36 % mehr registrierte Fälle von Hasskriminalität gegen LGBTIQ
Politisch motivierte Straftaten haben im vergangenen Jahr insgesamt einen Höchststand erreicht
Im vergangenen Jahr wurden in Deuschland 782 hassmotivierte Straftaten gegen Queers registriert – ein Anstieg von 36%. Der LSVD fordert: LGBTIQ-feindliche Hasskriminalität gehört auf innenpolitische Agenda.
An diesem Dienstag hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Zahlen zur Politisch-Motivierten Kriminalität für 2020 vorgestellt. Danach gab es insgesamt 782 Straftaten (154 Gewalttaten), die sich gegen die sexuelle Orientierung bzw. gegen das Geschlecht/sexuelle Identität von Menschen richtete. Das ist ein Anstieg bei der Hasskriminalität gegen LGBTIQ von 36% gegenüber 2019.
«Tagtäglich werden in Deutschland Menschen angepöbelt, bedroht und angegriffen, weil die Täter*innen ihren Hass auf Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans und inter Menschen in Gewalt ausleben», erklärt Alfonso Pantisano, Mitglied im LSVD-Bundesvorstand. «Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) fordert die Einsetzung einer unabhängigen Expert*innenkommission durch die Bundesregierung. Diese soll eine systematische Bestandsaufnahme aller Erscheinungsformen von LGBTIQ-Feindlichkeit und damit verbundener Hasskriminalität erarbeiten sowie Empfehlungen für einen Nationalen Aktionsplan entwickeln. Bestandteil dieses Aktionsplans muss ein Bund-Länder-Programm gegen LGBTIQ-feindliche Gewalt sein.»
Bislang sei die Bundesregierung bei der realen rechtsstaatlichen Bekämpfung von LGBTIQ-feindlicher Hasskriminalität ein «Totalausfall». Seit Jahren weigere sich die Grosse Koalition, bei der von ihr eingeführten Bestimmung zur Hasskriminalität im deutschen Strafrecht homophobe und transfeindliche Motive im Gesetz ausdrücklich zu benennen. Zuletzt ignorierte Bundesjustizministerin Lambrecht diese Forderung im Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, so Pantisano.
Seit 1954 gibt es zudem die Innenministerkonferenz als ständige Einrichtung. Noch nie stand auf einer dieser Innenministerkonferenzen homophobe oder transfeindliche Gewalt als Besprechungspunkt auf der Tagesordnung. In dem EU-Survey berichten 13% der über 16.000 Befragten aus Deutschland, dass sie in den letzten fünf Jahren gewalttätig angegriffen wurden, weil sie LGBTIQ sind. «Angesichts solcher Zahlen ist diese Ignoranz unfassbar. Der Kampf gegen LGBTIQ-feindliche Gewalt muss endlich ihren angemessenen Stellenwert in der deutschen Kriminalpolitik, bei Erfassung, Prävention und Strafverfolgung erhalten», fordert der LSVD.
Laut Bundesinnenministerium wurden für 2020 insgesamt 204 Straftaten, davon 40 Gewaltdelikte im Unterthemenfeld «Geschlecht/sexuelle Identität» registriert. Damit sind transphob motivierte Taten gemeint. Im Unterthemenfeld «Sexuelle Orientierung» wurden insgesamt 578 Straftaten, davon 114 Gewalttaten registriert. Diese Taten gelten als homophob motiviert. Insgesamt wurden folglich 782 Straftaten von Hasskriminalität gegen LGBTIQ registriert, darunter 154 Gewalttaten. Das ist ein Anstieg von 36% gegenüber 2019. Der tödliche islamistische Terroranschlag auf ein schwules Paar in Dresden im November 2020 (MANNSCHAFT berichtete) ist in der Statistik noch nicht registriert. Ebenso weist der LSVD daraufhin, dass der Mord an einem schwulen Mann durch zwei rechtsextreme Männer im thüringischen Altenburg nicht in diese Statistik eingegangen ist. Expert*innen gehen zudem von einer Dunkelziffer von bis zu 90% aus.
Höchstwert bei rechts motivierten Straftaten Politisch motivierte Straftaten haben im vergangenen Jahr insgesamt einen Höchststand erreicht. Das sei «beunruhigend, weil sich damit ein Trend der vergangenen Jahre verfestigt», sagte Bundesinnenminister Seehofer am Dienstag in Berlin. Wie aus der Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) für 2020 hervorgeht, stieg die Zahl gegenüber dem Vorjahr um 8,54 Prozent auf 44 692 Straftaten an. Mehr als die Hälfte dieser politisch motivierten Taten ging demnach auf das Konto von Rechten. Mit 23 604 rechts motivierten Straftaten wurde ein Höchstwert erreicht seit dem Beginn der Erfassung im Jahr 2001.
Der traurige Rekord rechter Straftaten kommt nicht überraschend
«Der traurige Rekord rechter Straftaten kommt nicht überraschend», sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, die Initiativen gegen Rechtsextremismus unterstützt. Seit Jahren befeuerten Rechtsradikale in den Parlamenten und auf der Strasse eine Rhetorik des Hasses, «die sich immer mehr in Gewalt entlädt». Angehörige von Minderheiten spürten diese wachsende Aggression schon lange.
Bei den politisch motivierten Gewalttaten lag die Zahl der Fälle mit 3365 Straftaten laut BKA im vergangenen Jahr sogar um fast 19 Prozent über dem Wert des Vorjahres, und damit etwa auf dem Niveau von 2018.
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