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Trauriges Jubiläum: Antidiskriminierungsstelle ein Jahr ohne Führung

12 Monate nach dem Abschied von Christine Lüders gibt es noch immer keine Nachfolge

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD)

Anfang Mai 2018 beendete Christine Lüders nach zwei Amtszeiten ihre Tätigkeit an der Spitze der Behörde. Lüders war 2010 erstmalig als Leiterin der unabhängigen Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) berufen worden. Ein Jahr nach ihrem Abschied gibt es noch immer keine Nachfolge.

Im März 2018 hatte der Spiegel berichtet, Nancy Böhning solle die neue Anti-Diskriminierungsbeauftragte des Bundes werden: Böhning war bis April 2018 Bundesgeschäftsführerin der deutschen Sozialdemokraten; ihr Mann Björn Böhning ist Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales (SPD). Die ADS ist beim Familienministerium angesiedelt, zuständig dort ist Franziska Giffey (SPD). Die Ministerin habe Böhning damals gebeten, den Job zu übernehmen. Doch nach dem Abschied von Lüders blieb die ADS weiter führungslos.

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Der LINKE-Bundestagsabgeordnete Achim Kessler hakte nach einem halben Jahr nach und stellte eine schriftliche Frage an die Regierung: «Wann gedenkt die Bundesregierung, die vakante Stelle der Leiterin/des Leiters der Antidiskriminierungsstelle des Bundes neu zu besetzen?»

Die offizielle Antwort lautete: «Die Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle erfolgt durch die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aufgrund eines Vorschlags der Bundesregierung.» So weit, so bekannt. «Der von der Bundesregierung beschlossene Vorschlag kann derzeit wegen verwaltungsgerichtlicher Verfahren nicht umgesetzt werden. Die Besetzung soll unmittelbar nach Verfahrensabschluss erfolgen», ging die Antwort weiter.


Nicht dass in der ADS seither alles liegen bleibt, die kommissarische Leitung der Behörde hat Bernhard Franke übernommen. Aber das Zeichen ist fatal. Zumal die ADS mit Christine Lüders an der Spitze eine leidenschaftliche Kämpferin für die Gleichbehandlung von Schwulen und Lesben hatte. Zum Christopher Street Day in Berlin setzte sie sich zwei Mal über die Anweisung ihres Dienstherren hinweg und hängte die Regenbogenfahne einfach aus ihrem Bürofenster. «Zum Berliner CSD sollte auch in diesem Jahr vor unserem Haus die Regenbogenflagge wehen. Leider wurde das Hissen der Flagge vor dem Dienstgebäude diesmal untersagt», postete die ADS auf Facebook. 2016 wurde es ihr im letzten Moment dann doch erlaubt. Das Gerangel wiederholte sich im Jahr 2017. Lüders fand einen Weg, die Fahne doch noch zu zeigen.

Antidiskriminierungsstelle
Die damalige ADS-Chefin Lüders und Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek zeigten 2017 die Regenbogenfahne, die danach am Fenster des Büros angebracht wurde (Foto: ADS)

Im April 2019 kritisierten die Grünen im Bundestag, dass der Posten immer noch vakant ist: «Die Antidiskriminierungsstelle muss schellst- und auch bestmöglich besetzt werden», forderte die queerpolitische Sprecherin Ulle Schauws. «Verzögerungen und Kungelei der SPD bei der Besetzung der Leitung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes müssen aufhören: das Bundesfamilienministerium soll ohne Verwaltungsstreitverfahren eine neue ordnungsgemässe Bewerberauswahl einleiten.»

Wie der Berliner Tagesspiegel nämlich berichtete, war ein Rechtsstreit um die vakante Stelle ausgebrochen. Eine andere Bewerberin, die im Familienministerium arbeitet, hatte gegen die von der Bundesregierung geplante Postenvergabe geklagt, weil sie sich unfair behandelt fühlte. In erster Instanz rügte auch das Verwaltungsgericht Berlin das Auswahlverfahren deutlich – und untersagte per einstweiliger Anordnung die Ernennung Böhnings zur Antidiskriminierungsbeauftragten.


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Das Verwaltungsgericht stellte nämlich fest, dass die Auswahlentscheidung mit dem im Grundgesetz verankerten «Prinzip der Bestenauslese» (Artikel 33, Absatz 2) nicht vereinbar sei. Böhning habe keine vollständige Bewerbung für den Job als ADS-Chefin eingereicht, lediglich Zeugnisse und einen Lebenslauf – das sei aber «im engeren Sinne» keine Bewerbung. Das Familienministerium unter Giffey sei bei der Begründung der Personalie nur auf das «politische Verständnis» Böhnings eingegangen.

Insgesamt entstehe der Eindruck, so das vernichtende Urteil des Gerichts, dass das Verfahren zur Besetzung der ADS-Leitung «nicht in der gebotenen Weise ergebnisoffen geführt wurde».


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