Deutschland soll Ungarns Botschafter einbestellen
Grund: Der EU-Mitgliedsstaat verbietet es trans und inter Personen, das eigene Geschlecht anzupassen
Am Dienstagnachmittag hat das Parlament in Ungarn das Sammelgesetz verabschiedet, das unter anderem legale Geschlechtsanpassungen verbietet. Die Grünen-Politiker*innen Claudia Roth und Sven Lehmann fordern, der deutsche Aussenminister Heiko Maas (SPD) solle den ungarischen Botschafter einbestellen.
Das Gesetz schreibt vor, dass ein «Geschlecht bei der Geburt» in Ungarn beim Standesamt eingetragen werden muss – mit diesem Gesetz kann das Geschlecht einer Person Zeit ihres Lebens nicht mehr geändert werden. Die rechtliche Existenz von trans und inter Menschen werde hier «praktisch ausgelöscht», so die Bundestagsvizepräsidentin Roth und der queerpolitische Sprecher Lehmann (beide Grüne) in ihrem Brief.
Dem Botschafter müsse klar gemacht werden, dass das verabschiedete Gesetz in «eklatanter Weise» gegen die Werte und Grundrechte der Europäischen Union verstosse. 134 der Abgeordneten stimmten am Dienstag im ungarischen Parlament dafür, 56 waren dagegen, vier Abgeordnete fehlten bei der Abstimmung.
In den Wochen zuvor entwickelte sich unter dem Namen #Drop33 eine grosse Kampagne gegen die Gesetzesvorlage, die sich auf Artikel 33 des Sammelgesetzes bezog und sich mit den gesetzlichen Geschlechtsanpassungen befasste. Die Gesetzesänderung konnte die Kampagne nicht verhindern.
Die LGBTIQ-Organisation Háttér Társaság erklärte noch am Dienstag: «Wir werden den Kampf gegen dieses Gesetz nicht aufgeben. Wir fordern den Präsidenten der Republik, Jándor Áder, auf, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, sondern es dem Verfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen.»
So kooperieren Russland und Ungarn in Sachen Homohass
Schon Anfang April hatte Zsófia A. Szabó von der Trans-Organisation «Prizma Közösség» darauf hingewiesen, dass das Vorhaben der früheren Position des Verfassungsgerichts widerspreche, das sich aus einer Mehrheit der von Fidesz ernannten Richter zusammensetzt, die 2018 einstimmig entschieden hätten: Auch für trans Personen gelten grundlegende Menschenrechte (MANNSCHAFT berichtete).
Rémy Bonny, MANNSCHAFT-Experte für LGBTIQ-Politik in Mittel- und Osteuropa, erklärte nach der Abstimmung: «Die Orbán-Regierung missbraucht offensichtlich die Covid-19-Pandemie, um Richtlinien umzusetzen, die andernfalls zu einem grossen Aufschrei sowohl auf internationaler als auch auf nationaler Ebene führen würden. Lokale Aktivist*innenen sind müde. Sie sind zu Hause eingesperrt und versuchen alles in ihrer Macht stehende, um die rechtsextreme Regierung davon abzuhalten, ihre Rechte zu beschneiden.» Sogar in Russland gebe es bestimmte gesetzliche Bestimmungen für trans und inter Menschen, so Bonny.
«Dies ist eine klare Ansage an Brüssel: Ungarn sieht sich nicht mehr als EU-Mitgliedstaat. Das Land hat sich Ländern wie Russland und Bewegungen wie der amerikanischen Alt-Rechten im Kampf gegen die Gleichstellung angeschlossen. Es ist Zeit für die EU, mutig und entschlossen gegenüber Ungarn aufzutreten.»
Die Begründung für den Änderungsantrag lautete: «Das im Standesamt eingetragene Geschlecht basiert auf Tatsachen, die von Ärzten ermittelt und vom Standesamt angegeben wurden. Das Register bescheinigt die darin enthaltenen Fakten und Rechte, bis das Gegenteil bewiesen ist, und schafft daher keine Rechte.»
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Und weiter: «Das von der Registrierung angegebene Geschlecht kann jedoch Rechte oder Pflichten begründen, weshalb der Begriff des Geburtsgeschlechts definiert werden muss. Da es unmöglich ist, sein biologisches Geschlecht vollständig zu ändern, muss gesetzlich festgelegt werden, dass es auch nicht im Standesamt geändert werden kann.»
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