsten Widerstands ist.» Das bedeute zwar, dass man möglicherweise zum Einzelgänger werde und keinen enormen Freundeskreis habe, dafür hätte man aber einen oder zwei Menschen, die einen wirklich verstehen.

«Schöne Signale» Grundsätzlich lautet Krabbenhöfts Mantra: «Immer man selbst bleiben – denn die anderen gibt es alle schon.» Von anderen sollte man sich höchstens Anregungen holen, die man für sich «gebrauchen» können. Nacheifern sei aber keine gute Option.

Ob er selbst Vorbilder habe, fragt jemand aus dem Publikum. Nach einigem Überlegen antwortet Krabbenhöft: «Menschen, die sich über Konventionen hinwegsetzen.»

Beim Empfang im «Salon Schinkelplatz» konnte man Krabbenhöft mit Partner auch sehr direkt weiter befragen. Und bewundern, wie harmonisch der Umgang der beiden miteinander ist. Koch sprach davon, dass sie «schöne Signale» senden würden. Das ist wohl wahr. Es ist zudem ein Vorbild für viele LGBTIQ, die sich fragen, wie das mit ihnen und dem Älterwerden funktionieren könnte.

Das vollständige Interview kann man inzwischen auch online sehen:

In einer früheren Ausgabe von «Salon Schinkelplatz» war Tagesthemen-Moderator Helge Fuhst mit seinem Ehemann zu Gast und sprach über die Bedeutung von LGBTIQ-Sichtbarkeit in den Nachrichten (MANNSCHAFT berichtete).

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