«Die Verwandtschaft»: Queere Sci-Fi auf der Theaterbühne
Eine von Menschen verachtete Spezies kämpft für Gleichstellung …
Eine phantastische Zeitreise durch die Epochen, eine von Menschen verachtete Spezies und jede Menge spektakuläre Kostüme. Das neue Theaterstück von Christoph Rath heisst «Die Verwandtschaft» und verspricht ein queeres Sci-Fi-Spektakel zu werden.
Am 18. September feiert Christoph Raths «Die Verwandtschaft» im Theater Winkelwiese in Zürich Uraufführung, wofür auf der Brache Guggach eigens ein Zelt aufgebaut wird. Das Theaterstück bringt queere Sci-Fi auf die Bühne und nimmt das Publikum mit auf eine Zeitreise, die in der antiken Hafenstadt Hob beginnt. Vor den Stadtmauern zerfallen turmhohe Giganten unter der Berührung eines Menschen, die mit Blendung bestraft wird. Die Wanderarbeiter Tritzo und Mill machen sich auf die Suche nach Antworten und werden durch ein mehrstimmiges Orakel in die Zukunft der neuen Menschheit geführt. Dort kämpfen die Promethea – eine bestimmte Spezies Mensch – für Gleichstellung mit dem Rest der Menschen. Diese wollen dieses Vorhaben mit allen Mitteln unterbinden.
Dass es sich bei den Promethea um eine Versinnbildlichung der LGBTIQ-Community handelt, liegt auf der Hand. «Im Zentrum des Abends steht auch ein schwuler Liebesplot», verrät Rath gegenüber MANNSCHAFT. Und fügt schmunzelnd hinzu: «Wie immer in meinen Stücken.» Als Vorbilder nennt er etwa den schwulen Sci-Fi-Autor Samuel R. Delany oder Ann Leckie, die in ihrer «Imperial Radch»-Trilogie nur weibliche Pronomen verwendet.
Spätestens als in «Die Verwandtschaft» ein grausames Attentat gegen die Promethea nachgespielt werden soll wird klar, dass Rath massgeblich von einem realen Ereignis bewegt wurde: dem Massaker im LGBTIQ-Club «Pulse» in Orlando (MANNSCHAFT berichtete). Der Theatermacher erzählt, wie Berufskolleg*innen ihm damals ihre Fassungslosigkeit und ihre Verbundenheit ausgedrückt hatten. Rath selbst war vom Attentat zwar tief betroffen, ob der Gewalt gegen LGBTIQ jedoch nicht überrascht. Diesem zwiespältigen Gefühl wollte er beim Schreiben von «Der Verwandtschaft» nachgehen. Für Rath ist es nicht das erste queere Sci-Fi-Theater. 2013 feierte «Memetuum Plex» Premiere (MANNSCHAFT berichtete).
Auf Tournee in Burkina Faso erlebte Rath 2016 ein Attentat hautnah mit. Gemeinsam mit seiner Schauspieltruppe bereitete er sich auf das Openair-Theater vor, als sie in der Ferne Schüsse hörten. Al-Kaida griff ein im Diplomatenkreis und bei weissen Tourist*innen beliebtes Hotel an, 26 Menschen wurden ermordet, 56 verletzt. Die Aufführung wurde abgebrochen, aus Sorge um die Schweizer Schauspieler*innen später gleich die ganze Tournee.
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Es ist aber nicht die Gewalt, die sich durch «Die Verwandtschaft» zieht, sondern mythologische Erzählstränge, phantastische Realitäten sowie das Aufeinandertreffen ausgefallener Charaktere. Für die Kostüme zeichnet sich die Zürcher Dragqueen Milky Diamond verantwortlich. Rath gibt sich bedeckt: «Camp. Das ist das einzige was ich verraten möchte. Die Kostüme werden ziemlich camp.»
Einen Auftritt in «Die Verwandtschaft» hat auch Raths «Fursona»: Wichmesse. (Als «Fursona» bezeichnet man in der Furry-Subkultur das pelzige Alter Ego, Anm. d. Red.) Das pinke Fabelwesen entstand an seinem 40. Geburtstag und ist eine Kombination verschiedener Elemente, die Raths Freund*innen skizziert hatten. Als Wichmesse ist Rath auch ab und an auch in der Öffentlichkeit unterwegs. Der Effekt eines übergrossen rosa Plüschtiers auf der Strasse sei nicht zu unterschätzen. «Leute kommen auf mich zu und wollen mir durchs Fell streichen. So entstehen Gespräche, die sich sonst nicht ergeben würden», sagt er.
Für «Die Verwandtschaft» holt Rath zwei burkinabesische Schauspieler*innen nach Zürich. Aufgrund von Corona erwies sich der Visumsprozess als langwierig, schlussendlich habe es trotzdem geklappt – unter anderem auch, weil Burkina Faso zurzeit nicht als Risikoland gilt. «Burkina Faso ist sehr kulturaffin und ein totales Theaterland», schwärmt Rath. Da das Unterhaltungsangebot beschränkt sei, habe das Theater im Alltagsleben einen grossen Stellenwert. «Da wird auch weitergespielt, wenn mal der Strom ausfällt.»
Rath plant, «Die Verwandtschaft» nach der Uraufführung in Zürich auch in Burkina Faso aufzuführen. Er bereiste das Land bereits mehrmals mit seinem Partner. Für alle Kolleg*innen sei es das erste Mal gewesen, dass sie Zeit mit einem offen schwulen Paar verbrachten. «Homophobie war nie ein Thema», sagt Rath. Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass er und sein Partner als weisse Männer in Burkina Faso vor Ächtung geschützt seien. Homosexuelle Handlungen sind in Burkina Faso zwar legal, jedoch gesellschaftlich stark stigmatisiert (MANNSCHAFT berichtete). Mit den überirdischen Schauplätzen und Sci-Fi-Figuren kann «Die Verwandtschaft» dabei als Vehikel wirken, um Andersartigkeit fernab von Hautfarbe zu thematisieren und zum Nachdenken anzuregen.
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