Neues Gesetz: Ungarn verbietet Informationen über LGBTIQ
Europastaatminister Roth geht davon aus, «dass die EU-Kommission als Hüterin der Verträge hier sehr genau hinschauen wird»
Der LSVD fordert: Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, muss den Rechtstaatsmechanismus der EU endlich gegen Ungarn anwenden.
An diesem Dienstag wurden im ungarischen Parlament mehrere Gesetze geändert. Wie angekündigt (MANNSCHAFT berichtete), werden Informationen über Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit verboten, die für Kinder und Jugendliche zugänglich sein könnten.
Für die Vorlage stimmten am Dienstag 157 Abgeordnete der regierenden rechtsnationalen Fidesz-Partei sowie der rechten Jobbik-Partei, die der Opposition zugerechnet wird. Ein fraktionsloser Linker stimmte dagegen. Die Abgeordneten der linken und liberalen Parteien verliessen vor der Abstimmung aus Protest gegen das Gesetz den Sitzungssaal. Das ungarische Parlament hat 199 Abgeordnete.
Das Gesetz sieht ein Verbot von Büchern, Filmen und anderen Inhaltsträgern vor, die Kindern und Jugendlichen zugänglich sind und in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll jede Art von Werbung verboten werden, in der Homosexuelle oder trans Personen als Teil einer Normalität erscheinen. Kritiker*innen sehen darin die Bemühung, im EU-Land Ungarn eine homofeindliche Zensur nach russischem Vorbild einzuführen.
Die Bestimmungen sind Teil eines Gesetzespakets, das auch strengere Strafbestimmungen für sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vorsieht. Auch die Schaffung eines sogenannten «Pädophilen-Registers» ist darin vorgesehen.
Ein Pädophilen-Register soll kommen
Der Europastaatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), erklärte via Twitter seine «volle Solidarität» mit der LGBTIQ Community in Ungarn. Auf MANNSCHAFT-Anfrage erklärte Roth:
«Das heute im ungarischen Parlament beschlossene Gesetz, das die positive Darstellung von Homosexualität, Transsexualität oder Geschlechtsumwandlung vor Minderjährigen verbietet, ist eine weitere staatliche Diskriminierung von LGBTI-Personen in Ungarn und mit den Grundwerten der EU nicht vereinbar. Ich gehe davon aus, dass die EU-Kommission als Hüterin der Verträge hier sehr genau hinschauen wird. Es muss immer und überall in der EU gewährleistet sein, dass wir ohne Angst verschieden sein können. Viele Ungarinnen und Ungarn setzen sich für ein vielfältiges, inklusives und liberales Land ein, wie die gestrigen Proteste gestern eindrucksvoll gezeigt haben. Die Bundesregierung setzt sich entschieden für die Rechte von LGBTI-Personen ein, in Europa und weltweit.»
Roth hatte letztes Jahr in einem MANNSCHAFT-Gastbeitrag erklärt, warum es ein Irrweg wäre, Ungarn aus der EU werfen.
Alfonso Pantisano, Mitglied im Bundesvorstand des LSVD, erklärte nach der Verabschiedung des Gesetzes: «Dieser weitere unverhohlene Angriff des ungarischen Parlaments auf europäische Grundwerte und Grundrechte muss Folgen haben. Die Möglichkeiten des Dialogs sind ausgeschöpft, nun müssen finanzielle Sanktionen ernsthaft geprüft und dann umgesetzt werden. Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dazu auf, sich und der Europäischen Union nicht länger auf der Nase herumtanzen zu lassen und den Rechtstaatsmechanismus der EU endlich gegen ungarische Regierung anzuwenden.»
Dieser neue Höhepunkt einer Unsichtbarmachung und Entrechtung von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen reihe sich ein in die seit Jahren betriebene systematische Einschränkung von Rechtstaatlichkeiten und Grundfreiheiten, so der LSVD-Mann.
«Das verabschiedete Gesetz verstösst gegen die EU-Grundrechtecharta, die UN-Kinderrechtskonvention, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und widerspricht den Vorhaben der EU-Kommission im Rahmen der LGBTI-Gleichstellungsstrategie.»
Von der Leyen habe versprochen, eine Europäische Union zu schaffen, in der alle Menschen die Freiheit haben, sie selbst zu sein. «Davon ist bislang nichts zu merken. Wann folgen endlich Taten?», so Pantisano.
Ende letzten Jahres erst hatte Orbáns Regierung das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare sowie die Möglichkeit einer Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag verboten (MANNSCHAFT berichtete).
Am Montag waren noch Tausende auf die Strasse gegangen, um gegen das Gesetz zu protestieren (MANNSCHAFT berichtete). Bereits letztes Jahres schrieb Tessa Ganserer (Grüne) in einem Gastbeitrag für MANNSCHAFT, sie sehe einen möglichen Hebel bei den Wirtschaftsbeziehungen zu Ungarn. (mit dpa)
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