«Ich war immer wahnsinnig glücklich, dass ich zwei Elternteile habe»
Gefehlt hat David Friedli nie etwas, dank seinen beiden Müttern
David Friedli ist Musiker, Kinderbuchautor und klärt an Schulen zu Mobbing auf. Und er hat zwei Mütter. Dazu kennt der Berner alle Klischees und Vorurteile, aber auch die Antworten darauf.
«Für mich ist es das Normalste auf dieser Welt», sagt David Friedli. «Etwas anderes hatte ich mir auch gar nie gewünscht.» Im Gegensatz zum 25-jährigen Berner sind sich aber fremde Menschen immer wieder sicher, dass es «komisch» ist oder gar «falsch» ist, wenn ein Kind zwei Mütter hat. Solche Kommentare haben sie früher auch gerne bei ihm als Kind platziert.
Seit ich erwachsen bin, kann ich mein Umfeld selbst aussuchen.
Das hat sich inzwischen geändert. Heute lauten die Kommentare eher «das ist schön» oder «hey cool, ich auch». Ob sich die Gesellschaft allerdings wirklich verändert hat, kann David nicht sagen. «Seit ich erwachsen bin, kann ich mein Umfeld selbst aussuchen.» Als Kind war das noch nicht möglich.
In der Schule wurde er gemobbt. Auf den ersten Blick ist das die Bestätigung für die Kritiker*innen. David weist diese Vorstellung schnell zurück. «Die Schuld liegt nicht bei den Kindern oder Eltern in Regenbogenfamilien, sondern bei diesen Personen selbst», erklärt der Berner. Sie würden ihren Kindern diese ablehnende Haltung weitergeben, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Das führe dazu, dass Kinder ihre Mitschüler*innen aufgrund von Dingen mobben, für die sie gar nichts können. Dass queere Jugendliche gehänselt werden, ist hier nicht selten, weiss der Verein sozialwerk.lgbt+ aus der Ostschweiz. Immer wieder würden junge Menschen mit solchen Geschichten zu ihnen kommen (MANNSCHAFT berichtete).
Der Bär und der Steinbock Aus seinen eigenen Erfahrungen hat David das Beste gemacht. Er hat ein Kinderbuch geschrieben. Über Giugiu, das weisse Steinböcklein, das durch seinen Albinismus ganz anders aussieht, als die anderen Steinbockkinder. «Es ist ein Gegenentwurf zum schwarzen Schaf der SVP, das ausgestossen wird, weil es anders ist», erklärt der Berner grinsend.
Giugiu zieht in die Welt hinaus und lernt den jungen Bären Roro kennen und sie werden beste Freunde, obwohl sie vollkommen unterschiedlich sind. Sie sprechen eine andere Sprache, sehen anders aus und haben ganz unterschiedlich Hintergründe. «Ich wollte mit dieser Geschichte eine positive Botschaft aussenden und Trost spenden. Ich will den Kindern vermitteln, dass sie nicht aufgeben, wenn sie gemobbt werden oder etwas nicht gleich funktioniert. Irgendwann kommt alles gut.»
Diese Freundschaft zwischen dem Bär und dem Steinbock, den Wappentieren der Kantone Bern und Graubünden, gibt es auch in der Realität. Der Berner David macht zusammen mit dem Bündner Gino Carigiet als Band «DUS» Musik. Gemeinsam haben die beiden auch Lieder zum Buch geschrieben und Gino hat die Geschichte auf Rätoromanisch übersetzt. Das Buch und die Lieder bieten sie nun Lehrpersonen für den Unterricht an. «Viele Lehrer*innen haben mir gesagt, dass sie lange nach einer solchen Geschichte gesucht haben», erzählt David.
Er gehe auch in die Klasse und erzähle den Kindern von Mobbing, aber auch von Vielfalt und wie sie damit umgehen können. «Wenn nur ein paar Kinder danach nach Hause gehen und ihren Eltern davon erzählen, wie toll diese Vielfalt ist, haben wir schon viel erreicht.» Der 25-Jährige hat sich inzwischen selbstständig gemacht, komponiert Songs für andere Musiker*innen, tritt mit seinen eigenen Bands auf und ist auch als Instrumentalist bei anderen Gruppen dabei.
Vorurteile ohne jemanden überhaupt zu kennen Das Klischee, dass ein Kind bei gleichgeschlechtlichen Eltern selbst homosexuell wird, hat David früher oft gehört. «Ich fand diese Frage so unendlich doof, dass ich eine ebenso doofe Antwort gegeben habe: Nein, ich habe das von meinen Müttern geerbt, deshalb stehe ich auch auf Frauen.» Heute gibt er diese Antwort nicht mehr. «Jetzt denke ich: Und wenn es so wäre, das sollte doch eigentlich gar kein Thema sein.»
«Mir wurde sogar gesagt, dass ich irgendwann genau so abartig und ‹schwul› werde wie meine Eltern», erzählt der Berner kopfschüttelnd. Es ergebe gar keinen Sinn, schliesslich haben die meisten Personen heterosexuelle Eltern. Wenn es genetisch bedingt wäre oder Queerness anerzogen werden könnte, wie diese Aussage suggeriere, dann würde es ja gar keine homosexuellen Menschen geben. «Diese Menschen haben oft keinen Bezug zu queeren Menschen und stellen diese Vermutung einfach auf, ohne die anderen Personen überhaupt zu kennen.»
Diese Erfahrungen haben David gezeigt, wie unfair das Coming-out überhaupt ist. Er musste sich nur wegen einem Klischee erklären, dass er hetero ist. Doch jedes Mal wenn er von seiner Familie erzählte, musste er seine Mütter automatisch als lesbisch outen. «Ich wünschte, dass sich niemand mehr outen müsste, dass es einfach ganz gewöhnlich wäre, wenn Menschen queer sind.»
Unwahre Rollenklischees Auch eine männliche Bezugsperson hat David nie gefehlt: «Ich war immer wahnsinnig glücklich, dass ich zwei Elternteile habe und jederzeit zu ihnen gehen kann, wenn mich etwas bedrückt.» Seinen Vater kennt der 25-Jährige zudem seit seiner Geburt, genauso wie einen Grossvater. Aber auch wenn er diese beiden nicht gehabt hätte, hätte ihm nichts gefehlt. «Das basiert doch nur auf diesen alten Rollenklischees. Meine Mütter haben mir genauso gut zeigen können, wie man einen Hammer hält, etwas zurecht sägt oder wie ich mein Gesicht rasieren kann», sagt David und fährt lachend über seinen schön gestutzten Bart.
Diese Vorurteile und Rollenklischees kennen auch Papa Bjoern und Papi Christian. Das Paar aus Bayern hat nach langem Hin und Her einen Pflegesohn zu sich nehmen dürfen.
«Ich wünsche mir, dass manche heterosexuelle cis Menschen aufhören würden, sich ein Urteil über die Lebensweise anderer anzumassen und sich in deren Leben einzumischen», erklärt David und möchte alle dazu aufrufen, Ja zur Ehe für alle zu stimmen, damit die LGBTIQ-Community genau diese Freiheit in der Lebensgestaltung erhält.
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