Therese Giehse: Schauspielerin, Exilantin, lesbische Ikone

Barbara Yelin verwandelt die Biografie der Künstlerin in eine Graphic Novel

Szene aus «Die Giehse» von Barbara Yelin
Szene aus «Die Giehse» von Barbara Yelin (Bild: Reprodukt Verlag)

Vor 50 Jahren starb Therese Giehse, eine der herausragendsten deutschen Schauspielerinnen des 20. Jahrhunderts. Sie prägte Theater und Film, war auf Bühnen von Bertolt Brecht bis Friedrich Dürrenmatt präsent und engagierte sich politisch gegen Nationalsozialismus und Krieg.

Ende der 1920er-Jahre war Giehse bereits ein Star der Münchner Kammerspiele. Als linke, jüdische und queere Frau floh sie 1933 vor dem Nationalsozialismus in die Schweiz. Von dort aus setzte sie ihre Karriere fort und kommentierte das Weltgeschehen auf der Bühne – mal dramatisch, mal satirisch, immer überbordend und unübersehbar.

Giehse spielte Hauptrollen in den Uraufführungen von Brechts «Mutter Courage und ihre Kinder» und Dürrenmatts «Der Besuch der alten Dame». Gemeinsam mit Erika und Klaus Mann gründete sie das politische Kabarett «Die Pfeffermühle». Auch im Film war sie erfolgreich, unter anderem in Produktionen des französischen Regisseurs Louis Malle.

Ein Porträt in Bildern Barbara Yelin erzählt jetzt Giehses Leben in Graphic-Novel-Form, in Ausschnitten und Rückblicken. Mit lebendigem, mal suchendem, mal plakativem Strich und nuancierten Farben sowie vielstimmigen Dialogen vermittelt Yelin die Energie und Präsenz der Schauspielerin. Ihr Comic fängt die Unmittelbarkeit eines Bühnenstücks ein und erlaubt einen intensiven Einblick in Giehses Leben und Wirken.

Zwischen Öffentlichkeit und Geheimnis Yelin respektiert Giehses Bedürfnis nach Privatheit. Während Erika Mann oft als Lebensgefährtin Giehses gilt, lässt Yelins Darstellung offen, wie eng die Freundschaft der beiden Frauen genau war. Ebenso bleibt die Beziehung zwischen Giehse und Marianne Hoppe, die sie nach dem Krieg kennenlernte, bewusst vage.

Das Cover von «Die Giehse» von Barbara Yelin
Das Cover von «Die Giehse» von Barbara Yelin (Bild: Reprodukt Verlag)

Dass Giehse lesbisch war steht ausser Frage. Während des Kriegs heiratete sie den schwulen englischen Autor John Hampson, um an einen britischen Pass zu gelangen. Diese Facetten ihres Lebens werden in der Graphic Novel im Vorwort offen thematisiert: «Dass ihr Leben und ihre Identität seit der Kindheit durch Verfolgung, Ausschluss und Tod bedroht war, als Frau und als politisch aktive, jüdische, lesbische Person, muss ihr tief eingeprägt haben, dass jedes Sprechen über sich selbst sie gefährden konnte.» Weiter schreibt Yelin: «Eine andere Erklärung ist, dass sie ihre eigene Person einfach überhaupt nicht wichtig nahm.»

LGBTIQ-Biografie für die neue Generation Auch wenn die lesbische Seite von Giehses Leben im Buch nicht durch Bilder dargestellt wird, unternimmt die Graphic Novel den Versuch, eine zentrale LGBTIQ-Biografie des 20. Jahrhunderts aufzubereiten und für eine neue Generation zugänglich zu machen. Gezielt gesetzte Stichworte führen Interessierte mühelos zu weiterführenden Quellen. Und das kann man dann schon beachtlich finden.

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