«Ein Befreiungsschlag für LGBTIQ Sichtbarkeit, nicht nur in Deutschland»

Parteiübergreifend würdigen queere Politiker*innen das Vermächtnis von Klaus Wowereit

Hans-Ueli Vogt, Luca Renner, Yannick Shetty (v.l.n.r.)
Hans-Ueli Vogt, Luca Renner, Yannick Shetty (v.l.n.r.)

«Ich bin schwul – und das ist auch gut so» – Klaus Wowereit sagte diesen Satz vor 20 Jahren auf einem Sonderparteitag am 10. Juni 2001 vor seiner Nominierung zum SPD-Kandidaten als Regierender Bürgermeister von Berlin. Er regierte Berlin bis 2014.

Sein Coming-out hatte eine Strahlkraft für junge Politiker*innen, auch in Österreich und der Schweiz. Parteiübergreifend würdigen queere Politiker*innen auf Bitten von MANNSCHAFT das Vermächtnis von Klaus Wowereit.

Yannick Shetty (NEOS), Nationalratsabgeordneter „Als Klaus Wowereit sich öffentlich geoutet hat, war ich sechs Jahre alt. Ich wusste natürlich damals nicht, wer dieser Mann war und was das genau zu bedeuten hat. Ich kann mich jedoch noch erinnern, dass in meiner Familie darüber gesprochen wurde. Dies zeigt einerseits, dass dieser Tabubruch Strahlkraft bis nach Österreich hatte und andererseits – aus welchen Gründen auch immer – in meinem sechsjährigen Bewusstsein vermerkt und abgespeichert wurde.

Yannick Shetty (Foto: Facebook)
Yannick Shetty (Foto: Facebook)

Es zeigt auch, wie wichtig Sichtbarkeit für junge Menschen ist. Wenn Politiker*innen und andere Personen des öffentlichen Lebens „out“ sind, schafft das eine Referenz, einen Bezugspunkt oder gar eine Vorbildfunktion für queere Kids und Teens. Gut, dass heute ein solches Outing keine Breaking News mehr wären. Noch besser wäre, wenn die Repräsentanz von LGBTIQ-Menschen in der Politik endlich jener in der Gesamtbevölkerung entsprechen würde. Dafür kämpfen wir!“

Luca Renner, Bundessprecher*in für Die Linke-Queer & Mitglied im ZDF-Fernsehrat Wowereits Coming-out war für mich vor allem ein durch die Presse erzwungenes. Aber auch das Zeichen, dass die sexuelle Identität kein Hindernis ist, um Politik zu machen. Als nicht-binäre Lesbe* wünsche ich mir mehr Vorbilder überall in der Öffentlichkeit und vor allem keine erzwungenen Coming-outs. Sichtbarkeit und Teilhabe müssen überall selbstverständlich sein. Und zwar für alle Teile der Gesellschaft und Community.

Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hält nach der 53. Bambi-Verleihung einen roten Schuh einer unbekannten Dame in der Hand, den er andeutungsweise mit Champagner füllt (Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa)
Berlins damaliger Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit hält nach der 53. Bambi-Verleihung einen roten Schuh einer unbekannten Dame in der Hand, den er andeutungsweise mit Champagner füllt (Foto: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa)

Mario Lindner (SPÖ), Nationalratsabgeordneter und SoHo-Chef  „Im ganzen deutschsprachigen Raum haben wir lange darauf warten müssen, die Community sichtbar und stolz in der Politik zu sehen. Klaus Wowereits „Ich bin schwul und das ist gut so!“ war und bleibt ein Befreiungsschlag für die Sichtbarkeit von LGBTIQ-Personen – nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich. Und das ist enorm wichtig. Denn gerade wenn unsere Community, so wie in den letzten Jahren, mehr und mehr in die Mitte der Gesellschaft rückt, und rechtliche Hürden niedergeschlagen werden, dann muss es um Sichtbarkeit gehen – darum, dass junge queere Menschen nicht nur von der Politik vertreten werden, sondern sich auch in den Gesichtern unserer gewählten Repräsentant*innen wiederfinden können.

Mario Lindner, Vorsitzender der sozialdemokratischen LGBTIQ-Organisation SoHo (Foto: SPÖ)
Mario Lindner ist der Vorsitzende der sozialdemokratischen LGBTIQ-Organisation SoHo (Foto: SPÖ)

Klaus war einer der ersten, der uns das ermöglicht hat und an der Spitze einer weltoffenen Stadt gezeigt hat, was queere Repräsentation bedeutet!“

Hans-Ueli Vogt (SVP), Professor für Wirtschaftsrecht, Nationalrat, Rechtsanwalt Nicht so sehr das Outing, sondern die Aussage „das ist auch gut so“ finde ich bis heute stark. Kein Beklagen gesellschaftlicher Zustände, keine überspannte Idealisierung von Homosexualität, die doch nur Unsicherheit ausdrucken würde. Sondern selbstbewusst hinstehen und keinen Zweifel daran lassen, dass es, um „gut so“ zu sein, ohnehin nicht darauf ankommt, was die anderen denken.

Tessa Ganserer (Grüne), Landtagsabgeordnete und queerpolitische Sprecherin Mit der im November 2000 beschlossenen Eingetragen Lebenspartnerschaft hat die damalige Rot-Grüne Regierung für einen gesellschaftlichen Aufbruch gesorgt. Doch fast noch mehr als dieser politische Erfolg hat der legändere Satz von Klaus Wowert bei meinen schwulen Freunden pure Euphorie ausgelöst. „Ich bin schwul und das ist auch gut so!“ Das war lange vor meinem persönlichen inneren Coming-out, trotzdem hat dieser Satz hat bei mir damals was bewegt. Die allgemeine und bis heute diskutierte Wirkung dieses Satzes zeigt sehr deutlich, wie wichtig Sichtbarkeit und Vorbilder für queere Menschen sind.

Foto: Facebook/Tessa Ganserer
Foto: Facebook/Tessa Ganserer

Alexander Vogt (CDU), Bundesvorsitzender der LSU Das war für die Community ein historischer Moment. Klaus Wowereit hat uns allen mit seinem Coming-out viel Mut gemacht. Und das wirkt bis heute nach, denn sein Ausspruch ist mittlerweile zum geflügelten Wort geworden, den fast jedes Kind kennt. Es wird ohne sichtbare Hemmungen oder Vorbehalte sogar in Zusammenhängen ohne Bezug zu LGBTIQ verwendet, wobei allen, die es nutzen, sein Ursprung ohne Zweifel bekannt ist. Das zeigt mir, welchen Fortschritt unsere Gesellschaft gemacht hat und was ein kurzer Satz von neun einsilbigen Wörtern im kollektiven Gedächtnis einer ganzen Nation bewirken kann.

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