ESC-Referendum: Es geht um Homo- und Transphobie, nicht um Kosten
C(r)ash like a phoenix?
Der Eurovision Song Contest kommt 2025 in die Schweiz – doch statt Vorfreude dominiert eine Diskussion über die Kosten. Am Sonntag kommt es in Basel zum Referendum. Ein Kommentar* von Mona Gamie.
Es juckt mich schon seit Mai in den Fingern, darüber zu glossieren, nun habe ich endlich Gelegenheit dazu: Es geht um den Concours Eurovision de la Chanson – auf Neudeutsch besser bekannt als: Eurovision Song Contest.
Aber wider Erwarten möchte ich nicht über den verdienten Sieg Nemos oder von Queerness sprechen – was für mich eigentlich naheliegend gewesen wäre – sondern über Wirtschaft!
Nun kommt der ESC also 2025 in die Schweiz (MANNSCHAFT berichtete). Und man könnte meinen, dass sich die Schweiz, die um ihr Image im Ausland stets so bedacht ist, die Finger danach leckt, einen Anlass auszurichten, den 180 Mio. Zuschauer*innen am TV verfolgen. Doch weit gefehlt: Die mediale Debatte in den ersten Tagen drehte sich vor allem ums Haushälterische: Wer soll das bezahlen?
Ein Aufschrei ging durch Medien und Politik, als davon gesprochen wurde, so ein Anlass koste zwischen 20 und 40 Mio. Franken. Aus dem Kanton Bern kam die Losung: «ESC bleib fern von Bern!» Vom Schweizerischen Innenministerium hiess es: «Eine finanzielle Unterstützung steht zurzeit nicht zur Diskussion.» Und auch in Zürich gab man sich lange betont desinteressiert.
Klar, die Ultra-Rechten und die meisten Rechten im Land waren sowieso gegen den ESC – dass aber die Ablehnung so breit war, erstaunte mich. Nun gut, hinter den Kosten kann man sich verstecken. 20 bis 40 Mio. Franken sind keine Peanuts. So hoch ist nicht mal meine Gage.
Allerdings hat eine Studie gezeigt, dass die Wertschöpfung am ESC 2023 in Liverpool bei 63 Mio. Franken lag. In die Kassen wurde also anderthalb- bis dreimal so viel Geld zurückgespült, wie ausgegeben worden war. Der Werbewert für ein Land liege gar bei 768 Mio. Franken.
Selbst ich als arithmetische Analphabetin verstehe, dass sich so eine Investition lohnt. So werde ich also das Gefühl nicht los, dass die hohen Ausgaben nur ein vorgeschobenes Argument sind. Bei der Schweizer Bewerbung um die Durchführung einer Winterolympiade war die Bundesregierung 2017 nämlich noch bereit, rund eine Mia. Franken auszugeben. Ein ESC kostet nur ein Fünfundzwanzigstel davon.
Könnte es vielleicht daran liegen, dass Wintersport vordergründig heterosexuell – oder wenigstens frei von Paradiesvögeln – ist, während der ESC mit Queerness assoziiert wird? Es scheint, als sei die ablehnende Haltung keiner rein rationalen Abwägung selbsternannter Homines œconomici entsprungen, sondern einer plumpen Homo- und Transphobie – oder mindestens einem Desinteresse für unsere Community.
Und nun habe ich mein Versprechen von Beginn gebrochen: Ich schreibe doch wieder von Queerness. Was lehrt uns das? Dass manche wirtschaftlichen Argumente noch so rational daherkommen können: Manchmal steckt eben doch etwas dahinter, was in Bezug auf die Gesellschaft im Allgemeinen und Queerness im Speziellen tiefer blicken lässt.
Mann, Frau Mona!
Mona Gamie: Dragqueen mit popkulturellem Schalk und nostalgischem Charme. Diven-Expertin, Chansonnière und queere Aktivistin.
[email protected] Illustration: Sascha Düvel
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