Eheöffnung in der Schweiz: «Was Heteros können, wollen wir auch»
Deborah und Marisa erzählen von ihrem Hochzeitstag
Um sich und ihre Tochter gegenseitig abzusichern, konnten Deborah und Marisa Emery nicht auf die Ehe für alle warten. Sie liessen ihre Partnerschaft eintragen und feierten ihre Hochzeit mit einem grossen Fest. Dabei war es ihnen ein grosses Bedürfnis, der Zeremonie eine persönliche Note zu verleihen.
Deborah und Marisa Emery engagierten sich im Vorfeld der Volksabstimmung zur Ehe für alle (MANNSCHAFT berichtete) und machten ihre Geschichte öffentlich. Nun verraten die beiden, wie sie sich kennen gelernt haben und wie sie ihr Hochzeitsfest feierten.
Für Deborah war schon immer klar: Sollte sie einmal heiraten, dann würde ihr ein Glas guter Wein in ihrer Heimat, den Walliser Bergen, genügen. Marisa Emery hingegen träumte von der grossen Hochzeit am anderen Ende der Welt – an einem Traumstrand in Hawaii.
Dabei nahm alles mit Gemeinsamkeiten seinen Lauf: 2012 wurde Marisa über eine gemeinsame Freundin auf Deborah aufmerksam. Auf Facebook stellte Marisa fest, dass Deborah ebenso gerne und viel reiste sowie Fotografie, Country-Musik und alte amerikanische Autos liebte. Die beiden kamen ins virtuelle Gespräch. Dass beide lesbisch sind, war ihnen erst gar nicht bewusst. «Klar gefiel sie mir auch optisch, aber ich freute mich in erster Linie über eine neue Bekanntschaft mit den gleichen Interessen», erinnert sich Marisa. Als Deborah eine Ex-Freundin erwähnte, rutschte es aus Marisa heraus: «Ich stehe auch auf Frauen!»
Klick beim ersten Augenblick Für das erste Date fuhr Deborah, die damals in Vevey wohnte, mit dem Auto nach Bern. Sie kann sich noch genau daran erinnern, wie sie im Treppenhaus von Marisas Wohnblock auf sie wartete. «Sie kam die Treppe runter und da war es um mich geschehen: Es war Liebe auf den ersten Blick», sagt sie. Marisa ging es ähnlich: «Wir assen in einem Restaurant und quatschten stundenlang, bis sie uns rauswarfen. Dann gingen wir in eine Bar, bis sie uns auch dort vor die Türe stellten.»
Nach zwei Jahren Fernbeziehung kündigte Deborah ihren Job in Vevey und zog mit Marisa in eine Wohnung in der Berner Altstadt. Marisa sprach ihren Wunsch nach einem gemeinsamen Kind an, Deborah hatte sich hingegen nie ernsthafte Gedanken darüber gemacht. «Meine Einstellung war: Ich bin mit einer Frau zusammen, wir dürfen nicht heiraten, wir dürfen nicht adoptieren, wir dürfen kein Kind haben. Das ist nun mal so», erinnert sich Deborah. «Ich stellte mir alles wahnsinnig kompliziert vor.»
Doch je länger, desto mehr schienen diese Hürden gar nicht mehr so unüberwindbar zu sein. Marisa und Deborah lernten andere lesbische Paare kennen, die ihren Kinderwunsch umgesetzt hatten, und informierten sich über die möglichen Formen der Familiengründung. Die beiden wurden Mitglieder des Dachverbands Regenbogenfamilien und entschieden sich schliesslich 2017 für eine private Samenspende.
Am grossen Tag eine Demütigung Die eingetragene Partnerschaft schien dabei das beste Mittel, um sich gegenseitig abzusichern. Ihre Beziehung offiziell zu machen war Deborah und Marisa aber auch aus anderen Gründen wichtig.
«Wir wollten der Welt zeigen, dass wir stolze und extrovertierte Frauen sind.
«Einerseits wollten wir den gleichen Nachnamen tragen, andererseits wollten wir ein Zeichen setzen», sagt Deborah. «Wir wollten der Welt zeigen, dass wir stolze und extrovertierte Frauen sind. Die Heteros sollen realisieren: Das was ihr könnt, wollen wir auch.»
Und so schmiedeten Deborah und Marisa unabhängig voneinander den Plan, einander den Antrag zu machen. Der Zufall wollte es, dass sie dafür denselben Zeitpunkt ausgesucht hatten: Während des Urlaubs auf Mauritius am Strand bei Sonnenuntergang. «Ich weiss, kitschiger hätte es nicht sein können», erinnert sich Marisa lachend. Beide Frauen hatten eine Rede vorbereitet, Ringe organisiert und beim Hotel Champagner kaltstellen lassen. «Schliesslich kam mir aber Deborah zuvor.» Als die Frauen realisierten, was gerade geschehen war, mussten sie nur noch lachen.
Weniger schön hat das Paar den Tag der Eintragung ihrer Partnerschaft im Sommer 2018 in Erinnerung. Deborah und die hochschwangere Marisa standen mit frisch verheirateten Paaren im Park des Schlosses Bümpliz. Da zeigten plötzlich drei Frauen aus einer anderen Hochzeitsgesellschaft mit dem Finger auf sie, machten dumme Sprüche und lachten das Paar aus. «Wäre das im Alltag passiert, wäre ich durchgedreht», erinnert sich Marisa. Da es ihr Hochzeitstag – korrekt ausgedrückt: ihr Eintragungstag – war, versuchte Marisa es zu ignorieren. Doch vergessen konnte sie den Zwischenfall bis heute nicht. «Rückblickend hat es mir den ganzen Tag verdorben. Es zeigte einmal mehr, dass wir als gleichgeschlechtliches Paar nicht akzeptiert waren.»
In der Schweiz unterscheidet sich eine eingetragene Partnerschaft in mehreren Punkten von einer Ehe. Beim Standesamt gibt es für gleichgeschlechtliche Paare keine Trauzeug*innen. Im Gegensatz zu «verheiratet», «geschieden» oder «verwitwet» heissen die Zivilstände für gleichgeschlechtliche Paare «in eingetragener Partnerschaft», «aufgelöste Partnerschaft» oder «durch den Tod aufgelöste Partnerschaft». Da bei eingetragenen Paaren automatisch die Gütertrennung gilt, mussten Deborah und Marisa die Errungenschaftsbeteiligung notariell beglaubigen lassen. Weitere Hürden waren die Stiefkindadoption für die gemeinsame Tochter Leilani sowie eine Namensänderung, damit alle Deborahs Nachnamen tragen konnten. Für alle Verfahren mussten die Emerys mehrere Tausend Franken bezahlen (MANNSCHAFT berichtete). Für eine weitere Überraschung sorgte die erste gemeinsame Steuerrechnung, die einen höheren Betrag anzeigte – die sogenannte «Heiratsstrafe». «Wir hatten nicht die gleichen Rechte wie Ehepaare, die gleichen Pflichten hingegen schon», sagt Marisa.
Beim grossen Fest war schliesslich alles perfekt Für die Emerys war es wichtig, die Eintragung ihrer Partnerschaft gebührend feiern zu können – und zwar als richtige Hochzeit. Nur, wo? Das eingangs erwähnte Dilemma zwischen hawaiianischem Traumstrand und Walliser Bergen konnte nur mit einem Kompromiss gelöst werden. Und wie bei ihrem ersten Kennenlernen war es auch dieses Mal Facebook, das Schicksal spielte. Eine Freundin von Marisa hatte in einer toskanischen Villa geheiratet und die Bilder gepostet. Beim Anblick der von Zypressen gesäumten Landschaft war für beide Frauen sofort klar, dass sie die richtige Location gefunden hatten. Für das kommende Jahr waren nur noch zwei Daten offen und die Emerys griffen sofort zu. Im Nu waren die Save-the-Date-Karten verschickt. Für das grosse Fest wollte Marisa nichts dem Zufall überlassen und übernahm als gelernte Eventplanerin die Organisation der Hochzeit gleich selbst.
Die Braut, die sich nicht traut Um der Zeremonie ganz in ihrem Sinne zu gestalten, brachten sich die Emerys gemeinsam in der Planung ein. Deborah hatte konkrete Vorstellungen von ihrem Auftritt vor der Hochzeitsgesellschaft: auf dem Pferd oder auf einer Harley. «Mir war von Anfang an klar, dass ich den klassischen Ablauf nicht wollte, denn das wäre einfach nicht ich gewesen», sagt sie. Das Vorhandensein eines Gestüts auf dem Anwesen der Villa nahm ihr schliesslich die Entscheidung ab. Deborah gibt zu, dass am grossen Tag viel hätte schief gehen können. Sie konnte zwar reiten, hatte nach der Ankunft in der Toskana jedoch keine Zeit, das Vertrauen des Pferds zu gewinnen. Mit hohen Absätzen und im wallenden weissen Kleid auf den Sattel zu steigen, ist auch für eine geübte Reiterin kein Klacks. «Irgendwie klappte einfach alles», erinnert sie sich. Der Ritt zum Traubogen, wo Marisa mit Tochter Leilani auf dem Arm und die geladenen Gäste bereits warteten, verlief reibungslos, so dass Deborah noch einen Gag einbaute: Sie riss die Zügel herum und machte einen auf «Die Braut, die sich nicht traut» und jagte davon, nur um nach einer Runde wieder zurückzukehren. «Wer mich kennt, weiss, dass das typisch Debbie ist.»
Nachdem sie vom Pferd abgestiegen war und ihr Vater sie zum Traubogen geführt hatte, leitete Marisas bester Freund die Zeremonie. Neben persönlichen Anekdoten aus der Beziehung des Brautpaars hatten beide ihre eigenen Reden vorbereitet. Die persönliche Note zog sich durch den ganzen Abend hindurch. Zwei Freundinnen sangen gemeinsam ein Lied, anschliessend mussten Deborah und Marisa im Hochzeitsspiel «Me or Her» Fragen über ihren Beziehungsalltag beantworten. Trotzdem durften auch traditionelle Elemente nicht fehlen: Es gab eine Tanzeinlage der Gäste, den ersten Hochzeitstanz sowie das Anschneiden der Hochzeitstorte – der Brautstrauss wurde natürlich zwei Mal geworfen.
Marisa ist überzeugt, dass das Organisieren einer Hochzeit im Ausland mehr Vorteile als Nachteile bringt. Ein grosser Pluspunkt sei die Gelegenheit, aus der Feier einen mehrtägigen Event zu machen. Bei den Emerys fand das sogenannte Rehearsal Dinner am ersten Abend, die eigentliche Hochzeit am zweiten Tag und zum Ausklang eine entspannte Pool Party am dritten Tag statt. «Unsere Hochzeit erstreckte sich über drei Tage», sagt sie. Das entlaste das Brautpaar insofern, als es nicht alle Gäste an einem Tag unterhalten müsse. Zudem gebe das Abendessen am ersten Abend der Hochzeitsgesellschaft die Möglichkeit, sich untereinander kennen zu lernen. «Das hat die eigentliche Zeremonie am nächsten Tag gleich viel entspannter gemacht.»
Zwingend sei jedoch, dass man eine Auslandhochzeit früh genug plane und auch ankündige. «Die Save-the-Date-Karten gaben unseren Familien und Freund*innen die Möglichkeit, ihren eigenen Urlaub um unsere Hochzeit herum zu planen», sagt Marisa. Am Ende hatten 80 der 90 geladenen Gäste zugesagt, 70 nahmen bereits am ersten Abend am Probeessen teil – darunter auch Freund*innen aus Australien, den USA und Kanada. «Es war überwältigend, fast alle unsere Liebsten auf diesem malerischen Fleck Erde um uns herum zu haben», ergänzt Marisa. «Schöner hätten wir uns unser Fest nicht vorstellen können.»
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