Aufregung um Netflix-Neuverfilmung von «Dorian Gray»
Der LGBTIQ-Literaturklassiker von Oscar Wilde wird angeblich «entschwult»
Der Streaming-Gigant Netflix hat eine neue Filmfassung des Dorian-Gray-Stoffs angekündigt und damit im Internet für reichlich Wirbel gesorgt. Vorwurf: Die Neugestaltung der Geschichte sei «homophob» und «respektlos» gegenüber der berühmten Romanvorlage von Oscar Wilde.
Kürzlich hatte das Branchenportal Deadline darüber berichtet, dass der Roman aus dem Jahr 1890 von Drehbuchautorin Katie Rose Rogers und ihrem Bruder Robbie Rogers als Produzent in eine Miniserie umgewandelt werde – die beiden waren zuletzt verantwortlich für die erfolgreiche queere Serie «Fellow Travelers» mit Jonathan Bailey und Matt Bomer (MANNSCHAFT berichtete).
Ihre neue Serie soll demnach «The Grays» heissen und die Dorian-Gray-Geschichte aus dem viktorianischen England in die heutige Zeit sowie ins Umfeld der aktuellen Beauty-Industrie verlegen. Stein des Anstosses dabei ist für viele Fans des Buchs, dass Dorian und Basil – zwischen denen im Original eine starke homoerotische Spannung besteht, die die Geschichte vorantreibt bis zum fatalen Ende – nun zu Brüdern werden sollen. Anstelle vom Maler, der schwer verliebt ist in sein umwerfend gut aussehendes Männermodell, von dem er das teuflische Porträt erstellt, das nicht altert, wird die Beziehung der beiden neu kalibriert.
Das Nachrichtenportal Gay Times berichtet, dass auf X viele Menschen sich über diese Neugestaltung der Geschichte echauffieren. Es wird ein*e User*in zitiert mit den Worten: «Ich war so aufgeregt, als ich von der neuen Adaption hörte. Aber jetzt bin ich wütend. Was soll das heissen, Basil und Dorian sind Brüder????????? Die Respektlosigkeit. Das ist tatsächlich homophob.»
«Das Buch wurde im Gerichtsverfahren gegen Wilde als Beweismaterial benutz» Jemand anderes ergänzt: «Das Bildnis des Dorian Gray ist explizit queer. So sehr, dass das Buch sogar im Gerichtsverfahren gegen Oscar Wilde als Beweismaterial gegen ihn benutzt wurde, um ihn wegen Homosexualität zu verurteilen. Das jetzt herunterzuspielen ist der Höhepunkt von Auslöschung queerer Geschichte.»
Eine dritte Person wird zitiert mit den Worten: «Wenn eine Story wie die von Dorian Gray von einem Mann geschrieben wurde, den man dafür verurteilte, dass er schwul war (MANNSCHAFT berichtete), seht ihr dann nicht selbst wie falsch es ist, die zwei Hauptcharaktere, die offensichtlich so angelegt sind, dass sie versteckte homoerotische Sehnsüchte repräsentieren, zu Brüdern zu machen …? Mehr Respektlosigkeit geht kaum.»
Die Figuren von Basil und Dorian tauchten zuletzt in verschiedenen Serien und Filmen auf, unter anderem in «League of Extraordinary Gentlemen», in «Penny Dreadful» (MANNSCHAFT berichtete) sowie in den «Chilling Adventures of Sabrina». Verfilmungen des Romans gibt es ebenfalls zuhauf, meist wurde dabei aber das homoerotische Element stark heruntergespielt.
Greg Berlanti und seine Produktionsfirma Gay Times betont, dass derzeit nicht bekannt sei, wann die Dreharbeiten an «The Grays» losgehen werden und wann die Miniserie veröffentlich werden soll. Auch zur Besetzung ist bislang nichts bekannt.
Hinter der Serie steht allerdings neben Rina Mimoun als Show Runnerin vor allem Greg Berlanti mit seiner Produktionsfirma. Berlanti hat sich in seiner Karriere wiederholt für LGBTIQ-Repräsentation eingesetzt und beim Film «Love, Simon» sogar selbst Regie geführt (MANNSCHAFT berichtete). Robbie Rogers – ein ehemaliger Fussballspieler, der sich als einer der ersten professionellen Fussballer der USA outete – ist übrigens Berlantis Ehemann, die beiden lernten sich bei den Dreharbeiten zu «Love, Simon» kennen, wo Robbie Rogers eine Rolle ergattert hatte.
Es bleibt also abzuwarten, ob die Neufassung von Dorian Gray wirklich so «unschwul» wird, wie viele jetzt behaupten oder befürchten. Das wäre zumindest bei einem Berlanti-Projekt und bei zwei Filmemacher*innen, die gerade mit «Fellow Travelers» so viel Erfolg mit einem queeren Stoff hatten, extrem unwahrscheinlich.
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