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Viel Knutschen, wenig Vielfalt – Die 4. Staffel «Prince Charming» beginnt

Bisschen eindimensional, findet unser Rezensent

Prince Charming
Prince Charming Fabian (Foto: RTL)

Auf lediglich eine einzige Staffel brachte es 2016 das schwule Dating-Format «Finding Prince Charming» in den USA, doch dem deutschen Ableger ist deutlich mehr Erfolg beschienen.

Die vierte Staffel von «Prince Charming» innerhalb von gerade einmal drei Jahre startet am 29. September, jeden Donnerstag gibt es beim Streamingdienst RTL+ eine neue Folge zu sehen.

Dass sich das Konzept der Show etabliert und bewährt hat, steht also ausser Frage. Doch hat es sich durch zu viele Wiederholungen in zu kurzer Zeit – zwei Staffeln «Prince Charming» gab es ja auch schon! – auch bereits abgenutzt? Die erste Folge der neuen Staffel, die der Presse vorab zur Verfügung gestellt wurde, gibt darauf natürlich noch keine hinlänglichen Antworten, aber womöglich eine erste Ahnung.

Neuer Traumprinz, um den die Kandidaten buhlen, ist dieses mal der fesche Fabian (MANNSCHAFT berichtete) – ein 32-jähriger gebürtiger Freiburger und nun Wahl-Berliner, der im Cabrio-Käfer in der Villa auf Rhodos einfährt. Fünf Jahre lang war er bewusst Single und hat sich ordentlich ausgetobt, inzwischen fehlt ihm an One-Night-Stands die Nachhaltigkeit, also soll im Reality-TV die Liebe gefunden werden. Als Protagonist einer Show wie «Prince Charming» ist Fabian eine naheliegende, konventionelle Wahl des kleinsten gemeinsamen Nenners: weiss und herkömmlichen Massstäben nach attraktiv, körperlich gut in Form, ohne nach zu vielen Steroiden auszusehen, und mit einnehmendem Lächeln. Und einigermassen eloquent scheint er auch zu sein. Zumindest kommt ihm Pathos à la «Liebe hat total schöne Seiten, kann aber auch ganz schön Schmerzen verursachen» fehlerlos, wenn auch mit grossem Seufzer über die Lippen.


Dass Fabian gerne reist, ist nicht nur auf seinem Instagram-Account zu sehen, sondern wird von ihm auch mehrfach und mit Nachdruck betont. Ebenso die Sportlichkeit, die wohl noch von jedem «Prince Charming»-Kandidaten hochgehalten wurde. Er trägt offenkundig gerne lässige Anzüge zu T-Shirts und Kettchen und ist im realen Leben übrigens im Management einer Technologie-Firma. «Oh, Money!», freut sich bei dieser Ansage einer der um ihn werbenden Kerle hörbar!


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Überhaupt, die anderen Männer! Mit den Singles, die alle darauf hoffen, ihre Villa am Ende gemeinsam mit Fabian zu verlassen, steht und fällt die Sendung natürlich. Zum Auftakt sind es ganze 21, so viele also, dass man in einer ersten Stunde kaum einen von ihnen wirklich kennen lernen kann. Wohl auch deswegen – und dank des wie immer in rauen Mengen zur Verfügung gestellten Alkohols – sind die meisten von Beginn reichlich aufgekratzt, man setzt sich in Szene, wo es geht, und gejohlt, gekreischt, gehollert wird ohne Unterlass.


Sehr präsent ist von Beginn an ein gewisser Marcel, selbsternannte Badass Bitch und gekommen, um zu gewinnen. Er weist gerne mal ungefragt darauf hin, was für eine tolle Brust er habe, nennt den Prinzen auf Anhieb «Fabi» und macht keinen Hehl daraus, dass Lästern seine Leidenschaft ist. Eine Persönlichkeit eben wie gemacht fürs, aber unverkennbar auch vom Reality-Fernsehen.

Andere wirken sympathischer und persönlicher. Der Russlanddeutsche Basti etwa, der davon träumt, mal als Model in Paris zu laufen und sich seiner Mutter gegenüber erst vor der Abreise nach Rhodos geoutet hat. Oder der selbstbewusst eitle Sri, tamilisch-stämmiger Influencer und Stylist, dessen Vater keine Ahnung hat, wofür er in Griechenland ist. Andere erste Sympathieträger sind unter andere der dauerlachende Alex, der die längste Zeit in einer Hetero-Beziehung war, der ruhige Joel aus Essen, der als einziger im Vorstellungsclip seine Pronomen nennt, oder der erst 22-jährige Leon aus einem Kaff bei Rostock, der noch nie liiert war, sich ein Throuple vorstellen kann und ausgerechnet bei «Prince Charming» erstmal schwules Dating kennen lernen will.

Dass es mit diesen Kerlen langweilig wird in den nächsten Wochen ist hoffentlich nicht zu erwarten. Glaubt man den ersten Ausschnitten der kommenden Folgen, fallen auch, wie es bei hier immer so schön heisst, jede Menge Küsse. «So viel Knutschen, Wahnsinn!», sagt Fabian wohl zu irgendeinem Zeitpunkt. Doch echte Abwechslung und Vielfalt wird die vierte Staffel – die übrigens erstmals später nicht auch bei Vox gezeigt wird – kaum zu bieten haben. Alle Männer sind zwischen Anfang 20 und Anfang 30, dass jemand nicht weiss oder nicht durchtrainiert oder zumindest dünn ist, ist die absolute Ausnahme. Und in Sachen Gender-Identität wird noch immer die althergebrachte Binarität grossgeschrieben, weswegen an der Wand der Kandidatenvilla auch ein Neon-Schriftzug mit den Worten «Boys Only» prangt.

Zu den grossen Qualitäten, die «Prince Charming» und «Princess Charming» gerade in ihren ersten Staffeln mitbrachten und für die es zurecht den Grimme-Preis gab, gehörte natürlich die Tatsache, dass Queerness in einer Deutlichkeit und Selbstverständlichkeit gezeigt wurde, wie sie in der hiesigen TV- und Streaminglandschaft kaum je zu sehen war. Doch nun, wo offenherziger Umgang mit LGBTIQ-Themen mindestens innerhalb dieses Formats etabliert ist, müssen die Verantwortlichen sich entscheiden, wie es weitergehen soll. Wollen sie sich weiterhin auf die Fahne schreiben, in dieser Hinsicht Neuland zu betreten und echten Aktivismus in Sachen Diversität zu betreiben, reicht es nicht mehr, wenn die Kandidaten Pride-Flaggen-Kunst basteln, an penisförmigem Eis am Stiel lutschen und emotionale Briefe an ihr jüngeres Selbst schreiben müssen.

Viel mehr wäre es dann dringend nötig, endlich den ganzen Facettenreichtum der Community abzubilden. Warum nicht mal ein PoC-Prinz? Ein paar Kandidaten über 50 oder mit körperlichen Einschränkungen? Jemand, der trans oder nicht-binär ist? Anderenfalls ist «Prince Charming» über kurz oder lang eben doch nur eindimensionale Trash-TV-Unterhaltung wie so viele andere Sendungen auch. Was nicht verwerflich wäre. Nur eben ein bisschen schade.


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