Aaron Ramsdale: Arsenals Nr. 1 stellt sich hinter seinen schwulen Bruder
Englands Fussballstar will nicht länger schweigen, was den Umgang mit LGBTIQ betrifft
Der Torwart der englischen Fussballnationalmannschaft, Aaron Ramsdale, hat sich in einem offenen Brief zu seinem schwulen Bruder bekannt und dazu, dass LGBTIQ im Sport anders behandelt werden müssen.
Der 25-Jährige Ramsdale spielt für Arsenal in der Premier League, neben seiner Nationalmannschafttätigkeit. Diese Woche veröffentlichte er einen Text mit der Überschrift «Oh Shut Up, Ramsdale» (dt. «Halt endlich die Klappe, Ramsdale») in The Players Tribune. Darin spricht er ausführlich über sein Familienleben, seine Frau, seine Eltern, seine Erfahrungen im Sport als junger Spieler. Ausserdem spricht er erstmals öffentlich über seinen älteren Bruder Oliver, der als Musicaldarsteller im Londoner West End arbeitet und in «Cats» bzw. in der all-male Version von «HMS Pinafore» von Sasha Regan mitgewirkt hat.
Im Brief heisst es: «Mein Bruder ist schwul, und er hat sein ganzes Leben offen und authentisch gelebt, seit er zuhause ausgezogen ist, um seine Ausbildung zu machen. Ich bin so stolz darauf, ihn meinen Bruder nennen zu dürfen. Ich habe noch nie darüber gesprochen, aber angesichts dessen, was gerade im Fussball passiert, schien es mir wichtig, das zu erwähnen.»
«Oliver ähnelt mir sehr, in vielerlei Hinsicht», heisst es. «Er ist ein ganz normaler Kerl (‹a regular bloke›). Er liebt Fussball. Es macht ihm Spass, mit seinen Freunden rumzukicken. Er liebt die Gunners (die Spieler des FC Arsenal, Anm.). Er ist stolz auf mich, und ich bin echt stolz auf ihn.»
«Zu lange auf die Zunge gebissen» «Im Laufe der Jahre habe ich mir wahrscheinlich zu oft auf die Zunge gebissen – sowohl in der Umkleidekabine als auch in sozialen Medien – wenn ich homophobe Kommentare hörte oder dumme Dinge gesagt wurden», so Ramsdale. «Und ich glaube, mein Bruder hat das auch getan, weil er glaubte, das würde mein Leben einfacher machen. Aber damit ist ab heute Schluss.»
LGBTIQ-Nachrichtenportale schreiben, dass Ramsdales Äusserung so oder so «machtvoll» sei, aber wegen seines Status als Mitglied der englischen Nationalmannschaft und als bekannter Spieler in einem der Top-Männerfussballvereine der Welt, hätten seine Worte «extra Gewicht». Es wird daran erinnert, dass es bislang in der gesamten Geschichte der Premier League nur einen einzigen aktiven schwulen Spieler gab, der ein Coming-out gewagt hat: Justin Fashanu. Das war in den 1990er Jahren und endete tragisch (MANNSCHAFT berichtete).
Es gab zwar zuletzt etliche Coming-outs von professionellen Fussballern – man denke an Josh Cavallo, Zander Murray, Jake Daniels und Collin Martin –, aber in den höchsten Riegen der Männerfussballwelt sieht es bezüglich LGBTIQ-Repräsentation düster aus. Das sei besonders in diesen Tagen der Frauenfussball WM auffällig, wo mehrere LGBTIQ-Spielerinnen dabei sind.
«Ohne Angst vor Beschimpfungen» Ramsdale schreibt, er teile die Geschichte seines Bruders Oliver mit der Welt, um LGBTIQ-Personen überall im Fussball zuzusprechen. «Ich möchte, dass dieser Sport, den ich liebe, ein sicherer und einladender Ort für alle ist. Ich möchte, dass mein Bruder Ollie – oder jeder andere, egal welcher Sexualität, ethnischen Herkunft oder religiösen Zugehörigkeit – zu Spielen kommen kann, ohne Angst vor Beschimpfungen haben zu müssen.»
Die Diskussion um sogenannte Straight Allys hatte in Grossbritannien zuletzt Fahrt aufgenommen, als der für seine LGBTIQ-Unterstützung bekannte Spieler Jordan Henderson nach zwölf Jahren vom FC Liverpool nach Saudi-Arabien zu Al-Ettifaq wechselte, wo sich sein Gehalt verdreifacht haben soll (MANNSCHAFT berichtete). Henderson war ein Unterstützer der Regenbogenarmbindenkampagne, die für mehr Inklusion im Sport warb. Einige seiner ehemaligen Teamkollegen sowie Teile der Öffentlichkeit warfen ihm wegen seines Transfers einen Ausverkauf der Werte vor.
Ramsdales Unterstützung seines Bruder Oliver sei im Vergleich dazu das Gegenteil eines «Ausverkaufs», heisst es.
«Toxische Kommentare» In The Players Tribune erwähnt Ramsdale, dass die Kommentare rund um Fussball in sozialen Medien oftmals «toxisch» seien, auch die Kommentare von so genannten Fussballexpert*innen auf verschiedenen Sportsendern. Für eine Weile habe Ramsdale nach dem Start seiner Karriere alle Notifikationen für Social-Media-Plattformen abgeschaltet, um nicht verrückt davon zu werden.
Es sei niemals eine einfache Sache, sich so zu öffnen, wie er es nun tat, sagt Ramsdale, es gebe dafür auch nie den «richtigen Moment». Er habe den ganzen Sommer über an seinem Statement gearbeitet – mit dem Segen seiner Familie. Er wirbt insgesamt für einen anderen Umgang miteinander im Fussball und schildert im Detail, wie er selbst immer wieder niedergemacht wurde weil er angeblich «anders» sei. Er habe sich davon nicht beirren lassen, weil seine Familie ihn immer unterstützt habe. Doch seien dieser ewige Hass und diese Abwertungen ein Armutszeugnis für den Sport.
Ramsdale sagt am Ende seines Textes: Das nächste Mal, wenn ich eine Siegestrophäe im Emirates Stadium entgegennehme, möchte ich dass mein Bruder neben mir steht. Was werden die Trolle dann wohl sagen? Gar nichts.»
Ramsdale schliesst seinen Brief mit den Worten: «Ich liebe dich, Bruderherz.» Oliver seinerseits schrieb auf Twitter, er sei «ziemlich sprachlos» wegen des Briefs seines Bruder aber auch «tief bewegt». Hinter dieses Statement setzte er ein Herz.
Ein*e Kommentator*in schrieb darunter: «Dein Bruder ist eine absolute Legende und ein durch und durch anständiges menschliches Wesen. Die Verbindung, die ihr habt, ist unglaublich; keiner von euch beiden sollte die unakzeptablen Äusserungen tolerieren müssen, denen ihr ausgesetzt wart.»
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