Weltflüchtlingstag: Queere Kritik an menschenverachtender BAMF-Praxis
Der Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert faire und rechtssichere Asylverfahren für LGBTIQ-Geflüchtete und ein Ende des «Diskretionsgebots»
Zum Weltflüchtlingstag (20. Juni) mahnt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), seine diskriminierende und menschenverachtende Bescheidungspraxis zu beenden.
Die deutsche Bundesregierung müsse ihr Versprechen endlich umsetzen, besonders vulnerable Flüchtlinge zu schützen und für faire und rechtssichere Asylverfahren sorgen zu wollen, heisst es in einer Pressemitteilung des LSVD.
Patrick Dörr aus dem LSVD-Bundesvorstand erklärt: «Wenn Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche Menschen in Deutschland Asyl beantragen, müssen sie in den Anhörungen dem BAMF glaubhaft machen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland Verfolgung droht, um einen Schutzstatus zu erhalten. Dabei dreht sich zum einen meist alles um die Frage, ob das BAMF ihre sexuelle Orientierung und/oder die geschlechtliche Identität für glaubhaft befindet, aber auch wie es die konkrete Gefährdungslage bei Rückkehr beurteilt.» (MANNSCHAFT berichtete über den Europarat, der zum besonderen Schutz queerer Geflüchteter ausrief.)
Dörr weiter: «Dabei stellt das BAMF allerdings auch windige Prognosen an, ob die Person bei Rückkehr ein Doppelleben führen würde und sich so vor Verfolgung schützen könnte. Diese europarechtswidrigen Verhaltensprognosen führten in der Vergangenheit immer wieder dazu, dass besonders schwule, lesbische und bisexuelle Asylsuchende in die schlimmsten Verfolgerstaaten, wie den Iran und Pakistan, abgeschoben werden konnten.»
Rechtswidrige Praxis Der LSVD habe hierzu dem BAMF über 70 Fälle zur Überprüfung vorgelegt, heisst es. In einem halben Dutzend Fällen aus Algerien, Iran, Jamaika, Pakistan und Tunesien habe das BAMF diese rechtswidrige Praxis angewandt, obwohl die schwulen und lesbischen Asylsuchenden heiraten wollten und dazu offizielle Dokumente vorlagen oder sie sogar schon verheiratet waren.
Darüber hinaus habe das BAMF in zwei Fällen verheirateten gleichgeschlechtlichen Paaren das Familienasyl verweigert und darauf verwiesen, dass die Ehe z. B. im Verfolgerstaat Iran hätte gelebt werden müssen.
Diese Beispiele zeigen laut LSVD auf, wie dringend die internen Massstäbe des BAMF angepasst werden müssten.
Prognoseentscheidungen über das Verhalten queerer Schutzsuchender im Heimatland oder die Aufforderung, sich dort «diskret» zu verhalten, seien unzulässig und würden gegen die bereits seit 2013 bestehende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) verstossen, schreibt der LSVD. (MANNSCHAFT berichtete über Forderungen an die Schweiz, sich stärker für LGBTIQ-Geflüchtete aus der Ukraine einzusetzen.)
«Diskretionsgebot» Trotzdem finde das sogenannte «Diskretionsgebot» weiterhin Anwendung in der Bescheidungspraxis des BAMF. «Die Richtlinien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) müssen entsprechend und zügig angepasst werden, damit die offensichtlich rechtswidrigen Verhaltensprognosen bei queeren Geflüchteten endlich ein Ende haben», so der LSVD.
Auch das Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, eine «besondere Rechtsberatung» für queere Verfolgte einzurichten, müsse zügig umgesetzt werden. Zwischen der Ankunft in Deutschland und der Asylanhörung vergingen oft nur wenige Tage.
Beratung, um «Scham und Angst» zu überwinden «Damit queere Geflüchtete die oft lebenslang erlernte Scham und Angst überwinden, brauchen sie Beratung durch queere Organisationen, wo sie sich sicher fühlen können», erklärt der LSVD.
«Die Bundesregierung muss hier Wort halten und eine flächendeckende Rechtsberatung in queerer Trägerschaft fördern.» Und: «Die Aufnahme queerer Menschen aus Afghanistan muss energisch vorangetrieben werden.»
Die Zusagen der deutschen Bundesregierung bezüglich der Aufnahme gefährdeter Afghan*innen dürfe nicht in Vergessenheit geraten. Aussenministerin Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) und Innenministerin Faeser (SPD) müssten endlich ihre «Blockadehaltung» aufgeben und eine «klare Zusage» zur Aufnahme gefährdeter LGBTIQ aus Afghanistan geben.
«Jeder Tag des Wartens bringt die betroffenen Personen weiter in Gefahr», so der LSVD.
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