Wahl-O-Mat vs. Wahltraut – Wer kriegt meine Stimme?
Bei dem neuen Angebot geht es um LGBTIQ, Rassismus und Inklusion
Als Entscheidungshilfe im Vorfeld von Wahlen ist der Wahl-O-Mat inzwischen äusserst populär. Deshalb hat das Erfolgsmodell inzwischen auch zahlreiche Brüder – und eine Schwester namens «Wahltraut». Von Axel Hofmann, dpa
Wer dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl noch unentschlossen ist, kann jetzt auf Entscheidungshilfe im Internet hoffen: Mit dem Online-Tool Wahl-O-Mat können die Menschen ihre politischen Haltungen anhand von 38 Thesen mit den Positionen der einzelnen Parteien vergleichen.
Bis zum 26. September winken dem Wahl-O-Mat wie in den Vorjahren Millionen Zugriffe, denn einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge halten es 35 Prozent der Deutschen für wahrscheinlich, dass sie das Angebot im Vorfeld des Wahlsonntags nutzen. Doch der «Platzhirsch» hat in den vergangenen Jahren zunehmend Konkurrenz bekommen – zumal sein Ansatz nicht unumstritten ist.
Der Politikwissenschaftler Norbert Kersting von der Universität Münster bemängelt zum Beispiel, dass der Wahl-O-Mat nur drei Antwortmöglichkeiten bietet und deshalb von den Parteien leicht auszutricksen sei. Der an seiner Hochschule entwickelte «Wahl-Kompass» setzt stattdessen auf fünf Antwortmöglichkeiten. «Bei uns müssen die Parteien eher Farbe bekennen», versichert Kersting.
Andere Kritiker*innen monieren, dass die Thesen im Wahl-O-Mat auf den Wahlprogrammen der Parteien basieren – also auf Ankündigungen statt auf tatsächlichem Handeln. Deshalb setzt das privat finanzierte Projekt «DeinWal» auf die Auswertung von Bundestagsabstimmungen der vergangenen vier Jahre. Aber auch diese Methode hat einen Nachteil: Kleine Parteien, die bislang nicht im Bundestag vertreten waren, fallen durchs Raster.
Auch der «Wahltest» der Berliner Digitalagentur Wegewerk greift grundsätzliche Kritikpunkte am Wahl-O-Mat auf – etwa, dass dieser mit seinen reinen Ja/Nein-Fragen zu undifferenziert sei. Beim «Wahltest» müssen sich die Nutzer deshalb präzise festlegen, in welchem Jahr das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet werden soll oder mit welchen Massnahmen die Wohnungsmieten am ehesten zu regulieren sind.
Feministische und gleichstellungspolitische Themen im Fokus Viele andere Konkurrenzprodukte setzen jedoch auf ein ähnliches Prinzip wie der Wahl-O-Mat. Bei «Wahltraut» stehen feministische und gleichstellungspolitische Themen im Fokus. Dabei geht es beispielsweise um Schwangerschaftsabbrüche, LGBTIQ-Rechte sowie die paritätischen Besetzung von Chefetagen. Die AfD kommt hier nicht vor – was nach Angaben der Initiator*innen allerdings daran liegt, dass der an die Partei verschickte Fragenkatalog unbeantwortet geblieben sei.
Bei der LGBTIQ-Wahlstudie des LSVD und der Uni Giessen fiel die AfD durch, ebenso wie die CDU. Klarer Gewinner: die Grünen (MANNSCHAFT berichtete).
Der «Wahl-Swiper», den das Kreativstudio Movact mit der Universität Freiburg entwickelt hat, erinnert dabei stark an die Flirt-App Tinder, denn Zustimmung oder Ablehnung zu einzelnen politischen Thesen signalisiert der User durch ein Wischen nach links oder rechts. «Wählen gehen ist so einfach wie Online-Dating», heisst es dort auch dementsprechend.
Andere Angebote konzentrieren sich auf Spezialinteressen: Beim Sozial-O-Mat der Diakonie müssen Fragen zu Themen wie Grundeinkommen, Pflegekosten und Kinderbetreuung bearbeitet werden. Das Landwirteportal Agrarheute hat den «Agrar-o-Mat» entworfen, wo es um Betriebsprämien, Tierschutz und Ökolandbau geht.
Beim «Klimawahlcheck» werden 28 Thesen zu Energie oder Mobilität mit den Positionen der Parteien verglichen. Die Klima-Allianz verzichtete allerdings darauf, die AfD in das Projekt einzubeziehen. Zur Begründung heisst es, die Partei leugne den menschengemachten Klimawandel und wolle aus dem Pariser Klima-Abkommen aussteigen.
Noch monothematischer ist der «Steuer-O-Mat» des Portals Smartsteuer und des Kölner Wirtschaftsforschungsinstituts IW. Anhand von Einkommen und Familienstand wird hier individuell errechnet, welche Partei den grössten Steuerzuwachs verspricht.
MANNSCHAFT lud queere Vertreter*innen aus CDU, SPD, FDP, Grünen, Linke und die Urbane zum Wahl-Talk (zum Nachbericht).
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