Extreme Rechte kann Dragqueen-Lesung nicht verhindern

Hunderte Menschen aus der queeren Community Wiens bildeten einen Schutzwall

Foto: Twitter/Emir Dizdarević
Foto: Twitter/Emir Dizdarević

Ein grosser Erfolg für die queere Community in Wien: Die extreme Rechte konnte mit ihrem Aufmarsch die Dragqueen-Lesung nicht verhindern.

Seit 41 Jahren gibt es in Wien die Türkis Rosa Lila Villa, das wichtigste und älteste Zentrum für die queere Community in Österreich. Doch ein solches Polizeiaufgebot hat es in der Geschichte des Hauses noch nie gegeben. Schon um sieben Uhr früh wurde an diesem Sonntag die Strassen um die Gegend für den Verkehr gesperrt. In den Seitengassen standen Dutzende Polizeiautos. Die Anzahl der Polizst*innen war enorm.

Auch der öffentliche Verkehr wurde eingeschränkt. Denn Faschist*innen, Neonazis, rechtsgerichtete Politiker*innen, Identitär*innen und christliche Fundamentalist*innen protestierten gegen die Lesung einer Dragqueen in dem queeren Zentrum. Gleichzeitig rief die queere Community in Österreich auf, zur Villa zu kommen, um eine Schutzzone vor dem Gebäude zu bilden. Denn die Polizei hatte sich geweigert, eine solche Zone einzurichten (MANNSCHAFT berichtete).

Damit war es den Rechten möglich, dass sie mit Polizeischutz vor dem queeren Zentrum eine Kundgebung mit hetzerischen Parolen abhalten konnten.

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Die queere Community war eindeutig in der Überzahl. Bis zum späten Vormittag kamen 600 Personen mit bunten Fahnen und Transparenten, um sich für die Vielfalt einzusetzen und das Gebäude direkt vor Übergriffen der Rechten zu schützen. Auch auf der anderen Seite des Wien-Flusses standen 150 Menschen aus der queeren Community, um für eine offene und tolerante Gesellschaft zu demonstrieren.

Im Laufe des Nachmittags wurden weitere hunderte Personen zu einer Solidaritätsveranstaltung für die Drag-Lesung erwartet.

Im Vergleich dazu war der Zulauf bei den Rechten schwach. Rund 100 Demonstrant*innen waren unter anderem nach Angaben der Austria Presse Agentur (APA) dem Aufruf der rechten FPÖ gefolgt, gegen die Lesung zu protestieren. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp hatte eine Absage der Veranstaltung gefordert, weil so «eine inakzeptable Frühsexualisierung von Kleinkindern» stattfinde.

Österreichs Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) dagegen warb auf Twitter «Für ein Klima der Vielfalt» – samt Bild mit der Dragqueen Candy Licious, der Gewinnerin des Queero-Votings von MANNSCHAFT.

Die Stimmung war teilweise angespant. Die Polizei trennte die Rechten von der queeren Community. Vertreter*innen von Medien, die auf der Seite der Rechten recherchieren wollten, erzählten, dass sie von der Polizei weggeschickt wurden.

Um 10.30 Uhr begannen die Rechten mit hetzerischen Reden. Die Polizei liess diese gewähren. In den sozialen Medien veröffentlichte ein Journalist ein Foto, wonach ein Teilnehmer der rechten Kundgebung die Hand zum Hitler-Gruss erhob. Erst auf Aufforderungen in den sozialen Medien schritt die Polizei ein. Die Polizei teilte auf Twitter mit, dass der Teilnehmer nach dem Verbotsgesetz angezeigt wurde. Die Person sei von der Polizei angehalten worden – und die Amtshandlung sei im Laufen.

Alle Nazis haben kleine Spatzis.

Die queere Community liess sich die Hassparolen der Rechten nicht gefallen und konterte mit Sprechchören wie «Nazis raus» und «Alle Nazis haben kleine Spatzis». Gleichzeitig wurde die Kundgebung der Rechten mit Tanzmusik beschallt. Aus der Villa regnete es Flyer auf die Teilnehmer*innen der rechten Kundgebung. Viele Bewohner*innen der Nachbarhäuser unterstützten die queere Community und hängten bunte Regenbogenfahnen aus den Fenstern. Für Empörung und Unverständnis in der queeren Community sorgte, dass die Polizei die Kundgebung der Rechten so nahe bei der Villa zugelassen hatte. Denn damit konnte das queere Zentrum nicht über den Haupteigang betreten werden.

Die Unterstützung der queeren Community hat sich jedenfalls gelohnt. Denn die Rechten konnte die Lesung der Dragqueen nicht verhindern. Die Personen und die Kinder, die zur Lesung kamen, konnten das queere Zentrum über einen Seitengang erreichen. Der Seitengang wurde von Vertreter*innen der queeren Community gut geschützt. Die Stimmung im queeren Zentrum war gut. Den Kindern hat die Veranstaltung gefallen. Bei der Lesung las eine Dragqueen aus Kindernbüchern zu Themen wie Gleichberechtigung und Toleranz vor.

Grosser Jubel brandete auf, als sich die Dragqueen danach auf dem Baugerüst vor dem Gebäude zeigte. Zahlreiche queere Vereine und Organisationen hatten zum Schutz der Lesung aufgerufen. Die Rechten blieben mit ihren Hassparolen in der Minderheit. «Wir stehen als breites Bündnis gegen diese Attacken und kämpfen für eine von Geschlechterzwängen befreite Gesellschaft», sagt Marty Huber, langjährige*r Villa-Aktivist*in und Mitbegründer*in von Queer Base. «Wir sind überwältigt von der starken Unterstützung und der grossen Solidarität.»

Gegen 13 Uhr waren die Rechten von der Villa abgezogen und zogen mit Polizeischutz durch die Wiener Innenstadt. Auf dem Weg dorhin kam es zu Zwischenfällen. Gegendemonstrant*innen wollten den Marsch der Rechten stoppen, die Polizei setzte Pfefferspray gegen sie ein.

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