Wüstenstrom flieht vor «Konversionstherapie»-Verbot in die Schweiz

Ziel der Therapieangebote ist eine «Umpolung», stellte schon Manfred Bruns 2008 fest

Symbolbild (Foto: AdobeStock)
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Wegen des Verbots von«Konversionstherapien» in Deutschland hat sich die Bruderschaft des Weges, die aus der Arbeit des Instituts für dialogische und identitätsstiftende Seelsorge und Beratung idisb e.V. (vormals Wüstenstrom) hervorgegangen ist, als eigener Verein in der Schweiz gegründet. Das teilte die Bruderschaft jetzt auf ihrer Homepage mit.

«Die Gemeinschaft von derzeit über 30 Männern, die ihre Sexualität konflikthaft empfinden, reagiere damit auf die Verabschiedung des SOGISchutzG (Verbot von Konversionsbehandlungen)», erklärt die «Bruderschaft des Weges». Sie ging ursprünglich aus Wüstenstrom hervor, der bekanntesten Organisation, die im Zusammenhang mit den schädlichen «Homoheiler-Therapien» steht.

21-Jährige nimmt sich nach Konversionstherapien das Leben

Der Deutsche Bundestag hat Konversionstherapien vor zwei Wochen zumindest für Minderjährige verboten (MANNSCHAFT berichtete). Das Verbot gilt u. a., wenn Erwachsene einem «Willensmangel» unterliegen – etwa wenn sie getäuscht werden, durch Irrtum, Zwang oder Drohung. Auf den Weg gebracht wurde das neue Gesetz durch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). In der Schweiz sind die «Konversionsbehandlungen» weiterhin erlaubt. Rosmarie Quadranti (BDP) reichte im Juni 2019 mit Angelo Barrile (SP) und in Zusammenarbeit mit Pink Cross einen Vorstoss im Nationalrat ein, um « Konversionstherapien» an homosexuellen Jugendlichen endlich zu stoppen (MANNSCHAFT berichtete) – leider vergeblich.

Das deutsche Verbot hat die religiöse Fundamentalisten von der  «Die Bruderschaft des Weges»  aufgeschreckt. Sie haben nun einen Verein mit Schweizer Sitz gegründet. Zuvor war die Organisation in der schwäbischen Stadt Tamm gemeldet.

Roman Heggli von Pink Cross erklärte gegenüber MANNSCHAFT: «Es ist klar erwiesen, dass «Homo-Heilungen» und ähnliche Strategien zu grossen psychischen Schäden führen und für die Betroffenen sehr traumatisch sind. In der Schweiz haben wir aber leider noch immer kein Gesetz, dass diese Praxen verbietet. Obwohl wir dies schon seit Jahren fordern und die Folgen für die Betroffenen schlimm sind, sieht der Bundesrat noch immer keinen Handlungsbedarf.»

Deutschland habe zum Glück eingesehen, dass es ein gesetzliches Verbot braucht. «Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, flüchten diese Vereine nun in die Schweiz. Sie bestätigen damit auch, dass sie tatsächlich sog. Konversionstherapien machen – sonst hätten sie ja nun keine Angst vor dem Verbot in Deutschland. Die Schweiz muss nun nachziehen und ebenfalls sog. Konversionstherapien gesetzlich verbieten.»

Wüstenstrom wurde Anfang der 1990er Jahre u. a. von Günter Baum mitbegründet. Später habe er eingesehen, dass «Ex-Gay-Organisationen», wie er sie in einem Artikel der Vice nennt, mit falschen Versprechungen arbeiten. Rund zehn Jahre nach Wüstenstrom gründete Baum dann «Zwischenraum», eine Selbsthilfegruppe für queere evangelikale Christ*innen in Deutschland und der Schweiz. Heute sei er bei keiner dieser Organisationen mehr Mitglied.

Führender Rabbiner soll Konversionstherapien empfohlen haben

Wüstenstrom wende sich mit Nachdruck gegen alle Thesen «vom homosexuellen Menschen als Gattung» mit einer angeborenen «sexuellen Natur» bzw. von einer unveränderbaren sexuellen Identität, hielt der im vergangenen Jahr verstorbene Manfred Bruns schon 2008 fest, der ehemalige Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof und Mitglied im Bundesvorstand des LSVD. Dem halte Wüstenstrom entgegen, dass jede Form der Sexualität etwas Gewordenes, hoch Flexibles und Veränderbares sei, also etwas, das Motiven folgt und der zwischenmenschlichen Aushandlung unterliegt.

Wüstenstrom akzeptiere es zwar, wenn homosexuell orientierte Probanden in der Beratung zu erkennen geben, dass sie sich nicht verändern wolle, so Bruns. «Die Organisation bietet diesen Menschen aber keine «affirmativen» Hilfen an, die es ihnen ermöglichen, mit ihrer homosexuellen Orientierung besser zurecht zu kommen. Solche Hilfen bietet die Organisation nur Probanden an,  die bereit sind sich zu verändern, also sich von ihren homosexuellen Wünschen und Gefühlen zu lösen bzw. diese zu unterdrücken.»

Ziel der Therapieangebote von Wüstenstrom ist deshalb nach wie vor eine «Umpolung».

Das ist zwar nicht mehr eine solch aggressive «Umpolungstherapie», wie sie früher üblich war, aber es ist nach wie vor eine Therapie, die Menschen mit homosexuellen Gefühlen und Wünschen dazu bringen soll, heterosexuell leben zu können. Ziel der Therapieangebote von Wüstenstrom ist deshalb nach wie vor eine «Umpolung».

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