Wann verbietet London «Konversionstherapien»?

Über 500 kirchliche Amtsträger wollen ein entsprechendes Gesetz verhindern

Foto: AdobeStock
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Schon 2017 hat die Church of England einen wichtigen Schritt auf die Community zu getan: Auf ihrer Synode forderten die Delegierten die Regierung auf, «Konversionstherapien» zu verbieten (MANNSCHAFT berichtete). Passiert ist seither nicht viel.

Angestossen wurde die Debatte in der Kirche durch Jayne Ozanne, die eine solche Therapie gemacht hat, in Folge dessen einen Nervenzusammenbruch erlitt und danach an Depressionen erkrankte. Mittlerweile ist sie ein Mitglied des Leitungsgremiums der Church of England, der Generalsynode.

Nun wird die britische Regierung erneut aufgefordert, ein vollständiges Verbot von «Konversionstherapien» einzuführen, die behaupten, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität zu ändern. Im Mai 2021 hatte die Queen verkündet, ein Verbot dieser Therapien werde binnen 12 Monaten kommen (MANNSCHAFT berichtete).

Es liegen Gesetzesvorschläge vor, die es verbieten würden, Minderjährigen oder – gegen deren Willen –  Erwachsenen «Konversionstherapien» anzubieten. Aber Opfer und Kampagnengruppen sagen, es gehe nicht weit genug.

Leni Morris von der LGBTIQ-Organisation Galop sagte, solche Therapien können «eine breite Palette von Formen annehmen, einschliesslich verbalen, psychologischen, körperlichen und sexuellen Missbrauchs». Aber im Gegensatz zu sogenannten «Pray the Gay Away»-Camps in den Vereinigten Staaten fänden sie in Grossbritannien eher hinter verschlossenen Türen statt. «Die gängigste Form der ‚Konversionstherapien‘ im Westen findet in einem religiösen Rahmen statt», sagt Jayne Ozanne.

Ich wurde mit einer Bibel geschlagen. Jemand hat ein paar Mal versucht, den Teufel aus mir herauszuschlagen.

Diese Behandlung übe immer Druck auf das Opfer aus, erklärte sie gegenüber AFP. Die Folge seien Scham und Selbsthass. Über ihre eigenen Erfahrungen sagt sie: «Ich wurde mit einer Bibel geschlagen. Jemand hat ein paar Mal versucht, den Teufel aus mir herauszuschlagen.» Zudem komme es vor, dass Opfer von Familienmitgliedern «geschlagen» und sogar «korrektiv vergewaltigt» werden, um sie zu «heilen».

Die grössten Psychologen- und Psychiaterverbände des Landes haben solche Therapien im Jahr 2015 verboten und sie als «unethisch und potenziell schädlich» bezeichnet. Doch noch immer werden sie durchgeführt.

Ein Ende Oktober vorgelegter Gesetzesentwurf sieht eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren für diejenigen vor, die «Konversionstherapien» an Minderjährigen durchführen. Aber es bestraft die Behandlung von Erwachsenen nicht, sofern sie eingewilligt haben. U.a. LGBTIQ-Verbände fordern darum ein vollständiges Verbot dieser Therapien, die behaupten, die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität ändern zu können.

Wenn es nach kirchlichen Amtsträgern wie Ian Paul geht, soll es das Verbot gar nicht geben. Er gehört zu über 500 Amtsträgern aus dem ganzen Vereinigten Königreich, die einen offenen Brief an die britische Regierung unterzeichnet haben, in dem sie ihre Empörung über ein geplantes Verbot von «Konversionstherapien» zum Ausdruck bringen. Ihre Befürchtung: Christliche Jugendarbeit könnte dadurch kriminalisiert werden. «Es darf keine Straftat sein, unseren Kindern beizubringen, dass Gott sie als Mann und Frau nach seinem Ebenbild erschaffen, und Sex für die Ehe zwischen einem Mann und einer Frau vorbehalten hat.»

Der Theologe Ian Paul findet: «Der Begriff ‚Konversionstherapie‘ ist schlecht definiert, und die Pläne scheinen eher von einer ideologischen Agenda auszugehen als von wirklicher Besorgnis und klaren Überlegungen.» Ein Reverend der Trinity Church York erklärte, eine «Konversion» zu Jesus Christus dürfe man nicht mit Gewalt oder Missbrauch gleichgesetzen. Die Kinderärztin Julie Maxwell warnt, dass ein Verbot Eltern davor zurückschrecken lassen könnte, ihren Kindern die christliche Sicht über Geschlecht und Sexualität näherzubringen. Das Eindämmen dieser «gesunden Anleitung» würde junge Leute verwirren.

Eine britische Regierungsumfrage aus dem Jahr 2017 ergab, dass fünf Prozent der LGBTIQ-Personen eine «Konversionstherapie» angeboten wurde und zwei Prozent sich einer solchen unterzogen haben. Aber die Galop-Aktivistin Morris sagt, dies verschleiere wahrscheinlich das volle Ausmass der Praxis, da viele nicht einmal bemerkten, dass sie sie durchgemacht haben.

Der Gesetzentwurf soll laut AFP Anfang dieses Jahres vom britischen Parlament geprüft werden.

Als erstes EU-Land hatte Malta «Konversionstherapien» verboten (MANNSCHAFT berichtete). 2020 folgte Deutschland. Das Bewerben oder Anbieten dieser Therapien kann hier mit einer Strafe von bis zu 30’000 Euro oder einem Jahr Gefängnis bestraft werden (MANNSCHAFT berichtete).

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