12 Monate ohne Sex: Kritik an neuer Blutspende-Richtlinie für MSM
Nach einer neu formulierten Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen schwule und bisexuelle Männer fortan zur Blutspende zugelassen, sofern sie ein Jahr keinen Sex hatten. Unter derselben Voraussetzung sollen auch Sexarbeiter Blut spenden dürfen. Wörtlich heißt es in der Gesamtnovelle 2017 der Richtlinie Hämotherapie, die seit vergangener Woche online nachzulesen ist:
„Zeitlich begrenzt von der Spende zurückzustellen sind Personen, deren Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere Infektionskrankheiten, wie HBV, HCV oder HIV, bergen, für 12 Monate.“ Dies gelte für Heteros mit häufig wechselnden Partnern und für „Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben (MSM)“ sowie „transsexuelle Personen mit sexuellem Risikoverhalten“.
Bundesärztekammer setzt auf „sichere Versorgung“
Auf eine Nachfrage der MANNSCHAFT verweist die Bundesärztekammer darauf, dass sie im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut als zuständiger Bundesoberbehörde zum Ziel habe, für eine „sichere Versorgung der Blutspender ebenso wie der auf Blutprodukte angewiesenen Patienten“ zu sorgen. Demnach führe „eine Zulassung zur Blutspende zwölf Monate nach Beendigung des sexuellen Risikoverhaltens nicht zu einer Erhöhung des Risikos für die Empfänger von Blut und Blutprodukten“. Auf unsere Frage, ob man durch die neue Regelung eine Zunahme der Spender erwarte, heißt es nur: Aus Ländern, die von einem Ausschluss von Personen mit sexuellem Risikoverhalten auf eine zeitlich befristete Rückstellung umgestellt haben, lägen der Bundesärztekammer keine Daten zu „Auswirkungen auf die Blutspendefrequenz“ vor.
[perfectpullquote align=“full“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Eine HIV-Infektion kann man sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen. Diese Frist wäre nachvollziehbar.[/perfectpullquote] Zur Lockerung des pauschalen Ausschlusses von der Blutspende erklärt Björn Beck vom Vorstand der Deutschen AIDS-Hilfe:
„Die neue Regelung geht nicht weit genug. Eine HIV-Infektion kann man heute sechs Wochen nach dem letzten Risiko sicher ausschließen. Diese Frist wäre nachvollziehbar. Eine Frist von einem Jahr schließt die meisten schwulen und bisexuellen Männer weiterhin unnötig von der Blutspende aus. Das ist nicht mehr als Kosmetik und eine Unverschämtheit.“ Nicht akzeptabel und „völlig unverständlich“, so DAH-Vorstand Beck weiter, sei zudem die gesonderte Nennung von „transsexuellen Personen mit sexuellem Risikoverhalten“.
Der Lesben- und Schwulenverband LSVD nennt die Verfasser der Richtlinie „vorurteilsbehaftet“. So komme es bei Heteros nicht auf die wechselnden Sexpartner an, sondern darauf, ob der Kontakt safe oder unsafe sei. LSVD-Sprecher Axel Hochrein zufolge sei das Papier der Bundesärztekammer wissenschaftlich „nicht haltbar“. Dagegen bezeichnete Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt die überarbeitete Richtlinie als „ein Beispiel für die fachliche Kompetenz und Handlungsfähigkeit der ärztlichen Selbstverwaltung“.
Der Europäische Gerichtshof hatte 2015 geurteilt, dass ein Ausschluss von Schwulen bei der Blutspende zwar gerechtfertigt sein könnte. Allerdings sei zu klären, ob es keine geeigneten Alternativen zu einem Verbot gebe – etwa wirksame Testmethoden für Blutspenden oder eine genaue Befragung des Spenders zu seinem Sexualverhalten.
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