Bundesrat soll wegen Affenpocken «besondere Lage» ausrufen
Pink Cross hat eine Petition gestartet
Pink Cross fordert den Bundesrat auf, wegen der Ausbreitung von Affenpocken sofort die «besondere Lage» auszurufen. Er müsse Impfstoff und Medikamente national beschaffen und schwulen, bisexuellen und queeren Männern ermöglichen, sich zu schützen.
Rund zweieinhalb Monate nach dem ersten Affenpocken-Nachweis in Deutschland sind dem RKI bis Montag insgesamt 2916 Fälle übermittelt worden. In fast allen Fällen handelt es sich um Männer. Bislang seien nur sieben weibliche Fälle ans RKI übertragen worden. Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht erstmals von einer Affenpocken-Infektion bei einem Kind in Pforzheim: Das 4-jährige Mädchen lebt in einem Haushalt mit zwei erwachsenen Infizierten.
«Nach derzeitigem Wissen ist für eine Übertragung des Erregers ein enger Kontakt erforderlich», hiess es weiter. Die Übertragungen erfolgten in erster Linie im Rahmen von sexuellen Aktivitäten. «Soweit bekannt, erkranken die meisten Betroffenen nicht schwer», schreibt das RKI.
Um die Affenpocken zu bekämpfen, gibt es eine sichere Impfung, verlässliche Tests und wirksame Medikamente. In der Schweiz fehlt aber der Zugang zu allen drei Mitteln. Dies im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, in denen schwule, bisexuelle und queere Männer längst Zugang zur wirksamen Impfung und Medikamenten haben. Pink Cross fordert deshalb mit einer Petition den Bundesrat auf, sofort die «besondere Lage» auszurufen, um so Impfstoff und Medikamente national zu beschaffen und die Zulassung voranzutreiben. Auch die Gesundheit von schwulen, bisexuellen und queeren Männern ist schützenswert, so Pink Cross in einer Medienmitteilung am Mittwoch.
Am 21. Mai wurde in der Schweiz der erste Fall von Affenpocken gemeldet. Inzwischen wurden fast 350 Personen positiv getestet (Stand: 9. August), wobei fast ausschliesslich Männer, die Sex mit Männern haben, betroffen sind. Zudem ist die Dunkelziffer hoch, da der Zugang zu Tests sehr eingeschränkt ist. Anders als anfänglich vermutet, sind nicht alle Krankheitsverläufe mild – so tragen diverse Betroffene bleibende Schäden von der Infektion davon und in Europa werden erste Todesfälle von Personen ohne Vorerkrankungen gemeldet (MANNSCHAFT berichtete).
Doch trotz dieser besorgniserregenden Situation und der Ausrufung der internationalen Gesundheitsnotlage durch die WHO (MANNSCHAFT berichtete) ist die Schweiz noch immer keinen Schritt weiter in der Bekämpfung der Affenpocken. So ist der Impfstoff weder zugelassen, noch wird eine Zulassung aktuell geprüft. In vielen anderen europäischen Ländern, der USA und Kanada werden schwule, bisexuelle und queere Männer längst unkompliziert geimpft, meist kostenlos und ohne Anmeldung.
«Es ist unklar, ob die Behörden lediglich im Bürokratie-Sumpf stecken oder ob die Gesundheit von schwulen, bisexuellen und queeren Männern tatsächlich keine Priorität hat. Wichtig ist, dass nun endlich gehandelt wird. Der Bundesrat muss unverzüglich die «besondere Lage» ausrufen und die Zügel in die Hand nehmen!», fordert Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross.
Laut Epidemiengesetz gibt es für die besondere Lage zwei alternative Szenario: Wenn die ordentlichen Vollzugsorgane nicht in der Lage sind, geeignete Massnahmen zu ergreifen und eine erhöhte Ansteckungs- und Ausbreitungsgefahr oder eine besondere Gefährdung der öffentlichen Gesundheit vorliegt.
In der Schweiz seien aktuell beide Szenarien gegeben, so Pink Cross. So seien beispielsweise den Kantonen bei der Beschaffung des Impfstoffes aktuell die Hände gebunden (siehe Beispiel Zürich), da die Herstellerfirmen nur grosse Mengen lieferten, was eine zentrale Beschaffung durch den Bund notwendig mache.
Die Schweiz hat eines der besten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt – es ist absolut unverständlich, dass schwule, bisexuelle und queere Männer weiterhin gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werden.
Heggli erläutert, weshalb die «besondere Lage» nun notwendig ist: «Seit fast drei Monaten sind die Gesundheitsorganisationen der Community im engen Austausch mit dem BAG. Gebracht hat das bisher wenig. Pink Cross startet deshalb eine Petition, denn der Bundesrat muss jetzt handeln! Die Schweiz hat eines der besten und teuersten Gesundheitssysteme der Welt – es ist absolut unverständlich, dass schwule, bisexuelle und queere Männer weiterhin gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werden, gegen die es eine Impfung und Medikamente geben würde!»
Affenpocken werden über engen Körperkontakt und somit auch beim Sex übertragen. Weshalb aktuell fast ausschliesslich Männer, die Sex mit Männern haben, betroffen sind, ist nicht abschliessend geklärt. In der Schweiz haben laut Pink Cross ungefähr 80’000 Männer sporadisch oder regelmässig Sex mit anderen Männern. Nicht alle definieren sich als schwul oder bisexuell. Es muss davon ausgegangen werden, dass demnächst auch weitere Teile der Gesellschaft von Affenpocken betroffen sind.
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