«Es wird dieses Jahr keine Silvesterparty im SchwuZ geben»
Im Berliner LGBTIQ-Club wurde seit Freitag, dem 13. März nicht mehr gefeiert
Seit einem halben Jahr ist der grösste deutsche LGBTIQ-Club geschlossen. Und weil die Corona-Pandemie noch nicht überstanden ist, ist so bald nicht mit einer Wiedereröffnung zu rechnen. Wir sprachen mit einem der beiden Geschäftsführer, Marcel Weber, der auch dem Vorstand der Berliner Clubcommission angehört – einem Bündnis aus Club-, Festival- und Kulturveranstalter*innen.
Marcel, Ihr habt einen Kredit bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in Höhe von 300.000 Euro bekommen, dazu kamen Spenden von rund 80.000 Euro aus der Community. Wird trotzdem immer noch für das SchwuZ gespendet? Wir hatten im Spendenbereich verschiedene Säulen, man konnte einfach so spenden – das machen auch immer noch Leute regelmässig. Wir haben ein PayPal-Tool eingesetzt, mit dem man eine monatlich wiederholende Zahlung einstellen kann. Das nutzen einige, andere überweisen einfach so ihren Anteil zum Monatsersten, den sie sonst im SchwuZ verfeiert hätten. Dann hatten wir noch eine Kampagne für Leute, die gerne einen Gegenwert für ihre Spende haben wollten – eine Dienstleistung oder ein T-Shirt. Das ist mittlerweile abgeschlossen.
Appell: Auswirkungen von Corona auf LGBTIQ berücksichtigen!
Clubs gelten nicht als systemrelevant. Aber der Berliner Senat hat der Clubkultur Geld zugesagt. Fühlt Ihr Euch von der Politik mitgenommen und mitgedacht? Jein. Wenn wir schon nicht systemrelevant sind – das mögen ja immer andere beurteilen – dann sind wir aber mindestens freuderelevant. Das ist ja in dieser Zeit auch nicht so unwichtig. Darüberhinaus ist dieses Soforthilfeprogramm IV mit einer ziemlichen Verzögerung gestartet – da kann man auch schon nicht mehr von «Soforthilfe» sprechen.
Wir haben bis heute auch keinen einzigen Cent vom Senat bekommen. Auch wenn es in der Presse anders dargestellt wurde, dass es im Schnitt 81.000 Euro pro Club gäbe. Das stimmt nicht, dazu haben wir als Club Commission auch eine Gegendarstellung veröffentlicht. Es bremsen sich bestimmte Förderprogramme auch gegenseitig aus. Wir haben Geld aus dem Bundeshaushalt bekommen, von den Überbrückungshilfen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) – dieses Programm deckt den selben Zeitraum ab wie das Senatsprogramm. Darum kriegen wir hier nichts. Es gibt ziemliche Schwierigkeiten in der Umsetzung dieser Programme – und da es über verschiedene Senatsverwaltungen in Abstimmung läuft, ist das für die, die davon abhängig sind, Geld zu bekommen, sehr problematisch.
Musstet Ihr Euch von festen Mitarbeitern trennen? Wir mussten uns zum Glück noch von niemandem trennen. Wir haben ja durch die zahlreichen Spenden aus der Community das Glück gehabt, dass wir unsere Leute weiterzahlen konnten. Es gibt ja auch das Kurzarbeiter*innengeld. Aber ein paar Leute, nicht mal jeder Zehnte, haben sich im Laufe der Zeit einen anderen Job gesucht, weil das Kurzarbeiter*innengeld für sie nicht reicht. Gerade Leute, die nachts noch mit Trinkgeld gerechnet haben – für die ist jetzt Ebbe.
Back in Heaven – Schweizer Clubs öffnen wieder
Wie plant Ihr denn gerade die Zukunft? Wenn wir wieder loslegen dürfen, wird nicht wieder gleich alles wie vorher sein. Es wird nur unter bestimmten Bedingungen gehen. Da braucht man auch technische Unterstützung – sei es der Desinfektionsspender, der 300 Euro kostet, den man nicht anfassen muss, sondern nur die Hand drunter hält. Da gibt es ein Hilfsprogramm des Bundes für technische Ausstattung.
Ein anderes Programm hilft bei der Entwicklung neuer Formate. Man braucht aber auch ein Ticket- und Registrierungsprogramm. Die Anbieter wollen Gebühren haben, spätestens wenn du Eintritt nimmst. Am Ende muss der Fehlbetrag gedeckt sein – wir sind ja weiter eine GmbH, wir müssen Leute bezahlen. Und dann machst du vielleicht was, aber es kommt kaum jemand.
Es gibt in NRW Veranstaltungen, kleinere Open-Air-Konzerte mit populärer Musik – da werden nicht mal 200 Tickets verkauft, weil die Leute zurückhaltend sind und Angst haben. Oder in der Schweiz, wo es weitere Beschränkungen fürs Clubs gibt – und wo das «Heaven» jetzt mit maximal 100 Leuten feiern darf. Aber selbst die kriegen sie manchmal nicht zusammen, weil die Leute Sorge um Infektionen haben.
Silvester wird wohl dieses Jahr ausfallen. Es wird keine Silvesterparty geben, auch im Frühjahr können wir nur unter sehr optimistischen Bedingungen wieder öffnen. Das hat viel natürlich mit der Entwicklung der Impfstoffe und der Veränderung von Teststrategien zu tun.
Wie nutzt Ihr in der Zwischenzeit die Räume? Wir machen ab und zu Streamings, probieren Hybrid-Formate für Tagungen aus. 40 Leute sind dann hier, und der Livestream geht ins Netz. Es muss nur immer klar sein: Wir dürfen nicht draufzahlen. Da war vor Corona möglich, einfach mal neue Sachen auszuprobieren. Aber der Kredit, den wir jetzt haben, läuft auch nicht endlos. Die Angebote, die wir schaffen, müssen realistisch sein.
Aber Ihr nutzt die Zeit, das SchwuZ aufzuhübschen. Es gibt eine komplett neue Bar im Eingangsbereich, die wird das grösste Augenmerk sein, wenn wir wieder öffnen. Und wir haben einen fixen Darkroom gebaut. Wie nennen das die Kolleg*innen … «beruhigter Gastbereich» (grinst).
Du bist ja auch immer noch DJ. Träumst du manchmal vom Auflegen? Ich kam noch gar nicht so sehr zum Träumen von einer schönen Zukunft, aber ich habe vor ein paar Wochen, als wir hier DJ-Sets aufgezeichnet haben, auch mal eine Stunde gestanden und aufgelegt. Das war schon sehr schön, aber auch ein bisschen ernüchternd, weil da niemand steht und tanzt oder Feedback gibt. Aber ich hoffe, dass Auflegen auch mal wieder zu meinem Leben gehört.
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