«You don’t look gay» und mehr gut gemeinte Sprüche
Aus einer Abschlussarbeit ist ein Buch über homophobe Diskriminierung entstanden
Der Designer und Illustrator Julius Thesing setzte für seine Bachelorarbeit das Thema homophobe Diskriminierung grafisch und textlich um. Entstanden ist eine Sammlung von Anekdoten und Klischees aus dem Alltag, die uns zum Nachdenken und Lachen bringen.
Ein Buch über homophobe Diskriminierung? Gibt es denn keine wichtigeren Probleme, Welthunger zum Beispiel? «Über Diskriminierung zu berichten, ist immer unbequem», gibt Thesing im Vorwort zu. «Immer wieder frage ich mich selbst, ob ich das Recht dazu habe, von Diskriminierung zu sprechen, wenn es doch noch viel schlimmere, brutalere Erfahrungsberichte gibt.» Genau das sei aber das Ziel dieser negativen Stimmen. Unterschiedliche Formen von Diskriminierung gegeneinander aufzuwiegen und dadurch zu relativieren.
Marcel Mann: Coming-out an Opas Sterbebett
Thesing wuchs im nordrhein-westfälischen Dülmen auf. Der 30-Jährige studierte an der Münster School of Design und schloss es im Frühjahr dieses Jahres ab. «You don’t look gay» ist seine Abschlussarbeit. Er arbeitet als Designer und freiberuflicher Illustrator in Münster.
Sein Buch sei ein Versuch, Leser*innen, die nicht betroffen sind, greifbar zu machen, wie sich die alltägliche Diskriminierung anfühlt. Dabei geht der Illustrator nicht gerade zimperlich um. In acht Etappen räumt er mit Klischees und gut gemeinten, deshalb aber noch lange nicht netten Aussagen auf.
Bolsonaro behauptet: WHO will Kinder homosexuell machen
In Sprüchen wie «Wer von euch ist denn die Frau?» oder «Mit Schwuchtel meine ich ja nicht dich» erkennt sich bestimmt der eine oder andere Homosexuelle, andere könnten sich ertappt fühlen. Im Text bearbeitet Thesing seine persönlichen Erfahrungen, koppelt sie an erschreckende Fakten zur Homophobie in Politik und Gesellschaft, Zitate von Bolsonaro und anderen queerfeindlichen Politiker*innen.
«Die erste Fassung war zu emotional», gesteht Thesing. «Ich will kein Mitleid erzeugen, ich will beschreiben, Empathie wecken.» Das ist ihm auf jeden Fall gelungen. Beim Blättern und Lesen denken heterosexuelle Leser*innen an Bekannte und Freunde, die tagtäglich mit solchen Vorurteilen zu kämpfen haben. Ihnen wird ein Spiegel vorgehalten, der zum Reflektieren und Nachdenken anregt.
Julius Thesing provoziert auch in seinen treffenden Illustrationen. Ein Remake von Botticellis «Die Geburt der Venus» mit einer männlichen Venus, ein geschminkter Mann, ein auf den ersten Blick heterosexuelles Bauernpaar (Grant Woods «American Gothic»), bei dem in Tat und Wahrheit beides Männer sind. Er hinterfragt damit Geschlechterrollen und das, was von der breiten Gesellschaft für «normal» gehalten wird.
Weniger Last, mehr Tage wie diese
«You don’t look gay» erscheint in einer Reihe, in der junge Menschen persönlich über Themen reden, über die zu selten gesprochen wird. Das Buch ist ab August in gut sortierten Buchhandlungen erhältlich. Diese haben mit der Coronakrise einen noch schwereren Stand als sowieso (MANNSCHAFT berichtete). In der Schweiz kann man beispielsweise Queerbooks, in Berlin die Buchhandlung Prinz Eisenherz oder in Wien den Erlkönig unterstützen.
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