Lesbische Sichtbarkeit: Gianna Nannini will Präsidentin werden
Mit einer kurzen Videobotschaft hat die italienische Rocksängerin ihre Kandidatur bekannt gegeben
Am 24. Januar beginnt in Rom das italienische Parlament mit der Wahl eines Nachfolgers bzw. einer Nachfolgerin von Präsident Sergio Mattarella. Bislang sind alle gehandelten Namen männlich. Deshalb hatten mehrere italienische Intellektuelle, Schriftstellerinnen und Künstlerinnen eine Petition gestartet, in der sie drängen, dass eine Frau zur ersten Staatschefin des Landes gewählt werden sollte.
«Wir glauben, dass es Zeit ist, mit der Gleichheit der Geschlechter Ernst zu machen, die die fortschrittlichsten und demokratischsten Kräfte unseres Landes teilen und unterstützen», heisst es in der Petition. Und weiter: «Sagen wir es deutlich: Es ist Zeit, eine Frau zu wählen.»
Den Appell hatte die Schriftstellerin Dacia Maraini lanciert, 15 Frauen aus Italiens Kulturszene haben ihn unterschrieben. «So viel ist von Geschlechterdemokratie die Rede. Aber in dieser Hinsicht ist Italien eine sehr unvollständige Demokratie», heisst es in dem Offenen Brief an die 1008 Männer und Frauen, die Ende Januar das neue Staatsoberhaupt wählen sollen.
«Viele Frauen haben sich in vielen öffentlichen Ämtern Wertschätzung und Vertrauen, Bewunderung erworben», betonen die Unterzeichnerinnen. Und diese «vielen Frauen» hätten auch im höchsten Staatsamt das, was dafür nötig sei an «Charisma, Kompetenz und Autorität». (MANNSCHAFT berichtete, dass sich der italienische Populist und Ex-Minister Vincenzo Spadafora kürzlich als schwul geoutet hat.)
Kurzvideo auf Instagram An die Rocksängerin Gianna Nannini als erstes weibliches Staatsoberhaupt Italiens dürften die Unterzeichnerinnen vermutlich nicht gedacht haben. Obwohl an deren Charisma kaum Zweifel besteht. Die 67-jährigen Künstlerin nutze jedenfalls den Augenblick in der öffentlichen Debatte und veröffentlichte auf Instagram ein Kurzvideo. In dem sagt sie: «Ich ergreife die Gelegenheit für eine weibliche Stimme im Präsidentenamt und kandidiere offiziell für das Amt der Staatspräsidentin der Republik Italien.»
Es sind 15 Sekunden, die Nannini im Auto zeigen, die Bildqualität gleicht «einer Blitzautomatenaufnahme», schreibt der Tagesspiegel, der Ton sei «schwach». Deshalb dränge sich die Frage auf: «Ob das ihr Ernst ist?»
Natürlich wäre die Wahl einer Frau wie Nannini ein «klares Zeichen», wie etliche Kommentar*innen schreiben. Sie ergänzen jedoch: «Ebenso klar fehlt ihr allerdings alles, was es auf dem (…) Quirinalshügel in Rom braucht, wo der Präsidentenpalast steht. Dort sitzen seit je politische Köpfe, die erfahren sind in Italiens komplizierter Machtmechanik. Die regelmässigen Regierungswechsel sind zwar, anders als im Ausland wahrgenommen, weniger Krisen denn ein neues Mischen der Machtverhältnisse innerhalb der jeweiligen Koalition.»
Systemkenntnis nötig Um dabei eine entscheidende Rolle in der ersten Reihe der Politik spielen zu können, sei Systemkenntnis wichtig: «Mattarellas Vorgänger Giorgio Napolitano, ein gewiefter Machtpolitiker, streifte sogar die Grenzen der Verfassung. Mattarella selbst musste in seiner siebenjährigen Amtszeit zweimal neue Regierungen in der laufenden Legislaturperiode bilden helfen», merkt die politische Kommentatorin Andrea Dernbach an.
Dennoch berichten viele Medien im In- und Ausland über Nanninis Kandidatur-via-Instagram. Die Künstlerin, die ihre grössten Hits in den 1980er-Jahren hatte, lebt aktuell mit ihrer Ehefrau in London. Als Grund für die Umsiedlung nach England gab Nannini an, dass für den Fall, dass ihr etwas zustossen sollte, ihre Frau keine Chance aufs Sorgerecht für die jetzt 11-jährige Tochter Penelope hätte. Adoptionen in Regenbogenfamilien sind in Italien schwieriger als anderswo (MANNSCHAFT berichtete).
Auch wenn Nanninis Hits länger zurückliegen, ist die Musikerin immer ein Star geblieben und hat sich immer wieder lautstark in Genderdiskussionen eingemischt. Zudem sind viele ihrer Lieder – etwa die Masturbationshymne «America» aus dem frühen Album «California» – hochpolitisch.
Immer für Überraschungen gut 2016 hatte Nannini ihre Autobiografie «Cazzi miei» veröffentlicht, was man als «Mein Scheiss» oder «Meine Sachen» übersetzen könnte, zuvor hatte sie 2005 eine Biografie mit dem Titel «Io» herausgebracht, die auf Deutsch als «Ich» erschien.
Ob Nannini eine reale Chance hat für diesen Einzug in die Politik, muss sich zeigen. «Auch wenn Italiens komplizierte Präsidentenwahlen immer für Überraschungen gut sind: Für die grösstmögliche Überraschung spricht bisher nichts», meint Kommentatorin Dernbach.
Aber für neuen Wind in die Diskussion hat die offen lesbisch lebende Rockerin auf alle Fälle gesorgt. In einem Bewerberumfeld, wo bislang alle anderen Namen «maschi» sind, also männlich. Mit «I Maschi» hatte Nannini schon in den 80ern musikalisch abgerechnet.
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