«Die Berner Männer ghosteten mich»
Schwule und bisexuelle Männer lassen für die erste Schweizer Ausgabe des queeren Fotografiemagazins Elska die Hüllen fallen
Mit «Elska Bern» erscheint die erste Schweizer Ausgabe des queeren Fotografie-Magazins. Herausgeber Liam Campbell spricht über die Fotoshootings in der Bundesstadt.
Das queere Fotografiemagazin Elska besucht Städte in der ganzen Welt und will die Vielfalt der dortigen schwulen und bisexuellen Männer zeigen. In ihren eigenen Worten erzählen die Männer aus ihrem Leben und wie sie sich mit ihrer Identität auseinandersetzen.
Am 3. Mai erscheint mit «Elska Bern» die erste Schweizer Ausgabe. Herausgeber Liam Campbell besuchte die Hauptstadt im Herbst 2021 und fotografierte die Berner vor verschiedenen Kulissen: in der Altstadt, bei der Aare oder in ihren trauten vier Wänden. Im März 2022 konnten unsere Leser*innen ihre Stimme für ihr Lieblingscover abgeben.
Liam, wie war das Fotografieren der Berner Ausgabe? Ein absolutes Vergnügen! Ich wusste, dass die Schweiz ein schönes Land ist, war aber überwältigt, wie bezaubernd Bern ist. Es war so schön und sauber, dass ich mir die Herausforderung stellte, eine düstere Ecke zu finden (lacht). Mit einer kleinen Unterführung beim Europaplatz gelang mir das auch, aber selbst da war es sehr sauber. Zudem bin ich ich wirklich stolz darauf, dass «Elska Bern» das wohl schönste Cover aller Zeiten hat.
Verlief denn alles reibungslos? Höchstens die Suche nach Teilnehmern – Jungs von Bern –, die mutig genug waren, ihre Körper und Stimmen mit der Welt zu teilen. Viele Berner ghosteten mich, nachdem ich ihnen das Konzept erklärt hatte. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Schliesslich fragte ich jemanden, was los sei, und er sagte mir, dass ihm alles an dem Projekt gefiel, abgesehen von den Nacktfotos. Ich erklärte ihm, dass es jedem selbst überlassen sei, wie viel Haut man zeige. Damit konnte ich ihn und alle die anderen, die mir nicht mehr geantwortet hatten, zum Mitmachen überzeugen.
Ironischerweise haben viele der Jungs, die ich traf, am Ende trotzdem nackt posiert. Sobald der Druck weg und die Stimmung entspannt war, fühlten sich viele wohl, sich offen und verletzlich zu zeigen.
Gibt es ein Model, das dich mit seiner Geschichte besonders berührte? Die Berner Ausgabe enthält hervorragende Texte, darunter sogar einen, den ich zu den Top 5 in der Geschichte von Elska zähle. Eine ziemliche Leistung, wenn man bedenkt, dass bis jetzt fast 600 Geschichten veröffentlicht wurden.
Die Person, die mich am meisten berührt hat, war wohl Julien. Ein Mann, der selbst nach konventionellen Schönheitsidealen wirklich sehr gut aussieht und trotzdem damit zu kämpfen hat, sich selbst attraktiv zu finden. Auch in Person war er wohl der schüchternste und unbeholfenste Mensch, der seit Langem vor mein Kamera trat.
Er erinnerte mich an mich selbst in seinem Alter. Wenn ich mir Fotos von mir aus dieser Zeit ansehe, stelle ich objektiv fest, dass ich gut aussehend war, mich damals aber wie das ekelhafteste Wesen auf dem ganzen Planeten gefühlt hatte. Und obwohl mir alle etwas anderes erzählten, habe ich ihnen nie geglaubt. Ich habe auch Julien zugesprochen. Dass er mir und anderen glauben sollte, wenn sie ihm Komplimente machen. Natürlich ist das nicht so einfach, aber es schadet nie, es jemandem zu sagen. Dennoch glaube ich, dass dieses Fotoshooting ein Schritt vorwärts war, eine Herausforderung, sich seine Schönheit zuzugestehen und ich feiere ihn dafür.
Gibt es etwas in Bern, dass dir überhaupt nicht gefiel? Ich hatte eine so schöne Zeit in der Schweiz, dass ich vor ein paar Wochen mit meinem Mann für unser Jubiläum zurückkehrte. Obwohl mein erster Eindruck war, dass alles zu sauber, zu sicher und vielleicht auch zu langweilig ist, wurde mir bald bewusst, dass daran nichts falsch ist. Solange man gute Leute um sich herum hat, wird man sich nicht langweilen. Ausser sonntags (lacht). Ich hasste die Sonntage in der Schweiz!
Im Zusatzmagazin Elska Ekstra gibt es oft weitere Fotos, Models und auch Einblicke hinter die Kulissen. Veröffentlichst du auch ein Ekstra für Bern? Selbstverständlich! Dort gibt es exklusiv drei Berner zu sehen, da ich im Hauptmagazin einfach zu wenig Seiten für alle zur Verfügung hatte. Darunter ist ein Typ namens Renzo, der mich zu seinem Lieblingsort an der Aare mitgenommen hat. Dann Damian, den ich in Stalden im Emmental fotografiert habe, und Timon, mit dem ich ein paar ziemlich stimmungsvolle Aktfotos mit einem Spiegel und einer Tischlampe gemacht habe.
Letztes Mal sprachen wir über Covid und wie dir die Pandemie das Reisen und die Produktion von Elska erschwerte. Wie sieht deine Situation jetzt aus? Seit unserem letzten Gespräch sind die Dinge definitiv ein bisschen einfacher geworden. Eines meiner Ziele bei Elska ist es, in unseren sechs jährlichen Ausgaben eine geografische Vielfalt zu bieten, aber die Reisebeschränkungen in Asien waren so streng, dass ich seit Beginn der Pandemie kein einziges Land auf diesem Kontinent besuchen konnte. Das hinterliess eine grosse Lücke in meiner Elska-Karte.
Innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Wiedereröffnung des ersten asiatischen Landes –Singapur – habe ich Flüge gebucht und eine Ausgabe dort produziert. Die Ergebnisse werden gegen Ende des Sommers veröffentlicht, aber ich kann schon verraten, dass es wahrscheinlich die sexyeste und freizügigste Ausgabe ist, die wir in Asien je gemacht haben. Singapur macht grosse Schritte im LGBTIQ-Bereich. Die queere Kultur explodiert geradezu! Ich kann es kaum erwarten, an der Ausgabe zu arbeiten und den Abonnent*inen zu zeigen, was wir dort gemacht haben.
«Elska Bern» und «Elska Ekstra Bern» sind ab sofort erhältlich.
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