«The Bean» und Lori Lightfoot – Chicago bietet mehr!
Wir zeigen dir, was du in der Metropole nicht verpassen darfst
Auf den ersten Blick wirkt Chicago wie jede andere Grossstadt in den USA. Doch die LGBTIQ-freundliche Metropole in Illinois überrascht mit einer eindrücklichen Architektur und einem ganz eigenen Charme.
Zwischen New York City an der Ostküste und San Francisco an der Westküste wird Chicago gerne mal übersehen, wenn es um die Planung von USA-Reisen geht. Zu Unrecht, denn die Stadt am Ufer des Michigansees verfügt über vielschichtige Facetten, die darauf warten, entdeckt zu werden: eine renommierte Architektur, erstklassige Museen, eine reiche Musikgeschichte und eine abwechslungsreiche Gastronomie gespickt mit quirligen Lokalspezialitäten. Nicht zu vergessen eine lebendige LGBTIQ-Community, die im nördlichen Teil der Stadt ein Zuhause aufgebaut hat und mit einem Gemeinschaftszentrum, mehreren Bars, Shops und einem jährlichen Strassenfest aufwartet. Seit Mai 2019 haben die Chicagoans, wie sich die Bewohner*innen gerne bezeichnen, mit Lori Lightfoot erstmals eine lesbische Afroamerikanerin zur Bürgermeisterin – die Medien feierten ihre Wahl als ein Bekenntnis der Stadtbevölkerung zur Vielfalt der drittgrössten Metropole der USA (MANNSCHAFT berichtete).
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Wolkenkratzer mit Strandfeeling Wer denkt, dass er mit einer Reise ins Landesinnere der USA auf die unendliche Weite des Meeres verzichten muss, kann sich freuen. Aufgrund der schieren Grösse des Michigansees – das Gewässer ist grösser als die ganze Schweiz – ist das andere Ufer nicht sichtbar. Sowohl bei den Sportlichen, die sich auf den gut signalisierten Fahrrad- oder Joggingstrecken tummeln, als auch bei den Sonnenanbeter*innen, die ihr Badetuch auf dem Sandstrand ausbreiten, kommt so ein täuschend echtes Meerfeeling auf.
An dieser Stelle muss gesagt werden, dass die beste Reisezeit für Chicago zwischen den Monaten Mai und September liegt. Besonders in den letzten Jahren brachten Polarwirbel arktische Kälte in den Mittleren Westen, im Januar 2019 verzeichnete der nationale Wetterdienst mit -23° Celsius einen neuen Kälterekord.
Warme Temperaturen bieten auch die besten Voraussetzungen für die Architektur-Bootsfahrt, die zu den beliebtesten Aktivitäten für Besucher*innen zählt. Nachdem der Grosse Brand von Chicago 1871 grosse Teile der Innenstadt vernichtet hatte, beteiligten sich Architekten aus dem ganzen Land eifrig am Wiederaufbau der Stadt. Innerhalb von sechs Wochen begannen die Bauarbeiten an 300 neuen Gebäuden, die sich an feuerfesteren Baustoffen und an der Entwicklung des Stahlbaus orientierten.
Es erstaunt daher nicht, dass Chicago als Geburtsstätte der Wolkenkratzer und als architektonisches Aushängeschild der Moderne gilt. Auf amerikanisch humorvolle und charmante Art vermittelt die Architektur-Bootsfahrt einen niederschwelligen Zugang zu den verschiedenen Baustilen und dem Wiederaufbau der Stadt.
Die Höhenangst überwinden Wer einen solchen Wolkenkratzer von innen erleben möchte, tut dies am besten im 442 Meter hohen Willis Tower, der seit seiner Fertigstellung 1974 bis 1998 als höchstes Gebäude der Welt galt – damals noch unter seinem früheren Namen Sears Tower. Das Skydeck auf dem 103. Stock bietet eine weitreichende Aussicht über die Stadtgrenzen hinaus in vier verschiedene Bundesstaaten. Bei guten Sichtverhältnissen lässt sich sogar das andere Ufer des Michigansees erkennen. Mutige können sich auf den sogenannten «Ledge», den Vorsprung, wagen – eine Glasplatte, die knapp anderthalb Meter seitlich über das Gebäude herausragt und einen nervenkitzelnden Blick in die Tiefe ermöglicht.
Ein weiteres Highlight der Innenstadt ist die Cloud Gate, eine auf Hochglanz polierte Skulptur aus Edelstahlplatten, die aufgrund ihrer bohnenähnlichen Form den Spitznamen «Bean» erhalten hat. Die Oberfläche verzerrt in ihrer Spiegelung die Umwelt und ermöglicht so kuriose Perspektiven auf die Skyline und auf die Besucher*innen. Diese dürfen unter der Skulptur hindurch gehen und sie auch berühren.
Eine besondere Handschrift Überhaupt sind hier viel Kunst und Kultur zu finden. Chicago verfügt über mehrere renommierte Museen zu den verschiedensten Themenbereichen, darunter auch ein Planetarium. Auch musikalisch hat die Stadt Pionierarbeit geleistet. Vor rund hundert Jahren siedelte sich hier der Dixieland-Jazz an, aus dem sich später mit dem Chicago-Jazz und schliesslich dem Swing ganz eigene Musikrichtungen entwickelten. Eine ganze Palette von Jazzclubs und -restaurants lassen diese vergangenen Epochen musikalisch wieder aufleben. Die Chicagoer Küche hat es ebenfalls geschafft, bekannten Gerichten eine eigene Note zu verleihen. Erwähnenswert ist die Chicago-Style-Pizza, die eher mit einer Quiche als mit einer Pizza zu vergleichen ist – nur sollte man das in Chicago tendenziell für sich behalten. Ein Hotdog auf Chicagoer Art wird unter anderem mit Tomaten, Selleriesalz und einem Mohnbrötchen serviert. Nach Ketchup zu fragen ist tabu!
Unterwegs in Boystown Für schwule und bisexuelle Männer ist schnell klar, in welchem Stadtteil sich die Community tummelt: Boystown. Das Viertel im Norden der Stadt gilt als grösster LGBTIQ-Treffpunkt des Mittleren Westens mit verschiedenen Bars, Restaurants und Geschäften, die von queeren Personen betrieben werden. Lesbische und bisexuelle Frauen haben das noch weiter nördlich gelegene Andersonville für sich in Anspruch genommen, das folglich den Übernamen Girlstown erhalten hat.
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Das Herz von Boystown bildet das Center on Halstead, ein mehrstöckiges Gemeinschaftszentrum, das nach eigenen Angaben täglich von rund 1000 LGBTIQ-Personen genutzt wird. Zu den Angeboten zählen Berufsberatung, Kochstunden, Testangebote zur sexuellen Gesundheit sowie Programme zur Gewalt- und Suchtprävention.
Ein Cybercenter sorgt dafür, dass Menschen ohne Zugang zu Computer und Drucker sich für Stellen bewerben können. Verschiedene Aktivitäten, ein Verpflegungsprogramm und ein Vermittlungsdienst dienen dazu, die Vereinsamung von LGBTIQ-Personen im Alter zu bekämpfen. Das Gemeinschaftszentrum beruht auf einem Konzept der Vielfalt und nicht der Gleichstellung. Die englische Sprache kennt dafür ein Wort, das Geschäftsführer Modesto Valle immer wieder verwendet: «equity». Der Begriff kann auf gut deutsch am besten mit Gerechtigkeit umschrieben werden. Er macht ein Beispiel: «Wenn WCs für Frauen flächenmässig gleich gross sind wie WCs für Männer, dann sprechen wir von Gleichstellung. Das heisst aber nicht, dass gleich viele Frauen wie Männer die Toiletten nützen können», sagt er. «Damit wir eine gerechte Situation schaffen können, müssen wir für Frauen-WCs mehr Platz zur Verfügung stellen.»
Das Center on Halsted steht mit einem Café auch interessierten Tourist*innen offen. Ausgelegte Flyer und Magazine informieren zudem über anstehende Events in Boystown.
Pride Fest oder Parade? Zu den grössten Highlights im LGBTIQ-Kalender von Chicago zählen unbestritten das Pride Fest, ein während zwei Tagen stattfindendes Strassenfest, sowie der Prideumzug, der eine Woche später durch die Grossstadt zieht.
Wer aus terminlichen Gründen zwischen den beiden Events entscheiden muss, dem sei an dieser Stelle das Pride Fest empfohlen. Anders als im deutschsprachigen Raum ist ein Mitmarschieren im Prideumzug den teilnehmenden Organisationen und angemeldeten Firmen vorbehalten – das Publikum muss hinter den Absperrungen bleiben. Das Pride Fest ermöglicht hingegen ein ausgelassenes Feiern mit allen Pridegästen. In Boystown werden dafür gleich mehrere Strassen abgesperrt. Vier Bühnen mit DJs, Dragqueens und Performer*innen liefern Unterhaltung, für Drinks und Verpflegung sind mehrere Imbissbuden und Barstände zuständig.
Zu guter Letzt bietet auch das Pride Fest einen Umzug, der die offizielle Parade in den Schatten stellt – zumindest für Tierliebhaber*innen: die «Pet Pride Parade». In unkomplizierter Stimmung und mit vielen Regenbogenfarben geschmückt präsentieren Mitglieder der Community stolz ihre Vierbeiner von Gross bis Klein. Auch hier schafft es die Stadt, Altbewährtem die eigene Chicagoer Handschrift zu verpassen.
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