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Und plötzlich ergibt meine Kinderlosigkeit noch mehr Sinn

Unser Autor hat sich für einen Hund entschieden

Vater
Symbolbild: Derek Owens/Unsplash)

Die meisten schwulen Männer denken wohl irgendwann darüber nach, ob sie Vater werden sollen. Auch unser Autor hat das hinter sich. In seinem Kommentar* schreibt er, warum er sich nicht am Erhalt der Menschheit beteiligen möchte.

Ich war gerade länger auf Reisen, erst an Australiens Ostküste (mein Reisebericht über Tasmanien erscheint in der kommenden Frühlingsausgabe der MANNSCHAFT), dann in Asien, zuletzt in Kambodscha. Orte, die ich in den nächsten 12 bis 15 Jahren wohl nicht besuchen werde, da ich ab dem Sommer wieder einen Hund habe. Weder will und kann ich so weit mit ihm reisen, noch will ich ihn zurücklassen, wenn ich länger unterwegs bin. Manche mögen das Verzicht oder Einschränkung nennen. Ich nicht. Ich habe wieder einen Hund in meinem Leben. Alles andere ist doch egal.

Auf meinen Reisen bin ich immer wieder jungen, heterosexuellen Eltern begegnet. Sie haben ihre Babys oder Kleinkinder im Flugzeug dabei; auch im kleinen engen Minivan der mich von Phnom Penh nach Siem Reap brachte, wo diese wahnsinnigen Tempel stehen, Angkor Wat und Ta Prohm, auch auf dieser fast sechsstündigen Fahrt bei über 30 Grad (die Klimaanlage funktionierte mittelgut) waren zwei kleine Kinder mit an Bord. Natürlich haben sie die erste halbe Stunde gequengelt, genölt und geheult.

Zugegeben, mich nervt das erstmal stark, aber irgendwann hören sie ja auch wieder auf, schlafen ein oder kriegen ein Tablet in die Hand gedrückt, damit sie Ruhe geben. Zuerst, wenn ich genervt bin, denke ich: Müssen die ihren Kindern das antun (ich meine natürlich: mir antun). Wenn ich mich beruhigt habe, denke ich: Soll man denn als junge Mutter oder als junge Eltern aufs Reisen verzichten und sich einschränken? Fängt so nicht das Unglück junger Ehen mit Kind an? Muss man nicht das Leben geniessen, auch oder gerade wenn man kleine Quälgeister an der Backe hat?


Ich vermute, ich würde das auch so machen. Nun habe ich keine Kinder, nicht nur weil ich schwul bin. Es gäbe ja Mittel und Wege. Wobei ich für das Adoptieren oder die Übernahme von Pflegschaften grosse Bewunderung und Respekt habe. Ich würde aber kein Kind neu in die Welt setzen wollen. Warum manche Menschen so scharf darauf sind, ihre Gene weiterzugeben, ist mir schleierhaft. Aber bitte – sollen sie machen.


Menschen mit Kindern sollen ihre Elternschaft künftig einfacher im EU-Ausland anerkennen lassen können – gute Nachrichten für Regenbogenfamilien! 


Wenn man schwul ist, passieren einem Kinder jedenfalls nicht mal eben so, wie es in den besten heterosexuellen Familien ja vorkommt. Vor 20 Jahren habe ich eine ganze Weile sehr ernsthaft darüber nachgedacht, heute bin ich froh, dass ich mich irgendwann für einen Hund entschieden habe. Auch wenn er, mein erster, leider nicht mehr unter uns weilt.


Es gibt verschiedene Gründe, warum ich damals die Finger von der Vaterschaft gelassen habe – u.a. glaube ich, ich bin zu egoistisch, als dass ich mein Leben aufgeben wollte für ein Kind. Die Freiheiten, die man für einen Hund aufgibt, sind recht überschaubar: Ich ziehe schon länger nicht mehr durch die Clubs, Urlaub kann man auch hervorragend an de Ostsee machen, und was potentielle Partner betrifft: Entweder er nimmt mich mit Hund oder – er lässt es.

Nun, nach meiner zurückliegenden Reise, erscheint mir ein Argument gegen das Kinderkriegen sehr entscheidend und übermächtig. Es lautet: Der Mensch ist als Art nicht so dufte, als dass man seinen Erhalt unbedingt befördern müsste. Ich jedenfalls nicht. Was ginge es diesem Planeten gut, gäbe es den Menschen nicht!


«Zwei Mütter hat nicht jeder» – Langzeitdoku über Regenbogenfamilie: «Mutter Mutter Kind – Let’s do this differently» 


Im Norden von Thailand habe ich zum zweiten Mal als Volunteer in einem Elefantenpark gearbeitet, wo viele Rüsseltiere leben, die zuvor von Menschen geschunden und brutal gequält wurden, im Zirkus, in Reitparks oder in der Holzindustrie. Später, auf der Urlaubsinsel Koh Samui, bin ich am Rande des eigentlich schönen Strands an Bergen von Müll, Plastikflaschen vor allem, vorbeispaziert, dass es mir nachträglich die schönen Stunden im weichen warmen Sand ruiniert hat.

In Phnom Penh habe ich ein ehemaliges Foltergefängnis besucht, das S-21, von den Roten Khmer Mitte der 1970er Jahre in einer einstigen Schule errichtet. Rund 2 Millionen Menschen – Intellektuelle, religiöse Minderheiten, Homosexuelle – wurden unter der Schreckensherrschaft von Pol Pot gefoltert und getötet, etwa in Gülle ertränkt. Kambodscha hatte damals kaum 8 Millionen Einwohner*innen.

Der Mensch lernt nicht. Immer wieder verursacht er anderen Leid, Menschen wie Tieren. Was kümmert ihn die Natur? Nach mir die Sintflut! Der Mensch, ich muss es so sagen, ist ein Ar******.

Ich habe in den zurückliegenden Monaten vor allem schöne Dinge erlebt, ich blicke nicht griesgrämig oder enttäuscht auf meine Reise zurück, im Gegenteil.

Aber: Ich bin eben ganz happy und zufrieden damit, keine Kinder zu haben. Ich freue mich jetzt auf meinen neuen Hund.


*Jeden Samstag veröffentlichen wir auf MANNSCHAFT.com einen Kommentar zu einem aktuellen Thema, das die LGBTIQ-Community bewegt. Die Meinung der Autor*innen spiegelt nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.


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