Bauch­gefühl und Back­ground­check: 8 Tipps für sichereres Online­dating

So kannst du dich schützen

Bild: iStockphoto
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In der Schweiz und Deutschland gab es zuletzt immer wieder Überfälle in Verbindung mit schwulen Dating-Apps. Täter nutzen sie, um queere Männer zu überfallen und auszurauben. So kannst du dich besser schützen.

Schwule, bisexuelle und queere Männer lernen sich heute primär online kennen. Dating-Apps und Social-Media-Plattformen haben die klassischen Orte verdrängt, die jahrzehntelang die zentralen Treffpunkte der Community waren: Bars, Clubs, Saunen oder Cruising-Orte.

Wer als Mann andere Männer für Freundschaft, Liebe und/oder Sex sucht, greift heute im meisten Fall zum Handy. Wer frisch geoutet ist und keine anderen queeren Männer kennt, findet am ehesten Anschluss über das Internet.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass mit diesem Artikel keine Panik geschürt wird. Bei Dating-Apps handelt es sich nach wie vor um eine überwiegend sichere Möglichkeit, Gleichgesinnte kennen zu lernen.

Vereinzelte Fälle in der Schweiz Im Dezember 2023 informierte die Kantonspolizei Waadt in einer Medienmitteilung über Betroffene, die über Dating-Plattformen wie «Gayromeo» und «Hunqz» Kontakt zu unbekannten Männern hatten und von diesen – mutmasslich bei einer Massage – betäubt und anschliessend bestohlen wurden (MANNSCHAFT berichtete).

Die Täter nutzten gefälschte Profile und besuchten ihre Opfer bei ihnen zu Hause. Dort betäubten sie sie, unter anderem mit der Droge GHB – auch als Liquid Ecstasy bekannt. Die Kantonspolizei Waadt rief auf, bei spontanen Dates vorsichtig zu sein und bat Betroffene solcher Fälle, sich bei der Polizei zu melden. Im Zuge der Ermittlungen wurden zwei Verdächtige im Alter von 27 und 41 Jahren im Ausland festgenommen.

Insgesamt elf solche Fälle wurden in den Kantonen Bern, Basel-­Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Waadt, Zug und Zürich verübt, sechs weitere in den Nachbarkantonen. «Diese Fälle machen uns tief betroffen. Es ist wichtig und richtig, dass die Polizei diese Übergriffe ernst nimmt und aktiv dazu kommuniziert», erklärte Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross im Dezember.

Denn die Opfer müssen bei der Polizei ihre sexuelle Orientierung und die Nutzung von Dating-Seiten offenlegen, was häufig mit Scham und Angst vor Diskriminierung verbunden ist

Die Zusammenarbeit zwischen Polizei, Organisationen und Community sei in solchen Fällen unerlässlich: «Denn die Opfer müssen bei der Polizei ihre sexuelle Orientierung und die Nutzung von Dating-Seiten offenlegen, was häufig mit Scham und Angst vor Diskriminierung verbunden ist.» Pink Cross betont, dass solche Übergriffe kein neues Phänomen seien und aus Angst vor Diskriminierung oft in einer Dunkelziffer enden. «Umso wichtiger ist es, den Opfern eine besonders umsichtige Opferbetreuung garantieren zu können», so Heggli.

Illustration: Julian Litschko
Illustration: Julian Litschko

Mehrere Fälle auch in Deutschland Im Februar meldete die Landespolizei Schleswig-Holstein mehrere Fälle von Gewalt, bei denen es die Täter offenbar gezielt auf Männer, die mit Männern Sex haben (MSM), abgesehen hätten (MANNSCHAFT berichtete). Demnach werden männliche Opfer in solchen Fällen etwa in den frühen Abendstunden auf ein abgelegenes Gelände gelockt, wo sie auf den oder die Täter treffen. Die Opfer werden den Angaben zufolge geschlagen, getreten oder sogar mit einem Messer oder Schlagstock bedroht. Auch werden ihnen Bargeld und Wertgegenstände abgenommen.

Zuvor habe es in diesen Fällen eine Verabredung zwischen Opfer und Täter über eine Dating-Plattform gegeben, die zu den bekanntesten für homo- und bisexuelle Männer zählt. Im Gegensatz zur Polizei in der Schweiz wolle man keine näheren Angaben zur Website machen, damit es zu keiner negativen Werbung komme.

Nach meiner Erfahrung gibt es ein grosses Dunkelfeld

Tim Jänke, Landespolizei

«Wir haben für Schleswig-Holstein keine Zahlen zu diesem speziellen modus operandi. Nach meiner Erfahrung gibt es aber ein grosses Dunkelfeld», sagte Tim Jänke, die Ansprechperson für LGBTIQ bei der Landespolizei. Durch den Austausch mit anderen LGBTIQ-Ansprechstellen wisse man auch von Taten, die so oder ähnlich in anderen Bundesländern stattfänden.

Die Taten zielen Jänke zufolge vermutlich bewusst auf schwule und bi Männer ab: «Die Täter machen sich zunutze, dass ihre Opfer aus Scham und aus Angst vor einem Coming-out nicht zur Polizei gehen.» Das Ausmass der Gewaltanwendung könnte zudem auf eine Hassmotivation aufseiten der Täter hinweisen, hiess es.

Die Landespolizei Schleswig-Holstein will ihre Beamt*innen künftig für schwere Raubtaten sensibilisieren, bei denen es die Täter offenbar gezielt auf MSM abgesehen haben. Bei diesen Fällen in Deutschland und der Schweiz handelt es sich um jeweils vereinzelte und isolierte Taten. Es gibt keinen Grund, auf Dating-Plattformen zu verzichten. Um deine Sicherheit im virtuellen Raum zu erhöhen, haben wir dir auf der folgendend ein paar Tipps zusammengestellt:

Illustration: Julian Litschko
Illustration: Julian Litschko

8 Tipps für sichereres Onlinedating

1. Schütze deine Privatsphäre Teile nicht sofort persönliche Informationen wie deine genaue Adresse, deine Telefonnummer oder deinen Arbeitsplatz. Sei dir bewusst, dass Apps wie Grindr und Snapchat auf Geolokalisierung beruhen, die dich aufgrund deiner Entfernung in Metern zu anderen Usern oder deinen Standort auf einer Karte anzeigen.

Mach dir mit den Einstellungen der Apps vertraut. Je nach Plattform kannst du deine Privatsphäre mit gewissen Funktionen besser schützen. Einige Apps bieten einen Inkognito-Modus an, mit dem du deine virtuellen Fussabdrücke besser verwischen kannst.

2. Gib mit Bildern nicht ungewollte Informationen preis Wer auf der Suche nach Sex ist, möchte schnell einmal Nacktfotos sehen. Wenn du dich an die allgemeine Faustregel hältst, dass du dein Gesicht nicht auf Dickpics und anderen Nackfotos zeigst, bist du auf der sicheren Seite. Achte auch darauf, dass deine Bilder keine versteckten Hinweise auf deinen Wohn- oder Arbeitsort liefern.

Diese können sich auch in der Datei befinden: Sogenannte EXIF-Metadaten verraten den genauen Standort und das Datum der Aufnahme sowie das Gerät, mit dem das Foto gemacht wurde. Am Computer kannst du dir die EXIF-Daten in den Dateiinformationen anzeigen lassen.

Tipp: Gewisse Nachrichtendienste wie Signal entfernen beim Versand eines Bildes automatisch die Bildinformationen. Mit der Funktion «Notiz an mich» kannst du dir selbst ein Bild zuschicken. Übrigens: Mit einer Rückwartssuche bei Google können andere herausfinden, wo du dein Bild sonst noch hochgeladen hast.

3. Mach einen Videoanruf Gleich die Videokamera mit einer fremden Person zu teilen, setzt etwas Überwindung voraus – bietet aber Vorteile. Erstens siehst du gleich, ob die Person so aussieht wie auf ihren Bildern. Zweitens erkennt ihr auch in einem kurzen Austausch, ob ihr auf der gleichen Wellenlänge seid. Falls die Stimmung seltsam ist oder die Person nicht wirklich Interesse an dir zeigt, ist es vielleicht besser, sich gar nicht erst live zu treffen.

4. Mach einen Background-Check Wir sprechen hier von einer gründlichen Prüfung und einem Auszug aus dem Strafregister. Nein, im Ernst: Nimm dir das Profil deines Dates genauer unter die Lupe. Was verrät die Person über sich? Scheint sie Teil der queeren Community zu sein? Frag dein Date nach seinen Social-Media-Profilen. Damit kannst du die Authentizität seiner Bilder überprüfen und kriegst einen Eindruck seiner Persönlichkeit.

5. Triff dich an einem sicheren Ort Lade niemanden zu dir nach Hause ein, dem du nicht vertraust. Triff dich an gut beleuchteten, belebten Plätzen wie Cafés oder Restaurants –, besonders bei den ersten Treffen. Vermeide abgelegene Orte. An dieser Stelle muss jedoch erwähnt werden, dass einige LGBTIQ-Personen sich nicht gerne in der Öffentlichkeit treffen möchten.

Vielleicht wohnen sie nicht in einer queer-freundlichen Umgebung oder möchten nicht als queere Person wahrgenommen werden. Frag sie nach ihren Beweggründen, falls sie dich lieber bei sich zu Hause oder an einem abgelegenen Ort treffen möchten. Wenn es sich wirklich um die vorhin erwähnten Befürchtungen handelt und du ihnen traust, kannst du immer noch entscheiden, ob du sie trotzdem treffen möchtest.

Hast du Gewalt erfahren?

Wenn du dich in einer akuten Notlage befindest oder unmittelbar Opfer von LGBTIQ-feindlicher Gewalt geworden bist, dann kontaktiere die Polizei. Wähle die Nummer 110 in Deutschland, 117 in der Schweiz und in Österreich 133. Europaweit gilt der Euronotruf 112.

Hast du ein Hate Crime erlebt, gehört oder gesehen? LGBTIQ-Meldestellen sind auf Beratung spezialisiert und führen Statistiken. Diese sind besonders in denjenigen Orten von Bedeutung, in denen LGBTIQ-feindliche Gewalt nicht erfasst wird. In NRW und Wien sind solche Meldestellen zurzeit in Planung.

Deutschland Berlin: maneo.de Bayern: strong-community.de Sachsen-Anhalt: dimsa.lgbt

Schweiz lgbtiq-helpline.ch

6. Informiere eine dir nahestehende Person, wohin du gehst Informiere eine Person, der du vertraust, wohin du gehst, mit wem du dich triffst und wann du wieder zuhause sein wirst. Gib allenfalls temporär deinen Standort auf einer Messenger-App (wie beispielsweise Whatsapp) frei. Eine fremde Person für ein Treffen oder ein Sexdate zu treffen, gilt für viele noch als Tabu.

Falls du nicht geoutet bist oder keine Person hast, der du diese Informationen anvertrauen möchtest, empfiehlt sich die Installation einer Notfall-App. Apps wie beispielsweise «Echo SOS» sind weltweit einsetzbar. Sie zeigt Notrufnummern und die nächstgelegene Notfallstation an und ermöglicht einen Notruf mit Standortübermittlung. Sorge dafür, dass dein Handy aufgeladen und bei Bedarf griffbereit ist, und mach dir im Voraus Gedanken, wie du in einem Notfall handeln würdest.

7. Sprich über deine Erwartungen und setze Grenzen Einige dich mit deinem Date über eure Erwartungen an das Treffen und setze Grenzen. Sei dir bewusst, dass du während des Dates deine Meinung auch ändern und «Nein» sagen darfst, wenn dir beim Date nicht mehr wohl ist. Dein Gegenüber hat das zu respektieren.

8. Vertraue deinem Bauchgefühl Selbst, wenn du diese Tipps befolgst und alles im grünen Bereich scheint, kann es immer noch sein, dass dir mulmig ist. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt oder dir bei einem Treffen nicht ganz wohl ist, dann sag das Date ab oder verschiebe es. Am Ende zählt dein Bauchgefühl.

Überlege dir, was du benötigst, damit du mit einem guten Gewissen mit diesem Fremden intim werden kannst. Manchmal braucht es nur etwas Zeit, um Vertrauen in eine Onlinebekanntschaft aufzubauen. Wenn dein Date dafür kein Verständnis zeigt, war es ohnehin die richtige Entscheidung, es abzusagen.

Diese Tipps wurden in Zusammenarbeit mit Pink Cross, der Schweizer Dachorganisation für schwule und bi Männer, erarbeitet.

Lauren John Joseph hat sich einen Namen als nicht-binäre*r Perfomance-Künstler*in, Autor*in und Journalist*in gemacht. Joseph ist mit Solo-Theaterstücken auf der ganzen Welt aufgetreten, diverse Preise gewonnen. «Wo wir uns berühren» ist das Roman-Debüt (zum Interview auf MANNSCHAFT+).

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