«Die Ehe für alle kommt – Die Schweiz hat sich verändert!»
Wie ein Exil-Schweizer in Berlin den Abstimmungskampf wahrnimmt
Beni Durrer zählt zu den bekanntesten Visagisten Deutschlands. Der gebürtige Schweizer lebt seit 26 Jahren in Berlin. Hier hat er seinen Mann geheiratet. Dass seine Heimat in zwei Wochen für die Ehe für alle stimmt – dessen ist er sich sicher.
Nun lebt Beni Durrer schon so lange in Berlin – länger als er in der Schweiz gelebt hat. Aber der gebürtige Luzerner trägt sich aktuell mit dem Gedanken, wieder in die Heimat zurückzukehren. Zusammen mit seinem Ehemann René, den er vor drei Jahren geheiratet hat. «Einen waschechten Berlin, den man eigentlich nicht verpflanzen kann», sagt Durrer.
Die Männer haben sich vor drei Jahren über Grindr kennengelernt. Als sie sich das erste Mal leibhaftig trafen, stieg René aus seinem Auto, und Beni dachte: Den werde ich heiraten! Nur fünf Wochen später machte René ihm den Antrag. Von ihrer Hochzeit schwärmen ihre Freund*innen noch heute. Die Wheater Girls kamen und sangen «It’s raining men». Durch seine Arbeit mit Make-up kennt Beni viele Prominente.
Sie verkaufen die Beni Durrer Produkte in die ganze Welt, Make-up, Puder, Wimpernperücken, aber vor allem in die Schweiz und innerhalb Deutschlands. Vor 20 Jahren hat er seine Firma gegründet, damals ging es in der Motzstrasse los, mitten im Regenbogenkiez. Heute hat er seinen Laden in der Pohlstrasse. Vertrieb, Produktion, Make-up-Schule, dazu kam zuletzt noch ein Friseurloft.
Die Pandemie hat vieles verändert. Benis Gatte hat von sich aus vorgeschlagen, Berlin zu verlassen. Das hat mehrere Gründe. Die Steuern in Deutschland sind so hoch, es bleibt nichts übrig, sagt Beni. «Meine Altersvorsorge ist komplett aufgebraucht durch Corona.» Sie hatten mal 36 Mitarbeiter*innen, jetzt sind es nur noch vier. Schon vor der Pandemie mussten sie deutlich reduzieren.
Beni verliess damals die Schweiz, weil sie ihm zu spiessig war. Seine letzten zehn Jahre dort verbrachte er in Bern. «Die waren da so konservativ und kleinkariert. Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Ich war damals schon ein schräger Vogel, ich wollte frei leben.»
Aber heute ist seine Heimat weiter. Was die Abstimmung über die Ehe für alle am 26. Sepember angeht, so ist er optimistisch. «Ich glaube, nach dem, was meine Familie und viele Heterofreunde gesagt haben, das wird ganz klar angenommen. Aber ich habe etwas Angst, wenn ich an die Bergbauern denke. Es gibt immer noch Orte, wo es nicht angekommen ist, dass es auch noch andere lustige Menschen gibt, ausser Heteros.»
Trotzdem ist Beni überzeugt: Die Schweiz hat sich auf jeden Fall verändert, das sei ihm im Sommer wieder aufgefallen, als er am Thunersee war, wo seine Schwester wohnt. In Interlaken gibt es eine Station der Bergbahn und ein Restaurant, da haben sie abends gesessen. «Plötzlich kommen da zwei Jungs rein, um die 20, Hand in Hand! Ich hab gedacht, ich guck nicht recht! Sonst gucken ja immer die Heteros blöd. Das habe ich da auf keinen Fall erwartet, und das fand ich grossartig!»
Dass die Schweiz heute eine andere ist, da sieht er auch daran, dass an einem Haus am Thunersee eine Regenbogenfahne hing. «Das wäre vor 26 Jahren nicht möglich gewesen, jetzt ist es eine Selbstverständlichkeit. Die Schweizer haben aufgeholt!»
Wenn er und sein Mann geschäftlich in Zürich zu tun haben, steigen sie meist im The Dolder Grand an. Beni Durrer ist Make-up-Lieferant des Hotels. Vor Geschäftsabschluss musste er ein 20-seitiges Schriftstück unterschrieben. «Da stand drin, dass niemand in meinem Unternehmen aufgrund seiner Sexualität benachteiligt werden darf – alle Lieferanten mussten das unterschreiben. Das ist doch toll!»
Nachholbedarf sieht er noch beim Schokoladen-Hersteller Läderach. Die Unternehmensfamilie engagiert sich gegen die Ehe für alle und gegen das Recht der Frau auf Abtreibung (MANNSCHAFT berichtete). Mit dem Unternehmer ist Beni in schriftlichem Kontakt.
«Im Sommer hat man es in Berlin gesehen oder in Amsterdam. Dort hat H & M seine Logos mit der Regenbogenfarbe hitnerlegt, ein DHL-Lieferwagen war komplett mit der Regenbogenfahne beklebt. Viele grosse Firmen machen das – und Herr Läderach macht gar nichts.»
Beni fallen sofort ein paar Ansätze für den Schokoladenhersteller ein. «Wie geil wäre das denn: Ein bunte Schokolade mit Smarties drauf, in den Regenbogenfarben. Oder eine Pralinen-Schachtel mit Regenbogenpralinen. Läderach muss sie ja nicht in Dubai in die Schaufenster stellen, auch wenn es schön wäre. Aber in der Schweiz oder in Deutschland – warum macht er das nicht?»
In ihrer Korrespondenz versucht Beni, Läderach zu bearbeiten und aufzuweichen. «Aber er schreibt, er will neutral bleiben.»
Natürlich bekommt er auch in Berlin mit, mit welchen Mitteln die Nein-Seite um Stimmen kämpft. «Meine Heterofreunde schicken wir das immer zu, das Motiv mit dem weinenden Kind zum Beispiel (MANNSCHAFT berichtete). Das ist unfassbar, da kann man nur mit dem Kopf schütteln.»
Er kenne in Berlin viele Regenbogenfamilien. «Den Kindern geht es gut, die haben ein ganz normales gesundes Verhältnis zu ihren schwulen Vätern. Warum auch nicht?»
In ein paar Wochen ist er mit René wieder in der Schweiz, dann wollen sie sich umschauen, wo sie sich demnächst niederlassen. Das hat nicht allein steuerliche Gründe. Sie fühlen sich aber auch nicht mehr wohl in Berlin. «Es ist echt gefährlich geworden hier. Ich bin schon beschimpft und bedroht worden, vor meinem Laden: ‚Ich steche dich ab, du Schwuchtel!’»
Zum Glück ist nichts passiert, aber sie haben die Polizei gerufen. «Aber solange wir kein Messer im Bauch haben, passiert nichts.« Die Polizei kann vorbei kommen und Personalien aufnehmen, aber das war es erstmal, sagt er.
Beni und sein Mann haben sich schon für einen Selbstverteidigungskurs angemeldet. Natürlich hoffen sie, dass sie nie in eine gefährliche Situation kommen, weder in Berlin noch in der Schweiz.
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