Gute alte patriarchale Zeiten? The Oscar goes to the Aggressor
Die diesjährige Preisverleihung hatte es in sich
Es war bei der 94. Oscar-Verleihung: Will Smith hat Chris Rock auf der Bühne eine schallende Ohrfeige verpasst, nachdem der Komiker einen Witz über Smiths Ehefrau Jada Pinkett gemacht hatte. Bedauerlich, so unsere Autorin, dass ein Film über das Lebenswerk zweier herausragenden schwarzen Frauen für immer mit diesem archaischen Gewaltakt eines unbeherrschten Mannes verbunden bleibt.
Ein Schlag ins Gesicht ist Gewalt. Punkt. Die Welt diskutiert über genauso einen Schlag, weil ein prominenter Mann einem anderen prominenten Mann bei einer weltweit bekannten Veranstaltung mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen hat. Will Smith schlägt Chris Rock bei der u.a. von Wanda Sykes moderierten Oscar-Gala auf offener Bühne ins Gesicht. Niemand konnte der Meldung und den dazu passenden Bildern in der vergangenen Woche ausweichen. Im Mittelpunkt dieser Meldung: Der Comedian und der später Oscar prämierte Schauspieler. Alles an dieser Szene war falsch.
In diesem Video spricht Wanda Sykes mit Ellen DeGeneres über die Oscar-Gala:
Falsch war im Vorfeld, dass Chris Rock sich über Jada Pinkett Smith lustig gemacht hat. Die Schauspielerin ist erst kürzlich mit ihrer Krankheit Alopecia areata, kreisrundem Haarausfall, an die Öffentlichkeit gegangen. In Hollywood, dem Hort künstlich überhöhter Schönheitsideale, ein mutiger Schritt. Dass Rock gerade über diese Krankheit von Jada Pinkett Smith Witze macht, war nicht nur armselig für einen guten Comedian, sondern auch sexistisch.
Wie in guten alten patriarchalen Zeiten Falsch war, dass Will Smith sich als Ehemann angegriffen fühlte. Es ist die Krankheit von Jada Pinkett Smith, die zufällig auch mit ihm verheiratet ist. Er springt auf und kämpft für seine Frau wie in guten alten patriarchalen Zeiten. Er schlägt seinen Gegner mit der flachen Hand. Eine zusätzliche Demütigung, da die Ohrfeige auch als weibliche Gegenwehr gesehen wird. Chris Rock kriegt nicht die Faust des archaischen Männchens, sondern die flache Hand. Mehr ist er nicht wert. Und ob das nicht schon genug wäre, brüllt Will Smith noch Chris Rock soll, verdammt noch mal, den Namen seiner Frau nicht in den Mund nehmen. Er brüllt nicht «Jada», sondern «meiner Frau». Es geht darum, dass er nicht will, dass sein Weib, sein Besitz gedemütigt wird. Er ist der Beschützer.
In seiner tränenreichen Dankesrede zu seinem Oscargewinn betont er auch, dass er sich als Beschützer «seiner» Familie sieht. Wird eines seiner Familienmitglieder gedemütigt, wird er gedemütigt. Das ist so falsch und so aus der Zeit gefallen. Sehen wir weiter. Zwei weitere Frauen werden hier öffentlich durch sein Verhalten gedemütigt. Es sind die wohl besten tennisspielenden schwarzen Frauen, Serena und Venus Williams, die hier in Vergessenheit geraten. Will Smith hat ihren Vater im Film «King Richard» gespielt und im späteren Verlauf der Show für diese Rolle einen Oscar als bester Darsteller gewonnen.
In seiner Dankesrede aber hat er der Familie Unrecht getan, indem er seinen gewalttätigen Auftritt mit der Rolle des Vaters der beiden Ausnahme-Athletinnen gerechtfertigt hat. Verständlicherweise hat sich Serena Williams darüber schockiert gezeigt und auch der Vater, der dem Schauspieler das Vertrauen geschenkt hat, ihn darzustellen, sah sich zu einem Dementi gezwungen. Er lehne körperliche Gewalt ab. Falsch war auch, dass später bei der Preisverleihung an den Grobian die Anwesenden sich zu Standing Ovation erhoben haben. Sie haben seinen Gewaltakt, in ihren Augen ein Publicity-Geniestreich, damit beklatscht.
Wenn ich ehrlich bin, halte ich mich in der Regel raus, wenn Männer sich körperlich angreifen. Ich finde es dann nur immer schade, dass ihr angeknackstes Ego kein anderes Mittel kennt, als Gewalt anzuwenden. Aber hier handelt ein Schauspieler, der auch für viele junge Menschen ein Idol ist.
Sein Sohn, einer dieser unsäglichen Influencer, twitterte dazu «So machen wir (meine Familie) es eben» und signalisiert damit, dass er ein ebensolches Höhlenmännchen wie sein Vater ist und dass das eben cool ist. Damit wird Gewalt gegen fremde Meinungen, egal wie mies sie auch sind, legitimiert. Diese Gewalt deckt ebenso zu, dass eine Frau mit einer chronischen Krankheit verletzt wurde, dass der Film über das Lebenswerk zweier herausragenden schwarzen Frauen für immer mit diesem archaischen Gewaltakt eines unbeherrschten Mannes verbunden bleibt. Alles war falsch an dieser Ohrfeige. Aber die Berichterstattung, die immer nur diesen Moment des Kampfes kommentiert und die verletzten Frauen dabei herauslässt, ist es auch.
*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar oder eine Glosse zu einem aktuellen Thema. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.
Nachtrag: Unterdessen hat sich der Produzent der Oscar-Show erstmals öffentlich zu dem Ohrfeigen-Eklat geäussert. Die Polizei habe in der Oscar-Nacht deutlich vermittelt, dass sie Will Smith wegen «Körperverletzung» hätte festnehmen können, so Will Packer am Freitag in der Sendung «Good Morning America». Die Polizei habe dem Komiker Chris Rock dargelegt, dass er Anzeige gegen Smith erstatten könnte. Rock habe dies aber abgelehnt, sagte Packer. «Chris hat diesen Moment mit so viel Würde und Gelassenheit gehandhabt – das hat es ermöglicht, dass die Show weitergehen konnte.»
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